Das Urteil Lautsi des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und seine Bedeutung für Kreuze in österreichischen Schulen und Kindergärten

von Burkhard Josef Berkmann

 

Inhalt

  1. Schulkreuz-Judikatur in europäischen Ländern
    1. 1.1. Schweiz
    2. 1.2. Deutschland
    3. 1.3. Italien
  2. Das EGMR-Urteil Lautsi
    1. 2.1. Inhalt des Urteils
    2. 2.2. Kritik in formaler Hinsicht
  3. Alternative Prüfung nach Art. 9 EMRK
    1. 3.1. Schutzbereich
      1. 3.1.1. Religiöses oder säkulares Symbol?
      2. 3.1.2. Negative Religionsfreiheit oder positive Weltanschauungsfreiheit?
    2. 3.2. Eingriff
      1. 3.2.1. Grundsätzliche Dogmatik zum Eingriff
      2. 3.2.2. Die besondere Lage der Schüler
      3. 3.2.3. Zurechnung zum Staat
      4. 3.2.4. Keine Ausweichmöglichkeit?
      5. 3.2.5. Potentieller oder tatsächlicher Eingriff?
    3. 3.3. Schranken
      1. 3.3.1. Die Schrankenregelung des Art. 9 Abs. 2 EMRK im Allgemeinen
      2. 3.3.2. "Vom Gesetz vorgesehen"
      3. 3.3.3. Eingriffsziel "Rechte und Freiheiten anderer"
      4. 3.3.4. Die positive Religionsfreiheit der anderen
      5. 3.3.5. Verhältnismäßigkeitsprüfung
  4. Alternative Prüfung nach Art. 2 1. ZP EMRK
    1. 4.1. Schutzbereich
    2. 4.2. Eingriff
    3. 4.3. Schranken
  5. Prüfung nach Art. 14 EMRK
    1. 5.1. Allgemeine Überlegungen
    2. 5.2. Keine Differenzierung in der zu prüfenden Rechtsnorm
    3. 5.3. Rechtfertigung mittelbarer Auswirkungen
  6. Kontext des Urteils: EGMR-Judikatur und europäische Integration
    1. 6.1. Einzelfallentscheidung oder Orientierungswirkung?
    2. 6.2. Subsidiärer Menschenrechtsschutz oder Rechtsharmonisierung?
  7. Die österreichische Regelung
    1. 7.1. Die Rechtslage
      1. 7.1.1. Das religionsrechtliche System in Österreich
      2. 7.1.2. Schulsystem
      3. 7.1.3. Ziele der österreichischen Schule
      4. 7.1.4. Rechtsgrundlagen für das Anbringen von Kreuzen
    2. 7.2. Grundrechtsschutz in Österreich
  8. Grundrechtsprüfung Religionsfreiheit
    1. 8.1. Schutzbereich
    2. 8.2. Eingriff
      1. 8.2.1. Grundsätzliche Dogmatik zum Eingriff
      2. 8.2.2. Zurechnung zum Staat
      3. 8.2.3. Keine Ausweichmöglichkeit?
    3. 8.3. Schranken
      1. 8.3.1. Die Schrankenregelungen der drei Quellen der Religionsfreiheit
      2. 8.3.2. Das Verhältnis verschiedener Verfassungsnormen im österreichischen Recht
      3. 8.3.3. Die positive Religionsfreiheit der anderen
      4. 8.3.4. Weitere rechtfertigende Verfassungsbestimmungen
      5. 8.3.5. Verhältnismäßigkeitsprüfung
  9. Grundrechtsprüfung Elternrecht
    1. 9.1. Schutzbereich
    2. 9.2. Eingriff
    3. 9.3. Schranken
  10. Prüfung nach dem Gleichheitsgebot
  11. Das Neutralitätsprinzip
  12. Die völkerrechtliche Problemlage
    1. 12.1. Kollision völkerrechtlicher Verträge
    2. 12.2. Völkerrechtskonforme Interpretation
  13. Mögliche Anpassungen
  14. Quellenverzeichnis
    1. 14.1. Rechtsprechung des EGMR
    2. 14.2. Rechtsprechung der EKMR
    3. 14.3. Literatur

