Dieter Schwab, Familienrecht

11. Auflage, München 2001. 442 S. DM 29.80.

 

Karlheinz Muscheler, Das Recht der eingetragenen Lebenspartnerschaft

Berlin 2001. 322 S. EUR 96,00

 

Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 18. Juli 2001, Az. 1 BvQ 23/01, 1 BvQ 26/01; Beschluss vom 9. August 2001, Az. 1 BvR 1262/01

1. Das Lebenspartnerschaftsgesetz

Das Lebenspartnerschaftsgesetz (Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften: Lebenspartnerschaften vom 16. 02. 2001, BGBl 2001 I 266 [LPartG]), dessen Regierungsentwurf heftig umstritten und auch in der Öffentlichkeit heiß diskutiert wurde, wurde im Jahr 2000 im Bundestag beraten, 2001 beschlossen und veröffentlicht und ist am 1. August 2001 in Kraft getreten  Damit wurde in Deutschland die "eingetragene Lebenspartnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare" geschaffen. Die beiden christlichen Großkirchen haben dazu - die Evangelische Kirche Deutschlands differenzierter als die Katholische Deutsche Bischofskonferenz - Stellung bezogen (European Journal for Church and State Research VII [2000], 75, Anm. 4;  Herderkorrespondenz 54 [2000] 332, 341).

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2. Das Bundesverfassungsgericht

Aus der Durchführungsphase dieses Gesetzes sind zwei Urteile des Bundesverfassungsgerichtes erwähnenswert, die aufgrund von Beschwerden gegen dieses Gesetz im Jahr 2001 gefällt wurden. Die Beschwerden konnten das Inkrafttreten des Gesetzes zum 1. August 2001 nicht verhindern.

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a. Urteil vom 18. Juli 2001, Az. 1 BvQ 23/01, 1 BvQ 26/01, Pressemitteilung Nr. 76/2001 vom 18. Juli 2001

Mit diesem Urteil wurde eine von Bayern, Sachsen und Thüringen beantragte einstweilige Anordnung gegen das In-Kraft-Treten des Lebenspartnerschaftsgesetzes abgelehnt, und dabei auch grundsätzliche Erwägungen zum Normenkontrollverfahren gemacht. Darüber hinaus wurde die Frage, ob Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes betreffend den Schutz von Ehe und Familie verletzt wird, wenn die Lebenspartnerschaft zwischen zwei Menschen gleichen Geschlechtes einen öffentlichen Charakter erhält, in einem ersten obiter dictum verneint. Die Entscheidung in der Sache selbst ist inzwischen ergangen: BvF 1/01, 1 BvF 2/91 vom 17.7.2002. Eine Rezension erfolgt demnächst.

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b. Beschluss vom 9. August 2001, Az. 1 BvR 1262/01

Die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die Verfassungsbeschwerde von 26 homosexuellen Paaren gegen den Freistaat Bayern nicht zur Entscheidung angenommen. Die Beschwerdeführer sahen sich dadurch in ihren Grundrechten verletzt, dass der Freistaat Bayern bisher keine Ausführungsvorschriften für das Lebenspartnerschaftsgesetz erlassen hat. Das Bundesverfassungsgericht kann erst dann einschreiten, wenn der Gesetzgeber diese Pflicht evident verletzt hat. Eine solche Pflichtverletzung ist nicht erkennbar. Weder die Bayerische Staatsregierung noch der Bayerische Landtag sind gänzlich untätig geblieben. Dass in Bayern das Lebenspartnerschaftsgesetz später als in den meisten anderen Bundesländern zur Ausführung gelangt, begründet - eine Pflicht des Landesgesetzgebers zum Handeln unterstellt - noch keine evidente Pflichtverletzung. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber eine etwaige Handlungspflicht unterlaufen und die durch das Lebenspartnerschaftsgesetz eingeräumten Rechtspositionen den Betroffenen über einen längeren Zeitraum vorenthalten wolle, bestehen nicht. Nach Einschätzung der Bayerischen Staatsregierung erscheint eine zeitliche Perspektive für das In-Kraft-Treten des Gesetzes Ende Oktober 2001 durchaus realistisch. Erfolgt das Gesetzgebungsverfahren in diesem zeitlichen Ablauf, entspräche dies unter den gegebenen Umständen sogar dem Begehren der Beschwerdeführer nach einem schnellstmöglichen Handeln, das ihnen die Eintragung ihrer Lebenspartnerschaft ermöglicht. Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG liegt ebenfalls nicht vor. Die Träger hoheitlicher Gewalt sind zur Gleichbehandlung nur in ihrem Zuständigkeitsbereich verpflichtet.

