Die Rechtsprechung der Kirchlichen Arbeitsgerichte im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz

Entscheidungen im Überblick1

Von Stefan Ihli

 

Inhaltsverzeichnis

  1. Einleitung
  2. Zusammensetzung der Mitarbeitervertretung (MAV)
  3. Freistellung von MAV-Mitgliedern
  4. Kosten der MAV-Arbeit
  5. Behinderung der MAV-Arbeit
  6. Übergangs- und Restmandat bei Sondervertretungen
  7. Kompetenz der DiAG-MAV
  8. Aufgaben der MAV
  9. Anhörungsrecht der MAV
  10. Zustimmung der MAV bei Einstellung und Eingruppierung von Dienstnehmern
  11. Zustimmung der MAV bei Angelegenheiten der Dienststelle
  12. KODA
  13. Fazit
 

 

0. Einleitung

 

Seit dem 1. Juli 2005 und damit seit über zwei Jahren ist die Kirchliche Arbeitsgerichtsordnung (KAGO) nunmehr in Kraft.2 Nach ihrem § 47 Abs. 2 Buchst. b ist in einem arbeitsgerichtlichen Urteil die Revision u. a. dann zuzulassen, wenn "das Urteil von einer Entscheidung des Kirchlichen Arbeitsgerichtshofes oder, solange eine Entscheidung des Kirchlichen Arbeitsgerichtshofes in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung eines anderen Kirchlichen Arbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht". Die Beobachtung der Judikatur im Geltungsbereich der KAGO ist daher für die bei den Arbeitsgerichten tätigen Richter und Beisitzer von nicht unerheblicher Bedeutung, zumal diese auch unabhängig von der Frage der Zulassung oder Nichtzulassung der Revision eine Hilfe beim Fällen eigener Urteile darstellen kann. Im Hinblick darauf sammelt und veröffentlicht die Geschäftsstelle des Kirchlichen Arbeitsgerichtshofes beim Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz die Urteile der Untergerichte. Auch wenn zumindest augenblicklich diese Sammlung nicht vollständig ist, da nicht alle Gerichte ihre Urteile nach Bonn übersenden, lohnt ein Blick darauf. Nicht zuletzt können und sollen die Urteile auch Richtschnur für das weitere Handeln von Dienstgebern und Dienstnehmern sein, damit Auseinandersetzungen wegen bereits rechtskräftig entschiedener Tatbestände künftig vermieden werden und sich das Zusammenspiel von Dienstgebern und Dienstnehmern konfliktfreier gestalten kann. So klärend und nötig ein gerichtliches Verfahren im Einzelfall sein kann, soll es doch nicht zur gewöhnlichen Art des Umgangs miteinander innerhalb der Dienstgemeinschaft der Kirche werden (vgl. can. 1713 CIC; § 7 Abs. 5 KAGO).

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Im folgenden soll daher eine Übersicht über die Rechtsprechung der Kirchlichen Arbeitsgerichte im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz dargeboten werden. Herangezogen dafür wurden alle verfügbaren Urteile der Kirchlichen Arbeitsgerichte erster Instanz und des Kirchlichen Arbeitsgerichtshofs.3 Die Darstellung orientiert sich weitgehend am Aufbau der Mitarbeitervertretungsordnung (MAVO).4 Es geht dabei weniger um eine vertiefende Interpretation der Entscheidungen, als um einen breiten Überblick zur eigenen Orientierung. Lediglich aus Platzgründen wurde darauf verzichtet, auch die Entscheidungen der evangelischen Kirchengerichte erster Instanz bzw. des Kirchengerichtshofs der EKD5 in den Überblick einzubeziehen.

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1. Zusammensetzung der Mitarbeitervertretung (MAV) (§ 6 MAVO Rottenburg-Stuttgart)

 

Wenn auch die Materie in den MAVOen der einzelnen Diözesen unterschiedlich geregelt ist, ist doch die Frage der Anrechnung teilzeitbeschäftigter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Berechnung der Größe der zu wählenden MAV gleichwohl rechtlich interessant. In diesem Zusammenhang hatte sich das Kirchliche Arbeitsgericht Fulda in einem Urteil6 damit auseinanderzusetzen, ob eine durchgeführte MAV-Wahl nichtig ist.

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In der MAVO der Diözese Fulda ist geregelt, dass bei den Wahlen zu den MAVen Teilzeitbeschäftigte bei der Berechnung der Zahl der wahlberechtigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und damit auch bei der Berechnung der Größe der zu wählenden MAV nur zu einem bestimmten, näher aufgeschlüsselten Teil berücksichtigt werden, und zwar Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 10 Stunden zu 0,25, nicht mehr als 20 Stunden zu 0,5 und nicht mehr als 30 Stunden zu 0,75 (§ 6 Abs. 1 MAVO Fulda).

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Die Fuldaer Diözesane Arbeitsgemeinschaft der MAVen (DiAG-MAV) hatte in dieser Bestimmung einen Verstoß gegen die europäische Antidiskriminierungsrichtlinie und speziell gegen § 4 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (TzBfG) gesehen. Diese Vorschrift lautet: "Ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer darf wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen." Die DiAG-MAV hatte auch empfohlen, bei der Frage der zu wählenden Mitglieder einer MAV nur auf die Zahl der dort beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ohne Ansehung ihres Beschäftigungsumfangs abzustellen.

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Nach diesem vorgeschlagenen Modus, also entgegen der Regelungen in der MAVO, war eine kirchengemeindliche MAV-Wahl durchgeführt worden. Der dortige Dienstgeber hatte daraufhin die Feststellung der Nichtigkeit der Wahl beantragt. Ohne hier näher auf Formalien einzugehen, kann festgehalten werden, dass das Kirchliche Arbeitsgericht Fulda diesem Antrag stattgab. Es sah in der Regelung der MAVO keinen Verstoß gegen das TzBfG. Es könne im vorliegenden Fall nämlich nicht von einer willkürlichen Ungleichbehandlung von Mitarbeitern gesprochen werden, da die Individualrechte von Teilzeitbeschäftigten im Wahlverfahren nicht betroffen gewesen seien. Teilzeitbeschäftigte seien gemäß der Regelung in der MAVO in gleicher Weise wie Vollzeitbeschäftigte passiv und aktiv wahlberechtigt. Die Unterscheidung zwischen voll- und teilzeitbeschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern betreffe dagegen nicht den einzelnen Beschäftigten, sondern nur die Größe des zu wählende Gremiums als Ganzes. Daher habe diese Bestimmung nur eine kollektivrechtliche Wirkung. Das TzBfG erstrecke sich jedoch nicht auf kollektivrechtliche Tatbestände. Auch betreffe die gemäß der MAVO errechnete Größe der zu wählenden MAV teilzeitbeschäftigte und vollzeitbeschäftigte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gleichermaßen, da z. B. in sehr kleinen Einrichtungen weder Teilzeit- noch Vollzeitbeschäftigte ein aktives oder passives Wahlrecht hätten, da dort gar keine MAV zu wählen sei. Zudem liege hier ein sachlicher Grund der Ungleichbehandlung gemäß TzBfG vor, da bei einer gleichmäßigen Anrechnung von voll- und teilzeitbeschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit einer übermäßigen Ausfallquote in der MAV zu rechnen wäre.

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Der Kirchliche Arbeitsgerichtshof hat dieses Urteil im Grundsatz bestätigt7, wenngleich er im Gegensatz zum Fuldaer Kirchlichen Arbeitsgericht die Wahl nicht für nichtig hielt, sondern für unwirksam erklärte, da aus seiner Sicht bei der auf falschen Grundlagen durchgeführten Wahl trotz einer unrichtigen Angabe der Anzahl der zu wählenden Personen auf den Stimmzetteln durchaus der Anschein einer gültigen Wahl entstanden war.

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2. Freistellung von MAV-Mitgliedern (§ 15 MAVO Rottenburg-Stuttgart)

 

Angesichts des Kostendrucks im Gesundheitswesen überrascht der Befund nicht besonders, dass gerade im Bereich der kirchlichen Krankenhäuser die Freistellung von MAV-Mitgliedern ein immer wieder umstrittenes Thema ist. So hatte sich z. B. das Kirchliche Arbeitsgericht Paderborn mit dieser Materie zu befassen.8 In der betreffenden Einrichtung war bereits auf Antrag der MAV eines ihrer Mitglieder im Umfang der Hälfte der normalen Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten von seinen dienstlichen Aufgaben freigestellt worden. Den Antrag der MAV auf Freistellung eines weiteren Mitgliedes im selben Umfang - der MAV stand eine Freistellung im Umfang von insgesamt zwei Vollzeitstellen zu - lehnte der Dienstgeber dagegen ab und verwies auf den Kostendruck, unter dem er stehe. Auch sei eine Aufteilung der Stelle in der EDV-Abteilung, die das zusätzlich freizustellende, vollbeschäftigte MAV-Mitglied innehatte, auf zwei halbe Stellen aus organisatorischen Gründen nicht möglich. Das Gericht ließ diese Argumente nicht gelten und verurteilte den Dienstgeber zur Freistellung des zweiten MAV-Mitglieds.