 

 

Frau Soile Tuulikki Lautsi erhob am 27.7.2006 in ihrem eigenen Namen und im Namen ihrer beiden Kinder Beschwerde gegen die italienische Republik, die sie an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) richtete. Der Grund für die Beschwerde war die Tatsache, dass die Klassenräume der Schule in Abano Terme, die die Kinder besuchten, mit Kreuzen ausgestattet waren. Mit dem Urteil1 vom 3.11.2009 stellte der Gerichtshof in dieser Sache eine Unvereinbarkeit mit der Religionsfreiheit (Art. 9 EMRK2) und dem elterlichen Erziehungsrecht (Art. 2 1. ZPMRK3) fest. Das Urteil erwuchs nicht in Rechtskraft, weil Italien die Verweisung an die Große Kammer beantragte.4 Da nicht vorhersehbar ist, wann deren Entscheidung ergeht, konnte sie für den vorliegenden Aufsatz, der Ende Juli 2010 abgeschlossen wurde, nicht berücksichtigt werden.

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1. Schulkreuz-Judikatur in europäischen Ländern

 

Das Urteil löste über Italien hinaus auch in anderen europäischen Ländern gemischte Reaktionen aus. Regelungen und Gepflogenheiten im Hinblick auf Kreuze und andere religiöse Symbole in Schulen variieren in Europa sehr stark von Staat zu Staat5 und manchmal sogar zwischen den einzelnen Regionen6 desselben Staates. Die Entscheidung der Großen Kammer könnte auch Auswirkungen auf Österreich haben.7 Hier stellte nämlich der Vater eines Kindergartenkindes bereits im Anschluss an das erste Urteil einen Individualantrag an den Verfassungsgerichtshof (VfGH) zur Prüfung von § 3 Abs. 1 und § 12 Abs. 2 NÖ KGG8, welche die religiöse Bildung und das Anbringen von Kreuzen in Kindergärten regeln. Ohne diese Entscheidung abwarten zu können oder ihr vorgreifen zu wollen, soll im vorliegenden Aufsatz das EGMR-Urteil Lautsi und seine mögliche Bedeutung für Österreich untersucht werden. Um die Perspektive zu weiten, soll der Blick zuvor kurz auf drei andere europäische Staaten gerichtet werden, in denen bereits früher Judikate zu der hier fokussierten Frage ergangen sind.

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1.1. Schweiz

 

Im Jahre 1990 hatte das schweizerische Bundesgericht über einen Beschluss des Gemeinderates von Cadro (Tessin) zu entscheiden, wonach in der dort neu gebauten örtlichen Schule Kruzifixe anzubringen zu sind. Die Beschwerde wurde von einem Lehrer eingebracht. Das Gericht stellte einen Verstoß gegen die in der Bundesverfassung9 verankerte konfessionelle Neutralität der Schule und gegen die Glaubens- und Gewissensfreiheit fest.10 Diesem Entscheid wurde in der Lehre teils beigepflichtet, was den Verfassungsgrundsatz der konfessionellen Neutralität der Schule betrifft.11 Andererseits wurde ihm jedoch die Frage entgegengehalten, wie er sich zur Religionsfreiheit der mehrheitlich katholischen Schüler und Lehrer verhält.12 Insbesondere wurde der Entscheid kritisiert, weil er den Umstand zu wenig berücksichtigt, dass jeder Kanton ein spezifisches Verhältnis zu den Religionen ausgeprägt hat.13 Die heute geltende Bundesverfassung14 vom 18.4.1999 enthält den entsprechenden Passus nicht mehr.