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3. Zum Inhalt des Gesetzes

Das Bundesgesetz über die eingetragene Lebenspartnerschaft ist ein kompliziertes Werk. Der Gesetzgeber sah sich durch Art. 6 Abs. 1 GG gehindert, Paare des gleichen Geschlechts offen zur Eheschließung zuzulassen. Deshalb hat er eine Rechtsform gewählt, die zwar der Ehe stark ähnelt, sich aber auch wiederum von ihr in vielerlei  Hinsicht unterscheidet. Die Bezeichnung "Lebenspartnerschaft" wird in der Literatur kritisiert, weil sie einen Begriff von allgemeiner Bedeutung auf die gleichgeschlechtliche, eingetragene Partnerschaft anwendet (Schwab 410). Sie scheint mir aber richtig gewählt zu sein, weil man mit Partnerschaft in einem spezifischen Sinn auch die gelebte Beziehung bezeichnet. Sie ist bei der gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft nicht anders zu sehen als bei einer Ehe.

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Die gesetzliche Regelung der Lebenspartnerschaft verweist häufig auf das Eherecht oder ist in weiten Bereichen doch der Ehe nachgebildet. So wird im § 1 schon zu Form und Vorraussetzungen festgelegt, dass zwei Personen gleichen Geschlechts, die gegenseitig vor der zuständigen Behörde persönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit erklären, miteinander eine Partnerschaft auf Lebenszeit führen zu wollen. Die Erklärungen können nicht unter einer Bedingung oder Zeitbestimmung abgegeben werden. Erforderlich ist zusätzlich die Abgabe einer Erklärung über den Vermögensstand. Die zuständige Behörde wird durch das Landesrecht bestimmt. Die Behörde trägt die Begründung der Lebenspartnerschaft in ein Register ein.

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Die Lebenspartnerschaft ist wie die Ehe monogam. Sie kann daher nicht von einer Person begründet werden, die verheiratet ist oder bereits mit einer anderen Person eine Lebenspartnerschaft führt. Wohl aber kann ein in eingetragener Lebenspartnerschaft lebender heiraten, weil das Gesetz kein Ehehindernis bestehender eingetragener Lebenspartnerschaft kennt. Das ist eine echte Gesetzeslücke. Scheinpartnerschaft kann nicht wirksam begründet werden.

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Mit einer Person, die minderjährig oder geschäftsunfähig ist, sowie zwischen Personen, die in gerader Linie miteinander verwandt sind und zwischen vollbürtigen und halbbürtigen Geschwistern, kann eine Lebenspartnerschaft nicht wirksam begründet werden.

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Hinsichtlich der fehlerhaften Begründung der Lebenspartnerschaft bestehen Unterschiede zur Ehe, insofern es bei der ersteren nur zwei Möglichkeiten gibt, entweder ist sie voll wirksam oder unwirksam. "Aufhebung" wird spezifisch verwendet im Sinne von gerichtlicher Auflösung (Schwab 414).

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Aus der Lebenspartnerschaft entstehen persönliche und wirtschaftliche Pflichten, nämlich die Pflicht zur "gemeinsamen Lebensgestaltung", zur gegenseitigen Fürsorge und Unterstützung sowie die Verpflichtung zum gegenseitigen Unterhalt. Hier bestehen offensichtlich auch Unterschiede zur Ehe. Ein gemeinsamer Name, d. h. der eines Partners, kann geführt werden. Die Bestimmung soll bei Begründung der Lebenspartnerschaft erfolgen. Bei der Wahl des gemeinsamen Namens ergeben sich ansonsten dieselben Probleme wie bei der Ehe.