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In einem Freiburger Fall9 stellte sich die Situation extremer dar. Auch hier handelte es sich beim Dienstgeber um den Träger eines katholischen Krankenhauses. Die MAV hatte zunächst auf die Freistellung, die ihr ebenfalls im Umfang von zwei vollen Stellen zustand, völlig verzichtet, da sie ihr nicht notwendig erschien und da sie auf die wirtschaftlichen Belange des Dienstgebers Rücksicht nehmen wollte. Nachdem sie aber später den Antrag auf eine Freistellung im Umfang des halben Beschäftigungsumfanges eines Vollzeitbeschäftigten stellte, lehnte der Dienstgeber diesen Antrag ab. Die Situation verkomplizierte sich dadurch, dass es sich beim einzigen MAV-Mitglied, das zu einer Freistellung bereit war, um einen Anästhesiearzt handelte. Der Dienstgeber brachte deshalb vor, es gebe keine Planstelle für die Freistellung eines MAV-Mitglieds, zumal die Krankenkassen eine dafür beantragte Erhöhung des Pflegesatzes abgelehnt hätten. Gerade im ärztlichen Bereich sei die Personaldecke aufgrund verschiedener Sparmaßnahmen so dünn, dass es unmöglich sei, im Dienstplan einen Ersatz für einen freigestellten Arzt zu finden. Die MAV solle daher zumindest ein anderes, nicht-ärztliches Mitglied benennen, das freigestellt werden solle.

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Auch diese Argumente überzeugten das Gericht nicht. Es verurteilte den Dienstgeber zur Freistellung des Arztes und führte dazu insbesondere aus, dass hinsichtlich der Frage der Freistellung von MAV-Mitgliedern die schutzwürdigen Belange sowohl der MAV als auch des Dienstgebers gegeneinander abzuwägen seien. Bei dieser Abwägung ergebe sich im vorliegenden Einzelfall, dass die MAV aufgrund ihres weitgehenden Verzichts auf Freistellungen ausreichend auf die wirtschaftlich schwierige Situation des Dienstgebers eingegangen sei und dass es zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben unabdingbar sei, dass sie zumindest eine Freistellung im Umfang einer halben Vollzeitstelle erhalte. Dass die Krankenkassen für eine Freistellung nicht bereit seien, den Pflegesatz zu erhöhen, entbinde den Dienstgeber nicht von seiner sich aus der MAVO ergebenden Pflicht, Freistellungen zu gewähren. Diese Pflicht treffe zudem alle Unternehmen im Gesundheitswesen gleichermaßen. Auch spreche nichts gegen die Freistellung eines Arztes, zumal der Dienstgeber noch nicht ausreichend geprüft habe, inwieweit der freizustellende Arzt durch Konsiliarärzte ersetzt werden könne.

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3. Kosten der MAV-Arbeit (§§ 17, 24 MAVO Rottenburg-Stuttgart)

 

Aufgrund wachsenden Kostendrucks in den Einrichtungen umstritten ist zwangsläufig auch die Kostenerstattung der MAV-Arbeit. Die DiAG-MAV der Diözese Fulda hatte die Diözese verklagt, im Umfang der jeweiligen Freistellungen der Mitglieder der DiAG-MAV an die jeweiligen Dienstgeber der Mitglieder eine Erstattung der Personalkosten zu zahlen. Das Kirchliche Arbeitsgericht Fulda wies diese Klage ab10 und begründete das Urteil zum einen damit, Freistellung und Entgeltzahlung seien untrennbar miteinander verknüpft, da die Freistellung eine Ausnahme des arbeitsrechtlichen Grundprinzips "ohne Arbeit kein Lohn" sei. Da die einzelnen Mitarbeiter gegenüber ihrem jeweiligen Dienstgeber ein Recht auf Freistellung hätten, könne nicht von einem Dritten eine Erstattung der Lohnkosten des Dienstgebers verlangt werden. Gleiches ergebe sich daraus, dass die Diözese nur zur Tragung der "notwendigen Kosten" der DiAG-MAV-Arbeit verpflichtet sei. Dazu gehörten nicht die Personalkosten der einzelnen Mitglieder, da diese Ausgaben nicht aufgrund der Mitarbeit in der DiAG-MAV anfielen, sondern aus den einzelnen Arbeitsverhältnissen folgten und daher auf die individualarbeitsrechtlichen Verhältnisse der Mitglieder zu ihren jeweiligen Dienstgebern bezogen seien. Daran ändere auch die Gefahr nichts, dass Mitarbeiter sich genötigt sehen könnten, von einer Mitarbeit in der DiAG-MAV abzusehen, um einen zusätzlichen Kostendruck von ihrem Dienstgeber abzuwenden. Zwar könne die Diözese für den Einzelfall insbesondere im Hinblick auf sehr kleine Einrichtungen Zuschussvereinbarungen treffen, doch handele es sich dabei lediglich um Sonderregelungen, die im vorliegenden Fall nicht getroffen worden seien.

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4. Behinderung der MAV-Arbeit (§ 18 MAVO Rottenburg-Stuttgart)

 

Vom Kirchlichen Arbeitsgericht Paderborn wurde die Frage behandelt, ab wann von einer Behinderung der MAV-Arbeit zu sprechen ist.11 Der Geschäftsführer eines kirchlichen Krankenhauses hatte während mehrerer Monate vergeblich versucht, mit der MAV eine Einigung über die Umsetzung neuer Arbeitszeitgesetze und Beschlüsse der arbeitsrechtlichen Kommission herbeizuführen. Daraufhin verfasste er ein Rundschreiben an die Dienstnehmer des Krankenhauses und hielt darin fest, die MAV habe bislang keinen einzigen Schritt zur Änderung oder Verbesserung der Organisation des Hauses mitgetragen. Aufgrund des großen Konkurrenzdrucks zu anderen Kliniken sei dies im Hinblick auf einen gefährdeten Fortbestand der Einrichtung bedenklich. Er werbe daher dafür, die Geschicke des Hauses nicht den "vermeintlich im Dienste der Mitarbeiter auftretenden Personen" anzuvertrauen. Die MAV sah darin eine Behinderung ihrer Arbeit und erhob Klage.

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Das Gericht erklärte in seinem Urteil, nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) sei der Begriff der Behinderung umfassend zu verstehen. Er erfasse jede unzulässige Erschwerung, Störung oder gar Verhinderung der MAV-Arbeit. Ein Verschulden oder gar eine Behinderungsabsicht des Störers sei dazu nicht erforderlich. Eine Behinderung könne auch bereits in Äußerungen des Dienstgebers zur MAV-Arbeit und deren Folgen liegen, wenn dabei z. B. durch die Art und Weise der Äußerung gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit verstoßen werde und die berechtigten Belange der MAV außer acht gelassen würden. Das Gebot einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Dienstgeber und MAV stehe einer offen ausgetragenen Auseinandersetzung auch heftigerer Art über strittige Fragen und auch einer kritischen Meinungsäußerung über das Verhalten der jeweils anderen Seite nicht entgegen, sofern sie sachlich und in angemessener Form vorgebracht werde. So könne der Dienstgeber durchaus auch seine Unzufriedenheit mit der MAV und der Art ihrer Arbeit offen und deutlich zum Ausdruck bringen. Eine objektive Beeinträchtigung der Tätigkeit der MAV liege erst dann vor, wenn der Boden sachlicher Auseinandersetzungen z. B. durch Äußerungen herabsetzender Art oder durch Erregung von Misstrauen gegen die Arbeit der MAV verlassen und dadurch die Erfüllung der Aufgaben der MAV erschwert werde. Derartige Äußerungen seien dann auch nicht durch die grundgesetzlich verankerte Meinungsfreiheit gedeckt. Im vorliegenden Fall habe daher der Geschäftsführer mit seiner Äußerung, die MAV habe bislang keinen einzigen Schritt zur Änderung oder Verbesserung der Organisationsstruktur des Krankenhauses mitgetragen, eine zulässige Kritik geäußert und die MAV in ihrer Arbeit nicht behindert. Bei den Dienstnehmern dafür zu werben, die Geschicke des Hauses nicht den "vermeintlich im Dienste der Mitarbeiter auftretenden Personen" anzuvertrauen, gehe dagegen über das zulässige Maß einer sachlichen Kritik und freien Meinungsäußerung hinaus. Diese Äußerung beschränke sich nämlich nicht auf eine Kritik am Verhalten der MAV bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben. Vielmehr sei damit der Versuch unternommen worden, Misstrauen gegenüber der MAV und der Art der Erfüllung ihrer Aufgaben bei der gesamten Belegschaft des Krankenhauses zu wecken. Ein solcher Aufruf setze die MAV gegenüber den Personen, die sie gewählt hätten und die sie vertrete, immer wieder unter besonderen Rechtfertigungsdruck und behindere sie daher in ihrer Amtsführung.