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1.2. Deutschland

 

In Deutschland erhob ein Elternpaar im eigenen Namen und im Namen seiner drei schulpflichtigen Kinder Beschwerde an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG), weil sie der Meinung waren, dass das Kruzifix in bayerischen Volksschulklassen im Sinne des Christentums auf die Kinder einwirkt und damit ihren eigenen Erziehungsvorstellungen zuwiderläuft. Der Beschluss des BVerfG vom 16.5.199515 erachtete die Glaubensfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG16) und das elterliche Erziehungsrecht (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) auch tatsächlich für verletzt und erklärte den entsprechenden § 13 Abs. 1 Satz 3 der Schulordnung für die Volksschulen in Bayern für nichtig. Nicht nur in der Bevölkerung und in der Politik, sondern auch in der juristischen Fachwelt löste dieser Beschluss eine bis dahin nicht gekannte Welle an Reaktionen aus, von denen die meisten ablehnend waren.

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Der Freistaat Bayern nützte den engen Spielraum, den der Beschluss bestehen ließ, um am 23.12.1995 mit Art. 7 Abs. 3 BayEUG17 eine neue Regelung zu schaffen. Diese hält an dem Grundsatz fest, in jeder Volksschulklasse ein Kreuz anzubringen, räumt jedoch gleichzeitig die Möglichkeit ein, begründeten Widerspruch vorzubringen.18 In diesem Fall hat die Schulleitung eine gütliche Einigung zu suchen und, falls eine solche nicht gelingt, eine Lösung für den Einzelfall zu treffen, die die Glaubensfreiheit des Widersprechenden und der übrigen Betroffenen in der Klasse achtet. Das kann im Einzelfall zu einer Abnahme des Kreuzes führen.

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Diese Bestimmung war seitdem mehrmals Gegentand gerichtlicher Entscheidungen. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof wies Popularklagen unter Hinweis auf den Konfliktlösungsmodus zurück.19 Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass es für Andersdenkende eine hinreichende Ausweichmöglichkeit gibt, sofern die Anforderungen an den Widerspruch nicht zu hoch angesetzt werden.20 Des Weiteren wurde die Möglichkeit, zu widersprechen, in der Judikatur auf Lehrende ausgedehnt.21

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1.3. Italien

 

In Italien beruht das Anbringen des Kruzifixes in der Grund- sowie in der Mittelschule auf den königlichen Dekreten 1297/192822 bzw. 965/192423. Diese Regelungen wurden durch das Gesetz Nr. 641/197624 und den darauf folgenden Ministerialerlass25 bekräftigt. Auch die Rechtsvorschrift26 über die Schule von 1994 ändert die bestehende Rechtslage nicht.

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Der Staatsrat27 befand am 27.4.1988, dass die beiden Dekrete auch unter der neuen Verfassung28, gemäß der der Katholizismus nicht mehr Staatsreligion ist, in Kraft stehen und dass das Kreuz als Symbol für das historische Erbe Italiens keinen Zwang auf die individuelle Religionsfreiheit ausübt.29 Dieser Begründung folgten mehrere Verwaltungsbehörden und Gerichte. Das Regionale Verwaltungsgericht des Veneto legte dem Verfassungsgericht die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Schulkreuzregelung vor, die sich in einem anhängigen Verfahren ergeben hatte. Ohne in der Sache zu entscheiden, wies das Verfassungsgericht diese Anfrage zurück, weil es nur die Verfassungsmäßigkeit formeller Gesetze überprüfen könne, die Schulkreuze aber lediglich in Verwaltungsverordnungen geregelt seien.30 Das Verwaltungsgericht des Veneto indessen wies die Beschwerde in der Folge ab, weil das Kreuz in der heutigen Zeit sowohl als geschichtliches und kulturelles Symbol als auch als universelles Symbol für Werte wie Freiheit, Gleichheit, Menschenwürde, religiöse Toleranz und Laizität des Staates betrachtet werden müsse.31 Dagegen wandte sich die Beschwerdeführerin an den Staatsrat, der ihrem Antrag allerdings nicht stattgab, weil das Kreuz zu einem laikalen Wert der Verfassung und zu einem Symbol ziviler Werte geworden sei.32 Die Beschwerdeführerin wandte sich daraufhin an den EGMR. Es handelt sich um Soile Tuulikki Lautsi.33