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Weitere Wirkungen entstehen im Bereich der Vermögensverhältnisse. Den Lebenspartnern ist es aufgeben, sich schon bei Begründung ihrer Lebenspartnerschaft für eine bestimmte Zuordnung ihres Vermögens zu entscheiden. Es gibt ähnlich dem Ehegüterrecht ein Recht des Vermögensstandes. Die Ausgleichsgemeinschaft, sie entspricht der Zugewinngemeinschaft bei der Ehe, ist der "ordentliche" Vermögensstand. Ihre Begründung bedarf keiner besonderen Form. Wird ein anderer Vermögensstand gewählt, ist ein "Lebenspartnerschaftsvertrag" in Form eines Notariatsaktes vorgeschrieben. Es besteht gegenseitiges gesetzliches  Erb- und Pflichtteilsrecht.

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Eigene Bestimmungen regeln das Getrenntleben. Die Lebenspartnerschaft kann nur durch den Tod oder auf Antrag eines oder beider Lebenspartner durch gerichtliche Aufhebung aufgelöst werden. Dabei hebt das Gericht die Lebenspartnerschaft, anders als bei der Ehe, aus drei Gründen auf: Erstens wenn beide Lebenspartner erklärt haben, die Lebenspartnerschaft nicht fortsetzen zu wollen und seit der Erklärung 12 Monate vergangen sind. Zweitens wenn ein Lebenspartner erklärt hat, die Lebenspartnerschaft nicht fortsetzen zu wollen und seit der Zustellung dieser Erklärung an den anderen Lebenspartner 36 Monate vergangen sind. Drittens wenn die Fortsetzung der Lebenspartnerschaft für den Partner, der die Aufhebung beantragt hat, aus Gründen, die in der Person des anderen Partners liegen, eine unzumutbare Härte wäre.

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Nach Aufhebung durch das Gericht kann es nachpartnerschaftlichen Unterhalt geben. Wenn sich die Lebenspartner nicht darüber einigen, wer von ihnen die gemeinsame Wohnung künftig bewohnen oder wer die Wohnungseinrichtung und den sonstigen Hausrat erhalten soll, so regelt auf Antrag das Familiengericht die Rechtsverhältnisse an der Wohnung und am Hausrat.

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Das Gesetz über die eingetragene Lebenspartnerschaft liegt eingebettet in einer Reihe weiterer Maßnahmen. So sind z. B. Änderungen des BGB vorgesehen und auch sonstiges Bundesrecht muss geändert werden. Dies gilt für das Personenstandsgesetz (Bestimmungen über das Lebenspartnerschaftsbuch und die dort vorzunehmenden Eintragungen), die Zivilprozessordnung, die Insolvenzverordnung und die Kostenordnung, die Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, das Transsexuellengesetz, das Bundessozialhilfegesetz, das Ausländergesetz und das Beurkundungsgesetz. Ferner müssen die Strafprozessordnung und das Strafgesetz sowie das Gesetz über das gerichtliche Verfahren der Freiheitsbeziehungen, die Abgabenordnung und das Versicherungsvertragsgesetz geändert werden. Im Letzteren muss es in Zukunft heißen: "Als Familienangehöriger im Sinne des Absatz 2 gilt auch der Lebenspartner des Versicherungsnehmers" (§ 67 Absatz 3 neu). Weitere Änderungen sind erforderlich im Sozialgesetzbuch, im Erbschaftssteuergesetz und im Einkommenssteuergesetz (Veranlagung von Lebenspartnern).

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So sind als weitere Wirkungen der Lebenspartnerschaft zu nennen: Der eingetragene Lebenspartner gilt als Familienangehöriger, auch im Strafrecht zählt er zu den Angehörigen. Es entsteht das Rechtsverhältnis der Schwägerschaft. Der Lebenspartner tritt bei Tod in das Mietverhältnis ein.