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5. Übergangs- und Restmandat bei Sondervertretungen (§§ 13d-e, 23 MAVO Rottenburg-Stuttgart)

 

Mit der Frage des Übergangs- bzw. Restmandats bei Sondervertretungen hatte sich das Gemeinsame Kirchliche Arbeitsgericht Hamburg zu befassen.12 In dem konkreten Fall waren die Schulen einer Region der Erzdiözese Hamburg zu einer eigenen Einrichtung im Sinne der MAVO zusammengefasst worden. Für die dort beschäftigten Religionslehrer existierte auch eine eigene Sondervertretung, während für die Religionslehrer im Rest der Diözese eine andere Sondervertretung bestand. Aufgrund von Änderungen der Verwaltungsstruktur in der Diözese wurde die Abtrennung der Schulen der fraglichen Region aufgehoben und diese in die für den Rest der Diözese bestehende Schulverwaltung eingegliedert. Als daraufhin eine neue Religionslehrerin eingestellt werden sollte, wurden seitens des Dienstgebers beide Sondervertretungen um Zustimmung ersucht, da der Dienstgeber davon ausging, dass durch die Eingliederung der zuvor abgetrennten Schulen die für diese bestehende Sondervertretung nicht automatisch aufgehört hatte zu existieren. Die für die gesamte Diözese eingerichtete Sondervertretung antwortete dem Dienstgeber und erbat weitere Informationen über die einzustellende Lehrerin. Diese Informationen wurden nicht nachgereicht, vielmehr erfolgte unmittelbar die Einstellung der Lehrerin. Die Sondervertretung vertrat die Auffassung, nach der Eingliederung der vorher abgetrennten Schulen sei sie die nunmehr alleinig zuständige Sondervertretung für den Bereich der gesamten Diözese.

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Dieser Auffassung schloss sich das Gemeinsame Kirchliche Arbeitsgericht an. Es führte näherhin aus, zwar könne grundsätzlich vom Vorliegen eines Restmandats auch bei der Eingliederung einer Einrichtung in eine andere oder bei der Zusammenlegung von Einrichtungen ausgegangen werden, jedoch erfasse das Restmandat rückwärtsgewandt allein die Einrichtung in ihrem Zustand vor der Organisationsänderung, nicht aber die neue Einrichtung. Daher existiere das Restmandat nur so lange, wie noch Regelungsgegenstände aus der alten Einrichtung offen seien. Es betreffe dagegen keine neuen Regelungsmaterien. Da es im aktuellen Fall um die Neueinstellung einer Religionslehrerin gehe, handele es sich dabei nicht um einen Altfall, so dass hier kein Restmandat vorliege.

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Es bestehe allerdings auch kein Übergangsmandat, da es dieses nur bedurft hätte, wenn durch die Zusammenlegung eine neue betriebliche Einheit entstanden wäre, so dass die von den bisher gewählten MAVen vertretenen Mitarbeiter ihren Schutz verloren hätten. Ein Übergangsmandat setze daher voraus, dass durch die Zusammenlegung von Einrichtungen eine gänzlich neue Einrichtung entstehe, was im vorliegenden Fall nicht gegeben sei. Hier handele es sich nämlich um die Eingliederung einer Einrichtung in eine andere, die dabei ihre Identität behalte und bereits eine Sondervertretung habe. Die Vertretung der aufnehmenden Einrichtung übernehme damit automatisch die Vertretung der neu hinzugekommenen Dienstnehmer. Von einer derartigen Eingliederung sei immer dann auszugehen, wenn die aufnehmende Einrichtung in ihrer Organisationsstruktur unverändert bleibe. Der aufnehmende Rechtsträger werde lediglich größer, ohne dass er dadurch tiefgreifende Veränderungen erfahre. Hinzu komme, dass es nicht möglich sei, dass innerhalb einer Berufsgruppe einer Diözese mehrere Sondervertretungen nebeneinander existierten. Wenn auch die Bildung regional bezogener Sondervertretungen begrüßenswert wäre, werde dies doch vom Gesetzestext der MAVO nicht gedeckt.

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6. Kompetenz der DiAG-MAV (§ 24 MAVO Rottenburg-Stuttgart)

 

Welche Kompetenz kommt der DiAG-MAV zu? Diese Frage hatte das Kirchliche Arbeitsgericht Fulda zu beantworten.13 Die dortige DiAG-MAV hatte die Veröffentlichung einer Presseerklärung beabsichtigt, in der sie ihre Besorgnis über die zunehmenden sogenannten prekären Arbeitsverhältnisse im kirchlichen Dienst zum Ausdruck bringen wollte. Auf Weisung des Bischofs hatte daraufhin der Generalvikar die Veröffentlichung dieser Presseerklärung untersagt. Die DiAG-MAV verklagte in der Folge die Diözese auf Duldung der Veröffentlichung der Presseerklärung. Das Kirchliche Arbeitsgericht wies diese Klage ab mit der Begründung, aufgrund ihrer in der MAVO definierten Kompetenzen stehe es der DiAG-MAV nicht zu, Aktivitäten im außerkirchlichen Bereich zu entfalten. Anders als gewerkschaftliche Koalitionen habe sie nämlich kein allgemeines Mandat zur Vertretung von Mitarbeiterinteressen über die ihr speziell zugewiesenen Aufgaben hinaus. Das gelte insbesondere für die Einflussnahme auf die öffentliche Meinung bezüglich Entscheidungen der Dienstleitung im Wege von Presseveröffentlichungen. Der Aufgabenbereich der DiAG-MAV beschränke sich auf den gegenseitigen Informations- und Erfahrungsaustausch über Mitarbeitervertretungsangelegenheiten der in ihr vereinigten MAVen. Öffentlichkeitsarbeit z. B. im Wege von Presseveröffentlichungen zähle nicht zu den Aktivitäten, die für die Erfüllung der Aufgaben nötig seien, die der DiAG-MAV zugewiesen wurden. Sie solle nur ein internes Forum darstellen; eine Artikulation ihrer Meinungsbildung in der Öffentlichkeit übersteige den ihr durch den kirchlichen Gesetzgeber zugewiesenen Rahmen.

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7. Aufgaben der MAV (§ 26 MAVO Rottenburg-Stuttgart)

 

In der Erzdiözese Berlin entstand anlässlich der dortigen Spar- und Umstrukturierungsmaßnahmen ein Streit darüber, ob die MAV ein Recht auf die Vorlage eines Ist-Stellenplans hat. Während die MAV dies für ihre Arbeit als notwendig angesehen hatte, hatte die Erzdiözese entgegnet, es bestehe überhaupt kein Ist-Stellenplan. Das zuständige Gemeinsame Kirchliche Arbeitsgericht in Hamburg hielt fest14, dass der MAV auf Verlangen die zur Durchführung ihrer Aufgaben erforderlichen Unterlagen vorzulegen seien. Dazu gehöre auch der Ist-Stellenplan, da dieser als Grundlage vieler Personalentscheidungen des Dienstgebers entscheidend sei. Er sei Teil der Personalplanung. Die MAV habe ein legitimes Interesse daran, den Ist-Stellenplan vom Dienstgeber vorgelegt zu bekommen, da sie für ihre Arbeit wissen müsse, über welche bewilligten und auch tatsächlich besetzten Stellen die jeweilige Einrichtung verfüge. Zwar werde in der Judikatur und Literatur die Vorlagepflicht unterschiedlich begründet und auch der Umfang des vorzulegenden Stellenplans unterschiedlich beurteilt. Auch bestehe keine Einigkeit darüber, ob von einer Vorlagepflicht auszugehen sei, wenn es gar keinen Ist-Stellenplan gibt. Nach Auffassung des Gerichtes könne für diesen Fall nicht grundsätzlich von einer Vorlagepflicht ausgegangen werden. Jedoch habe die MAV im vorliegenden Fall durchaus einen Anspruch auf Vorlage eines Ist-Stellenplans, und zwar mit den beantragten Angaben, nämlich Vorname und Name, Geburtsdatum, Eintrittsdatum, Jubiläumsdienstzeit, Eingruppierung mit Kostenstelle, Qualifikation, Stellenbeschreibung, Angabe einer leitenden Tätigkeit, Beschäftigungsumfang sowie Vorliegen einer etwaigen Schwerbehinderung. Die Erzdiözese Berlin plane nämlich die Neustrukturierung ihrer Verwaltung zur Sanierung der Finanzen. Mit Kündigungen von Dienstnehmern müsse daher gerechnet werden. Zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Mitbestimmungsrechte sei es daher für die MAV unerlässlich, dass ihr ein Ist-Stellenplan zur Verfügung stehe. Das gebiete auch der Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit. Die MAV könne den Dienstgeber nur dann bei der Erfüllung der anstehenden Umstrukturierungsmaßnahmen unterstützen und ihre Beteiligungsrechte ordnungsgemäß wahrnehmen, wenn sie umfassend unterrichtet werde. Der Einwand der Erzdiözese, es bestehe gar kein Ist-Stellenplan, sei auch deshalb nicht stichhaltig, weil die Umsetzung eines Soll-Stellenplans nur dann möglich sei, wenn eine Kenntnis der vorhandenen Stellen und deren tatsächlicher Besetzung gegeben sei. Dann aber könne unschwer ein Ist-Stellenplan gefertigt werden.