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Parallel zu diesem Verfahren wandte sich der zum Islam konvertierte Adel Smith in einer ähnlichen Situation an das Tribunal von L'Aquila, das den betroffenen Schulen in Ofena auftrug, das Kruzifix abzunehmen34 Dies unterblieb jedoch. Wenig später widerrief dasselbe Gericht seine Entscheidung und erklärte sich für unzuständig, weil die Sache nur von einem Verwaltungsgericht entschieden werden könne.35 In dieser Rechtsansicht wurde es vom Kassationshof bestätigt.36 Im Jahr 2006 hatte der Staatsrat neuerlich auf eine entsprechende Beschwerde zu antworten und hielt an seiner bisherigen Linie fest.37 Das regionale Verwaltungsgericht für Sizilien hatte im Jahr 2010 über die Anordnung eines Bürgermeisters zu entscheiden, gemäß der es verboten war, Kreuze abzunehmen.38 Dabei ging es aber nicht um inhaltliche, sondern um kompetenzrechtliche Fragen.

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2. Das EGMR-Urteil Lautsi

 

2.1. Inhalt des Urteils

 

Der EGMR prüfte den Fall Lautsi bezüglich des elterlichen Rechts, Erziehung und Unterricht entsprechend den eigenen religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen sicherzustellen (Art. 2 1. ZPMRK), in Verbindung mit dem Recht auf Religionsfreiheit (Art. 9 EMRK). In der Urteilsbegründung führt er zunächst allgemeine Prinzipien an, die er aus seiner bisherigen Rechtsprechung zu ähnlichen Fällen ableitet (Z. 47). Danach müssen die beiden Sätze von Art. 2 1. ZPMRK - das Recht auf Bildung bzw. das elterliche Erziehungsrecht - nicht nur zusammen gelesen werden, sondern auch im Lichte der Art. 8, 9 und 10 der EMRK (a). Der zweite Satz ziele auf einen Erziehungspluralismus ab, der für die Bewahrung der demokratischen Gesellschaft wesentlich sei. Aufgrund der Macht des modernen Staates müsse sich dies deshalb vor allem in der öffentlichen Bildung verwirklichen (b). Die Achtung vor der jeweiligen Überzeugung der Eltern müsse in einer offenen Schulatmosphäre ermöglicht werden, die unabhängig von der sozialen und ethnischen Herkunft sowie des Glaubensbekenntnisses der Schüler mehr einbeziehend als ausgrenzend ist. Die Schule dürfe nicht eine Bühne für Missionsaktivitäten und Predigt sein. Stattdessen müsse sie einen Ort der Begegnung verschiedener Religionen und Weltanschauungen verkörpern (c). Demnach müssten die Informationen im Unterricht aufgrund von Art. 2 Satz 2 1. ZPMRK auf objektive, kritische und pluralistische Weise vermittelt werden. Keinesfalls dürfe eine Form der Indoktrination angestrebt werde. Das sei die Grenze, die nicht überschritten werden dürfe (d). Art. 9 EMRK schütze nämlich sowohl die Freiheit zu glauben, als auch die negative Freiheit nicht zu glauben. Die gebotene Neutralität und Unparteilichkeit verbiete es dem Staat, über die Legitimität religiöser Bekenntnisse oder ihrer Ausdrucksweise zu urteilen (e).