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Im Staats- und Ausländerrecht entstehen ähnliche Privilegierungen wie bei Ehegatten. Weiters haben die Lebenspartner wie Ehegatten und Verlobte ein Zeugnis- und Eidesverweigerungsrecht nach der Zivil- und Strafprozessordnung und sind nach dem BGB bei der Auswahl eines Betreuers zu berücksichtigen.

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4. Besprechung der Bücher von Dieter Schwab und Karlheinz Muscheler

Es ist sehr zu begrüßen, dass die Literatur so schnell auf das Erscheinen des Gesetzes reagiert hat. Aus der inzwischen erschienen Literatur habe ich die beiden Bücher von Schwab und von Muscheler herausgegriffen, weil sie - jedes in seiner Art - für die Konsultation von Wert sind. Ist das erstgenannte Buch ein Lehrbuch, das vor allem einen ersten Überblick gibt und ein rasches und kompetentes Kennenlernen der neuen Rechtsmaterie ermöglicht, so ist das zweitgenannte Buch ein gut brauchbarer Kommentar für die Lehre und Praxis, der sich ausschließlich dem neuen Rechtsinstitut zuwendet. Aber auch die Vorgeschichte, inklusive dem Vorspiel im Europäischen Parlament, kommt zum Zug. Die Fragen um den Schutz der Ehe bis hin zur Adoption und zur künstlichen Insemination werden ausführlich behandelt.

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Ein kursorischer Überblick mit Tabelle gibt einen rechtsvergleichenden Einblick in die Situation in ganz Europa. Im benachbarten Frankreich wurde schon 1999 PACS für gleich- und verschiedengeschlechtliche Paare eingeführt, so dass dort auch schon Erfahrungen bestehen. Was der Gesetzgeber dort wegen der Vermeidung einer Gleichbehandlung homosexueller Verbindungen mit der Ehe an Regelungen vermieden hat, wurde inzwischen durch die Rechtsprechung "korrigiert", die gleichgeschlechtliche Verbindung verehelicht. Eine Reform ist dort, wie man hört, bereits notwendig geworden. Übrigens finden sich in beiden Büchern Tabellen, die das Verständnis des neuen Rechtes, vor allem im Vergleich zum alten Recht, erleichtern. Im Anhang des Buches von Muscheler ist auch der Gesetzestext abgedruckt.

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Die Durchführung in den Ländern und Gemeinden ist erst im Gang. In Baden-Württemberg wird der Normalfall der Registrierungsbörde, also der Ort, wo man seine Verbindung eingeht, das Notariatsbüro sein, es gibt aber Städte, wo die Standesämter dafür offen sind, z. B. in Freiburg und in Heidelberg.

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Hervorheben möchte ich noch, dass in Deutschland die faktischen Verhältnisse, also die nichteheliche Lebensgemeinschaft und die nichtregistrierte Lebenspartnerschaft, neben den gesetzlichen Statusverhältnissen Ehe und registrierte Lebenspartnerschaft weiter bestehen bleiben und möglich sind. Niemand wird vom Gesetzgeber gezwungen, zu heiraten oder sich registrieren zu lassen. D. h. aber auch, dass das Risiko entsteht, wie Muscheler schreibt (S. 31), dass die Rechtsprechung hier in vertrauten Bahnen weiterdenken wird, bei Normen, die ausdrücklich von eheähnlicher Gemeinschaft sprechen, vielleicht sogar weiterdenken muss, indem sie nach wie vor faktischen homosexuellen Lebensgemeinschaften selbst jenes Minimum an eherechtlichen Regelungen verweigert, das auf faktische heterosexuelle Lebensgemeinschaften Anwendung findet. Realisiert sich dieses Risiko, würden homosexuelle Paare stärker in die Registrierung als heterosexuelle Paare in die Ehe gedrängt (Muscheler ebd. und 237ff.)

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Die beiden Bücher sollten in keiner einschlägigen, auch theologischen Bibliothek fehlen. Über weitere Neuerscheinungen - es gibt sie schon - werde ich in der ThQ wieder berichten.

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Richard Puza