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Der Kirchliche Arbeitsgerichtshof bestätigte dieses Urteil im Grundsatz15, erklärte aber, die vorzulegenden Personaldaten müssten nicht zwingend die Form eines Stellenplans haben. Auch könne die MAV die Angabe der Jubiläumsdienstzeit nicht verlangen, da sie diese leicht selber ausrechnen könne. Gegen die Mitteilung der Schwerbehinderteneigenschaft spreche zudem der vom Dienstgeber in dieser Hinsicht einzuhaltende besondere Datenschutz.

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8. Anhörungsrecht der MAV (§ 29 MAVO Rottenburg-Stuttgart)

 

In der Diözese Trier sollten im Bereich der Beratungsstellen Vollzeit- in Teilzeitstellen umgewandelt werden. Als die Information über dieses Vorhaben gleichzeitig an die betroffenen Mitarbeiter und an die MAV erfolgte, betrachtete diese den Vorgang als Verstoß gegen ihr Recht auf Anhörung und Mitberatung, da sie die Information nicht bereits vor den betroffenen Mitarbeitern erhalten habe, so dass ihr die Gelegenheit zur Stellungnahme dazu genommen worden sei. Das Kirchliche Arbeitsgericht Mainz erklärte dazu in seinem Urteil16, hier könne nicht von einem Verstoß gesprochen werden, da schon aufgrund der Formulierung in der MAVO nicht jede innerbetriebliche Information einen anhörungspflichtigen Tatbestand begründe, da dort die "Maßnahmen innerbetrieblicher Information" mit der "innerbetrieblichen Zusammenarbeit" in einem Zusammenhang stünden. Hinzu komme, dass die MAV nur über "Maßnahmen" zu informieren sei; eine schlichte Information an Mitarbeiter über eine Entscheidung stelle jedoch keine solche Maßnahme dar, da sie nicht das entsprechende Gewicht habe. Mit dem Begriff der Maßnahme werde vielmehr eine grundsätzliche Vorgehensweise bezeichnet, wie eine Informationserteilung vorgenommen werde, d. h. die Setzung einer allgemeinen Vorgabe, eine Rahmenregelung, die bestimme, in welcher Art und Weise innerbetriebliche Kommunikation vom Dienstgeber zu den Dienstnehmern erfolgen solle. Werde isoliert nur der Begriff der innerbetrieblichen Information in den Blick genommen, so unterfiele jegliche Information, die einem Mitarbeiter vom Dienstgeber erteilt werde, dem Beteiligungsrecht der MAV, was weder praktikabel noch gewollt sein könne. Der Kirchliche Arbeitsgerichtshof bestätigte dieses Urteil vollinhaltlich.17

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Das Kirchliche Arbeitsgericht Rottenburg hatte sich in einer Rechtssache mit der Beschäftigung von Leiharbeitnehmern zu befassen. Während die klägerische MAV von einem Anhörungs- und Mitberatungsrecht gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 MAVO ausging, weil die betroffene Mitarbeiterin als Ersatz für reguläres Personal beschäftigt worden sei, weil die Beschäftigung von Leiharbeitnehmern zu einer Veränderung in der Struktur der Zusammenarbeit zwischen Dienstgeber und Dienstnehmern führen könne, da unterschiedliche Weisungsbefugnisse und unterschiedliche Vergütungen entstünden, die Auswirkungen auf den Arbeitsfrieden haben könnten, und weil eine dauerhafte Beschäftigung von Leiharbeitnehmerinnen und -arbeitnehmern dem kirchlichen Leitbild der Dienstgemeinschaft widerspreche, bestritt der Dienstgeber ein Beteiligungsrecht der MAV. Das Gericht entschied18, dem Beteiligungsrecht gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 MAVO unterliege zwar grundsätzlich nicht eine getroffene einzelne Organisationsentscheidung, doch sei von diesem Grundsatz in denjenigen Fällen eine Ausnahme zu machen, in denen eine solche konkrete Organisationsentscheidung in ihrer Wirkung dazu geeignet sei, erhebliche Auswirkungen auf die Art und Weise der Zusammenarbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Einrichtung zu entfalten und die Zusammenarbeit zwischen Dienstgeber und Dienstnehmern zu beeinflussen, es sei denn, diese Maßnahme unterläge schon nach anderen Vorschriften der MAVO dem Beteiligungsrecht der MAV. Wenn nun nach der Rechtsprechung des Kirchlichen Arbeitsgerichtshofs schon die Beschäftigung von Ein-Euro-Jobbern einen Beteiligungstatbestand der Anhörung und Mitberatung der MAV nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 MAVO darstelle, sei diesem Sachverhalt die Beschäftigung von Leiharbeitskräften auf Grundlage des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) nicht nur vergleichbar, sondern habe erheblich nachhaltigere Auswirkungen, weshalb auf jeden Fall von einem Anhörungs- und Mitberatungsrecht der MAV nach dem Grundsatz "argumentum a minore ad maius" auszugehen sei. Ein-Euro-Jobber dürften nämlich nur für besondere im öffentlichen Interesse liegende, zusätzliche Tätigkeiten, nicht als Ersatz für bereits beschäftigte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, im Beschäftigungsumfang nur beschränkt und auch von der Zeitdauer her nur eingeschränkt beschäftigt werden. Demgegenüber bestünden bezüglich der Beschäftigung von Leiharbeitskräften keine derartigen Einschränkungen, so dass diese wesentlich größere Auswirkungen auf die Dienstgemeinschaft entfalten könne. Zwar könne bei der Beschäftigung von Leiharbeitnehmerinnen und -nehmern nicht von einer Einstellung im Sinne des § 34 MAVO gesprochen werden, aber eine Anhörung und Mitberatung der MAV nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 MAVO sei geboten, da durch die Beschäftigung von Leiharbeitskräften zwei unterschiedliche Gruppen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern innerhalb der Einrichtung entstünden, die sich durch verschiedene Weisungsbefugnis, andere Entlohnung und die Frage der Anwendbarkeit der Regelungen der MAVO unterschieden. Daraus entstehe zwar betriebsverfassungsrechtlich kein Anspruch, einen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot zu rügen. Im kirchlichen Bereich könne ein solcher Anspruch allerdings dann vorliegen, wenn die unterschiedliche Behandlung gegen den Sendungsauftrag der Kirche verstoße. Um zu prüfen, ob dies im Einzelfall zutreffe, müsse die MAV zumindest den Aufgabenbereich der Leiharbeitskraft, die geplante Dauer ihrer Beschäftigung und ihren Dienstgeber kennen sowie darüber informiert sein, ob durch die Leiharbeitskraft bereits beschäftigte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ersetzt würden.