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Anschließend wendet der EGMR diese Prinzipien auf den konkreten Fall an. Er geht davon aus, dass der Staat an Orten, an denen Personen besonders verletzlich oder von ihm abhängig sind, seinen Schutzbefohlenen einen bestimmten Glauben auch nicht in indirekter Weise auferlegen dürfe. Dies gelte besonders für die Schule, weil die Schüler die Fähigkeit zu Kritik und Distanznahme noch nicht ausgebildet hätten (Z. 48). Denn in Ländern, in denen die große Mehrheit der Bevölkerung einer bestimmten Glaubensrichtung angehört, könne der unbeschränkte Gebrauch von Riten und Symbolen einen Druck auf jene Schüler ausüben, die ihr nicht angehören (Z. 50). So habe das Symbol des Kreuzes zwar mehrere Bedeutungen, doch dominiere die religiöse (Z. 51). Infolgedessen gehe das Vorhandensein von Kreuzen in Schulklassen über die Verwendung von Symbolen in historischen Kontexten hinaus (Z. 52). Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, wonach das Kreuz ihre Überzeugungen und die negative Religionsfreiheit ihrer Kinder verletze, sei hinreichend ernst und kohärent. Des Weiteren sei die religiöse Bedeutung, die sie dem Kreuz beimisst, nicht willkürlich, da dies die offizielle Sicht der katholischen Kirche sei (Z. 53). Zudem könne das Kreuz als starkes äußeres Zeichen in der Klasse nicht übersehen werden und werde notwendig als integrierender Bestandteil des schulischen Umfeldes wahrgenommen (Z. 54). Was für einige Schüler ermutigend sein könne, könne für andere, besonders für religiöse Minderheiten, störend sein. Die negative Religionsfreiheit beschränke sich nicht auf die Freiheit, Gottesdiensten oder dem Religionsunterricht fernzubleiben, sondern erstrecke sich auch auf religiöse Verhaltensweisen und Symbole, die eine bestimmte Religion oder eine atheistische Haltung repräsentieren. Daneben verdiene die negative Freiheit einen besonderen Schutz, wenn der Staat selbst eine bestimmte Glaubensrichtung bekundet und sich die betroffene Person dem nicht oder nur unter unverhältnismäßigen Opfern entziehen kann (Z. 55). Das Anbringen eines oder mehrerer religiöser Symbole könne nicht mit dem Wunsch anderer Eltern gerechtfertigt werden, die eine religiöse Erziehung wünschen. Die Achtung der einen Überzeugung müsse die Achtung für die andere einschließen. In der öffentlichen Erziehung, die ohne Berücksichtigung der Religionszugehörigkeit verpflichtend ist und den Schülern ein kritisches Denken einprägen soll, sei der Staat angehalten, konfessionelle Neutralität zu wahren. Der EGMR sehe nicht, wie das Kreuz dem Pluralismus dienen könnte (Z. 56). Schließlich ist der Gerichtshof der Ansicht, dass das verpflichtende Anbringen eines Symbols einer bestimmten Konfession das Recht der Eltern beschränke, ihre Kinder nach ihren Überzeugungen zu erziehen, wenn dies in Verbindung mit der Ausübung einer staatlichen Funktion steht, die sich aus der Hoheitsgewalt ergibt, wie es in Schulklassen der Fall ist, Außerdem liege eine Beeinträchtigung des Rechtes der Schulkinder, zu glauben oder nicht zu glauben, vor. Im Ergebnis seien diese Rechte verletzt, weil die Beschränkungen nicht mit der Pflicht des Staates zur Neutralität bei der Ausübung der öffentlichen Funktionen vereinbar seien. Dies gelte insbesondere im Erziehungswesen (Z. 57).

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Eine Prüfung nach dem Diskriminierungsverbot des Art. 14 EMRK hielt der Gerichtshof nicht für erforderlich (Z. 62).

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2.2. Kritik in formaler Hinsicht

 

Der EGMR baut seine Urteile in der Regel so auf, dass er im Rechtsteil die einzelnen geltend gemachten Konventionsverletzungen prüft und dabei in geradezu vorbildlicher Weise strikt der allgemeinen grundrechtsdogmatischen Struktur folgt, die die Stufen Schutzbereich, Eingriff und Rechtfertigung des Eingriffs umfasst.39 Im Urteil Lautsi hält er sich jedoch nicht an dieses Schema. Sein Vorgehen genügt zwar dennoch zweifellos den Erfordernissen der Urteilsbegründung nach Art. 45 Abs. 1 EMRK, führt jedoch zu Problemen beim richtigen Verstehen und Bewerten des Urteils.

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Erstens prüft er Art. 9 EMRK und Art. 2 1. ZPMRK nicht einzeln, sondern gemeinsam. Nun kann allerdings nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass beispielsweise nur eines von beiden verletzt ist, das andere aber nicht. Auf eine Einzelprüfung sollte daher keinesfalls verzichtet werden. Natürlich muss man an dieser Stelle einräumen, dass zwischen den beiden Grundrechten gewiss Parallelen bestehen. Wo es diese gibt, wäre es jedoch ein Leichtes, Wiederholungen redaktionell zu vermeiden, indem man bei der Prüfung des zweiten Rechts auf die des ersten zurückverweist. Grundsätzlich ist aber stets auf Eindeutigkeit zu achten, welches Grundrecht gerade geprüft wird, da die Schutzbereiche verschieden sind.