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9. Zustimmung der MAV bei Einstellung und Eingruppierung von Dienstnehmern (§§ 34, 35 MAVO Rottenburg-Stuttgart)

 

Einstellung und Eingruppierung von Dienstnehmern bergen mit den verschiedensten Details und neuen Fallgestaltungen immer wieder Konfliktstoff, so dass es hier erwartungsgemäß zu zahlreichen arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzungen kommt. So hatte z. B. das Kirchliche Arbeitsgericht Münster in einer derartigen Angelegenheit zu entscheiden19 und erklärte, es sei aufgrund arbeitsrechtlicher Vorschriften nicht zulässig, Dienstnehmern, die Angestelltenstatus innehaben, einen Arbeitsvertrag mit beamtenähnlichen Rechten zukommen zu lassen, da es sich dabei um eine zu weit gehende Abweichung vom generell vereinbarten Tarifrecht handele. Daher sei die verweigerte Zustimmung der MAV zu dieser Maßnahme nicht zu ersetzen.

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In der Diözese Trier hatte sich Streit daran entzündet, dass caritative Dienstnehmer zwar nach den AVR angestellt und eingruppiert wurden, dass diesen aber als Maßnahme der Kostenreduzierung ein um 3,75 % reduziertes Grundgehalt, nur die halbe Weihnachtszuwendung sowie lediglich die der tatsächlichen Arbeitszeit entsprechende Vergütung der Rufbereitschaft ausbezahlt wurde. Die MAV stimmte daher jeweils zwar der Einstellung, nicht aber der Eingruppierung der Dienstnehmer zu. Das Kirchliche Arbeitsgericht Mainz urteilte dazu20, die MAV könne bei der Wahrnehmung ihres Rechtes der Zustimmung zur Eingruppierung eines Dienstnehmers lediglich überprüfen, ob die richtige Vergütungsordnung und das richtige Vergütungsgruppensystem angewendet und ob der einzelne Dienstnehmer in die richtige Vergütungsgruppe eingestuft werde. Das Gehalt, das in dieser Vergütungsgruppe ausbezahlt werde, unterliege dagegen nicht der Überprüfung durch die MAV. Zum einen werde nämlich das Vergütungsgruppensystem durch eine globale Absenkung des tariflichen Entgelts in seiner Struktur nicht geändert. Zum anderen bedürften sonst sämtliche Entgeltänderungen wie z. B. aufgrund tarifvertraglich vereinbarter Gehaltserhöhungen der Zustimmung der MAV.

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Dieses Urteil wurde vom Kirchlichen Arbeitsgerichtshof mit der Begründung aufgehoben21, die Höhe des tariflich ausbezahlten Gehalts betreffe durchaus die Vergütungsordnung. Vor allem aber verstoße eine gleichmäßig prozentual abgesenkte Entgeltzahlung gegen kirchliches Recht, da es sich dabei nicht um eine durch einen KODA-Beschluss legitimierte Maßnahme handele. Daher habe die MAV ihre Zustimmung zur Eingruppierung rechtmäßig verweigert.

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Das Kirchliche Arbeitsgericht Rottenburg hielt in einer Streitsache fest22, auch die Einstellung einer teilzeitbeschäftigten Pastoralpraktikantin auf der Stelle einer Gemeindereferentin bedürfe der Zustimmung der MAV, da nach Rechtsprechung des BAG die Einstellung all derjenigen Personen, die zum Zwecke der Leistung weisungsgebundener Tätigkeiten in die Einrichtung eingegliedert werden sollen, der Zustimmungspflicht der MAV unterliege, wozu auch die Personen gehörten, die zum Zwecke ihrer Berufsausbildung beschäftigt werden sollen. Zudem habe im konkreten Fall die Frau einer bischöflichen Sendung oder Beauftragung nicht bedurft.

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In einer anderen Sache hatte das gleiche Gericht über die Ersetzung einer Zustimmung zur Einstellung einer Teilzeitbeschäftigten zu entscheiden23, die deshalb verweigert worden war, weil nach Ansicht der MAV die Anlage 18 zu den AVR, gemäß der die Dienstnehmerin eingestuft werden sollte, gegen das TzBfG verstößt. Das Gericht urteilte dazu, eine Verweigerung der Zustimmung setze voraus, dass die vorgesehene Eingruppierung gegen ein Gesetz, eine Rechtsordnung, eine kircheneigene Ordnung oder gegen sonstiges Recht verstoße und dass die für die Zustimmungsverweigerung abgegebene Begründung unter die Mitbestimmungsrechte falle, auf die sich die MAV berufen könne. Bei der Eingruppierung einer Dienstnehmerin gehe es um die erstmalige Festsetzung der für sie nach ihren Tätigkeitsmerkmalen maßgebenden Lohn- bzw. Gehaltsgruppe. Diese erfolge bei der Anwendung einer tariflichen oder kircheneigenen Vergütungsregelung durch Eingruppierung in die dort vorgesehene Gruppeneinteilung. Das Recht der MAV, der Eingruppierung von Dienstnehmern zuzustimmen, umfasse aber nicht das Recht, auf die Aufstellung eines neuen oder auf die Änderung eines vorhandenen Vergütungssystems hinzuwirken. Gegenstand dieses Rechts sei nur die erstmalige Einreihung der Dienstnehmer und ihrer Tätigkeit in ein vorgegebenes Vergütungssystem. Es handele sich dabei um die Anwendung bestimmter Einreihungsmerkmale, die einer bestimmten Vergütungsgruppe zugeordnet sind, und daher nicht um einen Akt rechtlicher Gestaltung, sondern um die Anwendung strikter Regeln. Auf den Inhalt der anzuwendenden Regeln erstrecke sich der Beurteilungsspielraum der MAV aber ebenso wenig wie auf die Frage, ob die Regeln rechtmäßig zu Stande gekommen seien oder anderen Rechtsvorschriften widersprächen. Das Mitbestimmungsrecht der MAV solle zwar auch sicherstellen, dass die beabsichtigte Eingruppierung mit dem anzuwendenden Vergütungssystem in Einklang stehe und dass das Tarifgefüge in der Dienststelle gewahrt werde. Das schließe aber nicht die Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines überregionalen Vergütungssystems ein, was außerhalb der Kompetenzen einer MAV liege.

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Der Kirchliche Arbeitsgerichtshof hat zu dieser Frage bislang leider noch nicht Stellung nehmen können, da zwar gegen dieses Rottenburger Urteil Revision eingelegt wurde, die streitgegenständliche Einrichtung aber während der Anhängigkeit des Revisionsverfahrens vom Caritasverband an einen evangelischen Träger überging und damit außerhalb der Zuständigkeit der kirchlichen Arbeitsgerichtsbarkeit liegt.

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Das Kirchliche Arbeitsgericht Rottenburg entschied auch24, dass die Rüge, dass der Zustimmungsantrag des Dienstgebers verspätet eingegangen sei, keinen zulässigen Grund für die Verweigerung der Zustimmung der MAV zur Einstellung einer Dienstnehmerin darstelle. Ein Verstoß gegen einzuhaltende Fristen beim Stellen des Zustimmungsantrages könne zum Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens gemacht werden; er führe aber nicht dazu, dass mit dieser Begründung die auch nachträglich noch einzuholende erforderliche Zustimmung verweigert werden könne. Ansonsten könne ein einmal begangener Verstoß nicht mehr beseitigt werden.

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Ein eher neues Problem, gleichzeitig aber auch eine umso schwierigere und umstrittenere Rechtsfrage stellt die Beschäftigung von sogenannten Ein-Euro-Jobbern (Mehraufwandsentschädigungs-Beschäftigten bzw. MAE-Kräften gemäß § 16 Abs. 3 S. 2 SGB II) dar. Im Mitarbeitervertretungsrecht geht es dabei konkret um die Frage, ob die Aufnahme der Tätigkeit eines Ein-Euro-Jobbers ein zustimmungspflichtiger Tatbestand ist. In diesem Zusammenhang hatte das Kirchliche Arbeitsgericht Mainz in einer Angelegenheit aus der Diözese Limburg zu entscheiden. In dem konkreten Fall hatte zwar der Dienstgeber die MAV jeweils über die Überlassung eines Ein-Euro-Jobbers durch die regionale ARGE unter Angabe der Personendaten des vorgeschlagenen Ein-Euro-Jobbers, der auszuübenden Tätigkeit und der jeweiligen Einrichtung, in der diese erbracht werden sollte, informiert, doch vertrat die MAV die Ansicht, Ein-Euro-Jobber seien durch ihre Beschäftigung mit einem vollen Weisungs- und Zugriffsrecht des jeweiligen Vorgesetzten in die betrieblichen Abläufe integriert. Sie seien daher Mitarbeiter im Sinne des § 3 Abs. 1 S. 1 MAVO, so dass der MAV ein Zustimmungsrecht zukomme. Der Dienstgeber brachte dagegen vor, ein Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 3 MAVO liege gerade nicht vor. Es handele sich bei den Ein-Euro-Jobbern lediglich um öffentlich-rechtliche Beschäftigungsverhältnisse eigener Art. Ein Arbeitsvertrag komme nicht zu Stande, es gebe auch keine klassische Lohnzahlung. Weder bestehe ein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechtes noch ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis. Die Ein-Euro-Jobber seien ausschließlich zu ihrer beruflichen und sozialen Wiedereingliederung beschäftigt. Es handele sich daher dabei um eine sozialhilferechtliche Aufgabe.