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Damit verbunden ist das zweite Problem: Die drei üblichen Prüfungsschritte "Schutzbereich - Eingriff - Rechtfertigung" können nicht klar eingehalten werden, wenn die Rechte nicht gesondert geprüft werden. Während zum Beispiel in Z. 54 das Thema der Unausweichlichkeit des Kreuzes anscheinend die Eingriffsintensität berühren soll, umschreibt die folgende Z. 55 den Schutzbereich der negativen Religionsfreiheit. Hier liegt eine Frage vor, die zuerst hätte geklärt werden müssen. Während in Z. 56 offenbar ein Rechtfertigungsversuch entkräftet werden soll, wird in Z. 57 zunächst wieder nur eine Beschränkung der Grundrechte konstatiert und die Feststellung ihrer Verletzung folgt daraufhin ziemlich unvermittelt. Das Vorliegen eines Eingriffs kann jedoch erst geprüft werden, wenn zuvor die Betroffenheit des Schutzbereichs bejaht wurde, und die Rechtfertigungsprüfung kann erst dann stattfinden, wenn zuvor überhaupt ein Eingriff festgestellt wurde. Außerdem wäre eine Zuordnung der verschiedenen Argumente zu den einzelnen Prüfungsschritten notwendig, um ihr Gewicht ermessen zu können. Für den nationalen Gesetzgeber, der seine Rechtsordnung konform mit der EMRK ausgestalten möchte, ist es nicht gleichgültig, ob nur die Proportionalität zu korrigieren ist oder der Eingriff generell zu unterbleiben hat. Die drei Prüfungsschritte hätten sich aus dem Wortlaut und dem Aufbau von Art. 9 EMRK beinahe von selbst ergeben.

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Der dritte formelle Mangel des Urteils besteht darin, dass sich der EGMR weniger an die textliche Grundlage der zu prüfenden Grundrechte hielt als vielmehr an die von ihm selbst entwickelten "allgemeinen Prinzipien". Bei dieser Methode entsteht die Gefahr, dass das Urteil nicht aus einer generell-abstrakten Rechtsnorm, sondern aus induktiv gewonnenen Grundsätzen deduziert wird. Diese Vorgangsweise ist nicht gänzlich vor einer gewissen Willkür gefeit im Hinblick auf die Frage, welche Prinzipien aus den Vorjudikaten tatsächlich herangezogen werden und welche nicht. Wie noch zu zeigen sein wird, enthalten frühere Entscheidungen der EMRK-Judikatur nämlich eine Reihe weiterer Grundsätze, die in eine andere Richtung gewiesen hätten. Außerdem hätte die vom EGMR selbst gewählte Methode, allgemeine Prinzipien aus der bisherigen Rechtsprechung abzuleiten, erwarten lassen, dass er in der Urteilsbegründung eine Fülle von Vorjudikaten analysiert. In Wirklichkeit führt er in der einleitenden Ziffer 47 jedoch lediglich fünf und in den folgenden Ziffern 50, 52 und 54 nur noch drei weitere an.

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Es hätte auf der Grundlage der bisherigen EGMR-Rechtsprechung also durchaus eine alternative Vorgangsweise gegeben, die zu anderen Bewertungen hätte führen können. Im Folgenden soll eine alternative Prüfung des Falles Lautsi getrennt nach den beiden geltend gemachten Grundrechten und gemäß den drei grundrechtsdogmatischen Prüfungsschritten skizziert werden.

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3. Alternative Prüfung nach Art. 9 EMRK

 

3.1. Schutzbereich

 

Die Frage nach dem persönlichen Schutzbereich wirft keine Probleme auf, da sich jede natürliche Person unzweifelhaft auf Art. 9 EMRK als Individualrecht berufen kann. Im gegebenen Fall werden daher sowohl die Mutter als auch ihre beiden schulpflichtigen Kinder vom Schutzbereich dieses Grundrechts erfasst, auch wenn sich hinsichtlich der Mutter mehrere Überschneidungen mit Art. 2 1. ZPMRK ergeben.