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Das Gericht entschied25, in der Tat sei die Beschäftigung von Ein-Euro-Jobbern ein zustimmungspflichtiger Tatbestand. Bei den Ein-Euro-Jobbern handele es sich nicht um geringfügig Beschäftigte im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV. Zwar spiele für ein Zustimmungsrecht der MAV nicht nur die Frage der Eingliederung eines Beschäftigten in die Organisation des Dienstgebers, sondern auch das Vorliegen einer Mitarbeitereigenschaft im Sinne von § 3 MAVO eine Rolle, da in § 34 MAVO im Gegensatz zum Betriebsverfassungsrecht ausdrücklich von der Einstellung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Rede sei. Ein-Euro-Jobber seien aber Mitarbeiter im Sinne von § 3 MAVO. Es handele sich bei ihnen nämlich nicht um Personen, deren Beschäftigung überwiegend nur ihrer Heilung, Wiedereingewöhnung, beruflichen oder sozialen Rehabilitation diene. Zudem entspreche ihre Beschäftigung im wesentlichen den im Erwerbsleben üblichen Formen entgeltlicher Arbeitsleistung. Für das Vorliegen der Mitarbeitereigenschaft nach § 3 MAVO müsse unbedingt ein Beschäftigungsverhältnis vorliegen. Dieses sei jedoch bei den Ein-Euro-Jobbern gegeben, da mit dem umfassenden Begriff des Beschäftigungsverhältnisses ein weiter Rahmen für die Annahme des Mitarbeiterstatus im Sinn des § 3 MAVO vorgegeben sei, der über das staatliche Arbeits- und Sozialversicherungsrecht hinausgehe. Es komme für den Begriff des Beschäftigungsverhältnisses auf die Art der Beschäftigung und ihren zeitlichen Umfang ebenso wenig an wie darauf, ob die Tätigkeit haupt- oder nebenberuflich, entgeltlich oder ohne Vergütung ausgeübt werde. Entscheidend sei nur, dass eine Person aufgrund eines Rechtsverhältnisses in die Organisation des Dienstgebers eingegliedert sei. Im Regelfall erfolge dies durch ein durch einen Arbeitsvertrag begründetes Arbeitsverhältnis, gleiches treffe aber auch beim Vorliegen eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses zu. Ein-Euro-Jobber würden aber aufgrund eines solchen öffentlich-rechtlichen Vertrages beschäftigt. Überdies könne von einer Einstellung im Sinne des § 34 MAVO gesprochen werden, denn trotz des öffentlich-rechtlichen Hintergrundes und des personellen Vorschlages der regionalen ARGE treffe der Dienstgeber eine tatsächliche Auswahlentscheidung, ob er einen bestimmten Ein-Euro-Jobber in seiner Einrichtung beschäftigen wolle oder nicht. Er sei öffentlich-rechtlich nicht dazu verpflichtet, einen bestimmten Ein-Euro-Jobber zu beschäftigen.. Der Vorgang der Auswahl eines Ein-Euro-Jobbers komme damit faktisch der Auswahl im Rahmen der Einstellung eines gewöhnlichen Mitarbeiters aufgrund eines Arbeitsverhältnisses gleich. Auch sei davon auszugehen, dass Ein-Euro-Jobber in die Organisation des Dienstgebers eingegliedert würden, um den Zweck der Einrichtung durch weisungsgebundene Tätigkeit zu verwirklichen. Die Tätigkeit der Ein-Euro-Jobber sei nur durch Einweisung, Anleitung und Beaufsichtigung seitens des Dienstgebers und durch Eingliederung in die Organisation und Koordinierung mit der Tätigkeit anderer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter möglich.

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Der Kirchliche Arbeitsgerichtshof hob dieses Urteil auf26 und begründete seinen Spruch damit, bei der Aufnahme der Beschäftigung eines Ein-Euro-Jobbers handele es sich nicht um die Einstellung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Sinne des § 34 Abs. 1 MAVO. Die Beschäftigung von Ein-Euro-Jobbern sei eine rein sozialrechtliche Maßnahme, durch die kein Arbeitsverhältnis begründet werde. Der regionalen ARGE obliege die Entscheidung, welcher Arbeitslose für einen Ein-Euro-Job herangezogen werde. Dem Dienstgeber komme kein Auswahl-, sondern lediglich ein Ablehnungsrecht zu. Zwar habe auch das BAG entschieden, dass einer Einstellung kein Arbeitsvertrag zugrundeliegen müsse, sondern es sich dabei auch um einen Dienst- oder Werkvertrag handeln könne. Auch könne das Rechtsverhältnis zum Betriebsinhaber vereinsrechtlicher Natur sein oder, wie bei Leiharbeitskräften nach § 14 Abs. 3 AÜG ganz fehlen. Dabei werde allerdings übersehen, dass das BAG ein bloßes Tätigwerden im Betrieb nicht als Einstellung gelten lasse. Es sehe es als entscheidend an, dass das Mitbestimmungsrecht bei Einstellungen als ein Zustimmungsverweigerungsrecht gestaltet sei und unter dieser Zielsetzung die Interessen der bereits im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wahren solle. Es stehe daher im Mittelpunkt, ob durch die Vergabe von Arbeiten bestehende Arbeitsplätze wegfielen oder die Schaffung neuer Arbeitsplätze entbehrlich werde. Diese Voraussetzung sei aber bei Ein-Euro-Jobbern nicht gegeben, da deren Tätigkeit durch das Merkmal der zusätzlichen und im öffentlichen Interesse liegenden Arbeit geprägt sei. Auch sei die Beschäftigung von Ein-Euro-Jobbern deutlich von der Tätigkeit der gewöhnlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterschieden, durch die die Einrichtung ihren Teil am Sendungsauftrag der Kirche erfülle. Auch wenn die Begriffsbestimmung der Mitarbeiter im Sinne des § 3 Abs. 1 MAVO sehr weit sei, fielen Ein-Euro-Jobber nicht darunter, zumal nach § 3 Abs. 1 S. 2 MAVO Personen, die dem Dienstgeber zur Arbeitsleistung im Sinne des AÜG überlassen würden, keine Mitarbeiter im Sinne des § 3 Abs. 1 MAVO seien. Allerdings hält der Kirchliche Arbeitsgerichtshof einen Beteiligungstatbestand der Anhörung und Mitberatung der MAV gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 MAVO für gegeben, ohne dies jedoch weiter auszuführen.

31

Das Kirchliche Arbeitsgericht Rottenburg schloss sich dem Urteil des Kirchlichen Arbeitsgerichtshofs in einer etwas anders gelagerten Rechtssache an.27 In dem Fall war es um die Beschäftigung von Ein-Euro-Jobbern nach dem sogenannten Agenturmodell gegangen. Demgemäß vermittelte die regionale ARGE Ein-Euro-Jobber an den Caritasverband, der die Betroffenen jedoch nicht selbst beschäftigte, sondern an geeignete Einrichtungen wie z. B. Kindergärten von Kirchengemeinden weitervermittelte. Die Klage einer betroffenen kirchengemeindlichen MAV hatte demgemäß auch nur im Hinblick auf ein Anhörungs- und Mitberatungsrecht, nicht aber im Hinblick auf ein Zustimmungsrecht Erfolg. Das Gericht führte im Anschluss an den Kirchlichen Arbeitsgerichtshof aus, nach der Regelung des § 16 Abs. 3 S. 2 SGB II komme zwischen der Einrichtung und dem zugewiesenen Ein-Euro-Jobber ausdrücklich kein Arbeitsverhältnis zu Stande. Auch habe die Einrichtung keinen Einfluss darauf, wen die regionale ARGE für den Ein-Euro-Job heranziehe. Das gelte umso mehr, wenn die Einrichtung wie im vorliegenden Fall gemäß dem Agenturmodell den Ein-Euro-Jobber nicht direkt von der regionalen ARGE, sondern von einem Dritten, dem Maßnahmenträger, zugewiesen bekomme. Der Einsatzstelle stehe lediglich ein Ablehnungsrecht, nicht aber die Möglichkeit der Auswahl unter mehreren Bewerbern für den Ein-Euro-Job zu. Allein die erfolgende Eingliederung des Ein-Euro-Jobbers in die Organisation des Dienstgebers führe nicht dazu, dass von einer Einstellung im Sinne des § 34 MAVO gesprochen werden könne. Da der Dienstgeber aber verpflichtet sei, über seine Organisations- und Verwaltungsentscheidungen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Einrichtung zu unterrichten, liege ein Mitwirkungsrecht der MAV gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 MAVO vor. Auch über die Entscheidung, einen Ein-Euro-Jobber zu beschäftigen, sei zu informieren, weil die Tätigkeit dieser Personen organisatorische Maßnahmen in der Einrichtung erfordere, die auch Auswirkungen auf den Arbeitsablauf der bereits dort beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben könnten. Zur ordnungsgemäßen Erfüllung ihrer Aufgaben bedürfe die MAV der Unterrichtung über diesen Vorgang. Die MAV könne dann Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen auf die übrigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber auch bezüglich der Zulässigkeit des Ein-Euro-Jobs vorbringen. Zu beteiligen sei - entgegen der Auffassung des beklagten Dienstgebers - die MAV der Einsatzstelle und nicht diejenige des Maßnahmenträgers, da die Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 Nr. 1 MAVO nur bei der Einrichtung vorliegen könnten, bei der der Ein-Euro-Jobber seine Tätigkeit erbringe, und nicht bei derjenigen Einrichtung, die lediglich als Vermittler tätig werde.

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Aus der Darstellung der Urteile zu den Ein-Euro-Jobbern wird deutlich, wie unterschiedlich dieser Sachverhalt beurteilt werden kann. Diesbezüglich kann hier lediglich darauf verwiesen werden, dass sowohl das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG)28 als auch das BAG29 den Beginn der Beschäftigung eines Ein-Euro-Jobbers als einen mitbestimmungspflichtigen Tatbestand bewertet haben; der Kirchengerichtshof (KGH) der EKD hat die - in ihren Auswirkungen sicher über die Beschäftigung von Ein-Euro-Jobbern hinausgehende (vgl. o. 8.) - Beschäftigung von Leiharbeitnehmern als zustimmungspflichtige Materie angesehen.30 Aus Platzgründen kann darauf nicht näher eingegangen werden; angemerkt sei aber, dass es im katholisch-kirchlichen Bereich zwar aufgrund der Formulierungen in der MAVO nicht unplausibel erscheint, den Ein-Euro-Jobbern den Mitarbeiterstatus abzusprechen und damit nicht von einer zustimmungspflichtigen Materie auszugehen, dass aber andererseits - wie das das Urteil des Kirchlichen Arbeitsgerichtes Mainz zum Ausdruck bringt - im Hinblick auf die in den Einrichtungen bestehende Dienstgemeinschaft auch gewichtige Argumente dafür sprechen, der MAV in dieser Angelegenheit ein Zustimmungsrecht zuzugestehen. Daher wäre gegebenenfalls die MAVO zu überarbeiten, zumal die Problematik der Ein-Euro-Jobber mitarbeitervertretungsrechtlich auch erst jetzt verstärkt in den Blick gerät.

33

 

10. Zustimmung der MAV bei Angelegenheiten der Dienststelle (§ 36 MAVO Rottenburg-Stuttgart)

 

Mit der Frage der Zustimmung der MAV zu Angelegenheiten der Dienststelle war das Kirchliche Arbeitsgericht Freiburg anhand des Beispiels der Einführung von Zielvereinbarungsgesprächen für pastorale Mitarbeiter befasst.31 Das Gericht führte dazu aus, nach herrschender Meinung unterlägen auch standardisierte Fragenkataloge zur Verwendung bei Mitarbeiterjahresgesprächen bzw. Personalentwicklungsgesprächen, in denen der Beschäftigte Angaben über sich, seine Arbeitsleistung und etwa erforderliche Fortbildungen machen solle oder anzugeben habe, ob er sich unter- oder überfordert fühle, analog der Einführung von Personalfragebogen der Zustimmung der MAV. Für die Gespräche, die dem Abschluss von Zielvereinbarungen vorausgingen, werde dagegen in der betriebsverfassungsrechtlichen Judikatur nur im Hinblick auf Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb ein Mitbestimmungstatbestand anerkannt. Die Voraussetzungen für einen Personalfragebogen seien nach allgemeiner Auffassung nämlich nur dann erfüllt, wenn der Vorgesetzte die Resultate des Gesprächs oder der Befragung an andere Stellen im Betrieb weitergeben könne. Im normalen Fall verblieben die Ergebnisse jedoch beim Vorgesetzten und dem Dienstnehmer, die das Zielvereinbarungsgespräch gemeinsam geführt hätten. Ausschließlich dann, wenn die Resultate des Mitarbeitergesprächs an Dienstaufsicht führende Stellen weitergegeben werden könnten, könne ein Personalfragebogen vorliegen.

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Da die MAVO lediglich die Einführung von Personalfragebögen als zustimmungsbedürftige Angelegenheit behandele, nicht jedoch ein entsprechendes Mitbestimmungsrecht bei Fragen der allgemeinen Ordnung des Betriebes vorsehe, liege genau hier das entscheidende Abgrenzungsmerkmal. Der Erlass von Leitfäden und Regeln zur Einführung von jährlichen Zielvereinbarungsgesprächen könne nur dann als zustimmungsbedürftige Angelegenheit gewertet werden, wenn in der konkreten Ausgestaltung auch ein standardisiertes Mittel zur Erhebung von Arbeitnehmerdaten gesehen werden könne. Damit komme der in Aussicht genommenen Datenverwendung zur Beurteilung des Jahresgesprächs im Mitarbeitervertretungsrecht entscheidende Bedeutung zu. Im vorliegenden Fall handele es sich gerade deshalb um einen mitbestimmungspflichtigen Tatbestand, weil in den Verfahrensregeln zur Einführung der Zielvereinbarungsgespräche vorgesehen sei, dass unmittelbar im Anschluss an das Gespräch ein Protokoll zu erstellen und zu unterzeichnen sei. Das Gespräch werde mit einer verbindlichen Festlegung beendet, welche Informationen notwendigerweise an andere Stellen weitergegeben werden müssten und wer diese Informationen weitergebe. Dabei sei vorgesehen, dass der nächsthöhere Dienstvorgesetzte darüber informiert werde, dass das Zielvereinbarungsgespräch stattgefunden habe. Im Einzelfall könne das Protokoll dann im Rahmen der Rechts- und Dienstaufsicht von diesem angefordert und eingesehen werden, wovon der Mitarbeiter umgehend informiert werde. Gerade diese Klausel ändere den Charakter der beabsichtigten Maßnahme entscheidend. Es gehe damit letzten Endes gerade nicht mehr allein um die Veränderungs- und Verbesserungsmöglichkeiten in der Kommunikation und Kooperation und generell um eine verbesserte Zusammenarbeit mit den örtlichen Dienstvorgesetzten, sondern gegebenenfalls um eine Datenverwendung im Rahmen der Dienstaufsicht und um eine Verarbeitung der dabei gewonnenen Ergebnisse durch die Personal verwaltende Stelle. Damit würden die Zielvereinbarungsgespräche potentiell zu einer standardisierten Arbeitnehmerdatenerhebung, zu einem Informationsbeschaffungssystem und damit zu einem Personalfragebogen im mitarbeitervertretungsrechtlichen Sinne. Somit liege ein zustimmungspflichtiger Tatbestand vor.

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11. KODA

 

Bei der Durchsicht der vorhandenen arbeitsgerichtlichen Urteile fällt auf, dass der Bereich der KODA-Ordnungen offensichtlich sehr viel weniger konfliktträchtig ist als die mitarbeitervertretungsrechtlichen Materien, denn hierzu liegen wesentlich weniger Entscheidungen vor.

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In der Erzdiözese Köln war z. B. ein Streit über einen im Rahmen der diözesanen Sparmaßnahmen gefassten KODA-Beschluss entstanden, demzufolge es den Tarifpartnern freigestellt worden war, eine Dienstvereinbarung über einen teilweisen oder vollständigen Verzicht auf die Auszahlung des Urlaubsgeldes abzuschließen. In der Folge hatte der Dienstgeber sich aber nicht um den Abschluss einer derartigen Dienstvereinbarung bemüht, sondern hatte die einzelnen Dienstnehmer mit der Aufforderung angeschrieben, auf die Auszahlung des Urlaubsgeldes zu verzichten. Dieser Aufforderung, eine entsprechende Änderung des Arbeitsvertrags zu akzeptieren, kamen 20 % der Dienstnehmer nach. Dieses Vorgehen des Dienstgebers hatte die MAV als Verletzung ihrer Rechte gerügt, während der Dienstgeber darauf hingewiesen hatte, dass es sich bei dem KODA-Beschluss lediglich um eine Kann-Bestimmung gehandelt habe.

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Das Kirchliche Arbeitsgericht Paderborn urteilte dazu32, da der KODA-Beschluss den Abschluss einer Dienstvereinbarung nicht zwingend vorgeschrieben habe, sei daraus kein Recht auf Abschluss einer derartigen Dienstvereinbarung abzuleiten und bestehe deshalb auch kein Klageanspruch. Durch den KODA-Beschluss würden nämlich einzelvertragliche Vereinbarungen zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer nicht unterbunden. Der Anspruch auf das Urlaubsgeld beruhe nämlich nicht auf einer KODA-Regelung, da de Vergütung der Dienstnehmer in Anlehnung an den Bundesangestellten-Tarifvertrag (BAT) erfolge. Eine einzelvertragliche Regelung stelle daher eine zusätzliche rechtliche Möglichkeit für den Dienstgeber zur finanziellen Entlastung und zur Sicherung der Arbeitsplätze dar.

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Der Kirchliche Arbeitsgerichtshof bestätigte dieses Urteil im Ergebnis, wenn auch mit einer anders gelagerten Begründung.33 Er stellt in seiner Entscheidung insbesondere darauf ab, der MAV komme weder aus der MAVO noch aus dem fraglichen KODA-Beschluss ein Recht darauf zu, den Abschluss einer Dienstvereinbarung zu erzwingen. Zwar habe der Dienstgeber gegen geltendes kirchliches Recht - nämlich gegen den KODA-Beschluss - verstoßen, als er versucht habe, über den Weg einzelvertraglicher Regelungen einen Verzicht der Dienstnehmer auf die Auszahlung des Urlaubsgeldes zu erreichen, da er aufgrund des KODA-Beschlusses verpflichtet gewesen sei, den Weg des Abschlusses einer Dienstvereinbarung zu beschreiten. Gleichwohl habe dies nicht zur Folge, dass die MAV nunmehr ein Recht auf Abschluss der besagten Dienstvereinbarung oder dahingehend geltend machen könne, dass der Dienstgeber auf Rechte zu verzichten habe, die sich für ihn aus den freiwilligen Verzichtserklärungen der einzelnen Dienstnehmer ergäben. Inwieweit diese einzelvertraglichen Absprachen Gültigkeit behielten, sei der Judikatur der staatlichen Arbeitsgerichte vorbehalten.

39

Das Kirchliche Arbeitsgericht Rottenburg hielt sich für nicht zuständig34, als die Dienstnehmerseite der diözesanen KODA einen angeblichen Verstoß eines diözesanen Dienstgebers gegen KODA-Beschlüsse rügte. Das Gericht führte aus, ein etwaiger Verstoß gegen KODA-Beschlüsse tangiere nicht die Rechte der Mitglieder der KODA, da das Gremium nur für den Erlass arbeits- und tarifrechtlicher Normen, nicht jedoch für die Kontrolle ihrer Einhaltung zuständig sei. Eine etwaige Verletzung der Normen könne daher nicht die Rechte der Mitglieder der KODA berühren.

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12. Fazit

 

Wie der Überblick über die Judikatur der Kirchlichen Arbeitsgerichte im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz gezeigt hat, ist es insbesondere einem in der heutigen Zeit stetig wachsenden Kostendruck geschuldet, dass Auseinandersetzungen zwischen Dienstgebern und Dienstnehmern in der Kirche heute zahlreicher sind, als es wünschenswert wäre. Diesem Kostendruck sehen sich selbstverständlich caritative Einrichtungen in besonderem Maße ausgesetzt, die in einem Wettbewerb zu nicht-gemeinnützigen Einrichtungen stehen, wie z. B. im Bereich des Gesundheitswesens, aber auch die Diözesen müssen sich - sei es im Bereich ihrer Verwaltung oder im weiten Feld der Pastoral - angesichts tendenziell sinkender Einnahmen diesen finanziellen Herausforderungen stellen. Das führt zu den verschiedensten Ansätzen einer effizienteren Personalwirtschaft und lässt erwarten, dass die Zusammenarbeit zwischen Dienstgebern und Dienstnehmern auch in Zukunft nicht frei von Auseinandersetzungen bleiben wird. Hinzu kommt eine teilweise lückenhafte Kenntnis oder doch zumindest Anwendung der mitarbeitervertretungsrechtlichen Regelungen zumal auf Dienstgeberseite - dies sei aus der Erfahrung der täglichen Arbeit der Geschäftsstelle eines Kirchlichen Arbeitsgerichtes angemerkt -, die zu Konflikten mit MAVen insbesondere in Personalangelegenheiten führt. Die den Kirchlichen Arbeitsgerichten (neben den Einigungsstellen) zukommende Aufgabe der Schlichtung solcher Auseinandersetzungen im Sinne eines klärenden Streits kann einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, dass das Ziel einer wahren Dienstgemeinschaft in den kirchlichen Einrichtungen besser verwirklicht wird.

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1 Ergänzte Fassung eines Referates beim Erfahrungsaustausch des Vorsitzenden Richters und der Beisitzenden Richter des Kirchlichen Arbeitsgerichtes Rottenburg sowie des (Stellvertretenden) Vorsitzenden und der Beisitzer der Einigungsstelle der Diözese Rottenburg-Stuttgart in Rottenburg a. N. am 1. Oktober 2007.

2 Publiziert z. B. für die Diözese Rottenburg-Stuttgart in: Kirchliches Amtsblatt für die Diözese Rottenburg-Stuttgart 112 (2005), 173-182.

3 Die Urteile des Kirchlichen Arbeitsgerichtshofes finden sich im Internet unter der Adresse http://www.dbk.de/wirueberuns/arbeitsstellen/arbeitsgerichtshof/entscheidungen, die von der Geschäftsstelle des Kirchlichen Arbeitsgerichtshofes gesammelten Urteile der einzelnen Kirchlichen Arbeitsgerichte erster Instanz in Deutschland unter der Adresse http://www.dbk.de/wirueberuns/arbeitsstellen/arbeitsgerichtshof/entscheidungenarbeitsgerichte.

4 Die MAVO für die Diözese Rottenburg-Stuttgart wurde publiziert in: Kirchliches Amtsblatt für die Diözese Rottenburg-Stuttgart 108 (2001), 562-580; 112 (2005), 184-192.

5 Vgl. dazu im Internet http://www.ekd.de/mitarbeitervertretungsrecht/mitarbeitervertretungsrecht.html.

6 Az.: 1/06 vom 2. März 2006.

7 Az.: M 03/06 vom 2. Februar 2007.

8 Az.: XVI/06 vom 8. November 2006.

9 Az.: 8/2006 vom 15. Dezember 2006.

10 Az.: M 2/06 vom 5. Oktober 2006.

11 Az.: II/07 vom 18. April 2007.

12 Az.: I MAVO 30/06 vom 21. Februar 2007.

13 Az.: M 3/06 vom 20. Februar 2007.

14 Az.: I MAVO 14/06 vom 31. Mai 2006.

15 Az.: M 06/06 vom 2. März 2007.

16 Az.: M 20/06 Tr vom 13. Juli 2006.

17 Az.: 07/06 vom 2. Februar 2007.

18 Az.: AS 15/07 vom 15. Juni 2007.

19 Az.: 10/06-KAG-MS vom 18. Januar 2007.

20 Az.: M 13/05 Tr vom 16. Februar 2006.

21 Az.: M 02/06 vom 30. November 2006.

22 Az.: AS 09/06 vom 24. März 2006.

23 Az.: AS 16/06 vom 1. Juni 2006.

24 Az.: AS 24/07 vom 20. Juli 2007.

25 Az.: M 10/05 Lb vom 16. Februar 2007.

26 Az.: M 01/06 vom 30. November 2006.

27 Az.: AS 02/07 vom 16. Februar 2007.

28 BVerwG, Urteile vom 21. März 2007 (Az.: 6 P 4.06 und 6 P 8.06).

29 BAG, Beschluss vom 2. Oktober 2007 (Az.: 1 ABR 60/06).

30 KGH EKD, Beschluss vom 9. Oktober 2006 (Az.: II-0124/M35-06).

31 Az.: 9/2006 vom 15. Dezember 2006.

32 Az.: I/05 vom 9. März 2006.

33 Az.: M 04/06 vom 26. April 2007.

34 Az.: AS 05/07 vom 16. März 2007.