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3.1.1. Religiöses oder säkulares Symbol?

 

Nicht so rasch zu lösen ist hingegen die Frage, ob die vorgebrachte Angelegenheit auch in den sachlichen Schutzbereich der Religionsfreiheit fällt. Dazu ist erforderlich, dass das Anbringen von Kreuzen in Schulklassen die Bereiche der Religion oder der Weltanschauung berührt.40 Nun betonte die italienische Regierung in ihrem Vorbringen aber sehr stark, dass das Kreuz noch andere Bedeutungen besitzt. Es steht für ethische Prinzipien, die auch außerhalb des Christentums geteilt werden. Darunter sind beispielsweise Gewaltfreiheit, gleiche Würde aller Menschen, Gerechtigkeit, Vorrang des Individuums, Wahlfreiheit, Trennung von Politik und Religion, Nächstenliebe, Versöhnung mit Feinden usw. zu nennen. Die Botschaft des Kreuzes ist daher eine humanistische, die unabhängig von seiner religiösen Dimension verstanden werden kann (Z. 35).41 Der Beschwerdeführerin zufolge ist das Kreuz hingegen vor allem religiös konnotiert und steht einer bestimmten Konfession nahe (Z. 31). Nach dem Urteil des Gerichtshofs hat das Kreuz zwar mehrere Bedeutungen, doch dominiert die religiöse (Z. 51).42 Seine Präsenz in Schulklassen gehe über die Verwendung in besonderen historischen Kontexten hinaus (Z. 52).

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Dass der Gerichtshof mit dieser religiösen Deutung seine Kompetenz überschreitet und sich selbst nicht an die Trennung von weltlicher und religiöser Sphäre hält, auf die er sein Urteil gerade stützen will, kann ihm nicht vorgeworfen werden.43 Gewiss darf die weltliche Autorität nicht über die Legitimität einer bestimmten religiösen Glaubenrichtung urteilen, doch definiert der Gerichtshof hier kein Glaubensdogma, wie das Kreuz zu verstehen sei, sondern stellt nur fest, wie es faktisch verstanden wird.44 Die Prüfung des Schutzbereiches von Art. 9 EMRK setzt geradezu voraus, dass er eine Aussage darüber trifft, ob die jeweilige Angelegenheit zum religiös-weltanschaulichen Bereich gehört.

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Doch welcher Maßstab ist bei dieser Prüfung anzuwenden? Gilt die Deutung dessen, der sich des Symbols bedient, oder dessen, der es betrachtet, oder eines neutralen Dritten?45 Es ist für Symbole46 geradezu typisch, dass sie eine Vielzahl von Bedeutungen haben und für neue Interpretationen offen sind.47 Dies trifft in besonderem Maße für ein so hochgradig sinnvariierendes Symbol wie das Kreuz zu, das weder auf eine rein säkulare noch auf eine rein christliche Bedeutung reduziert werden kann.48 Der Inhalt haftet dem Symbol nicht von vornherein an, sondern kommt im Kommunikationsgeschehen zwischen Verwendern und Betrachtern zustande.49 Dem entspricht der subjektiv-objektive Maßstab, den der Gerichtshof anlegt. Einerseits geht er von der subjektiven Auffassung der Parteien aus, andererseits prüft er, ob diese objektiv nachvollziehbar ist. Dazu verweist er auf die offizielle Deutung durch die katholische Kirche und schließt, dass die Interpretation durch die Beschwerdeführerin nicht willkürlich ist (Z. 53). Eine rein subjektive Deutung, die nur dazu dienen würde, in den Schutzbereich des Grundrechts zu gelangen, ist damit ausgeschlossen. In ähnlicher Weise prüfte der EGMR bereits in früheren Urteilen, ob Kleidungsstücke, denen der Beschwerdeführer religiöse Bedeutung zugemessen hatte, in den Schutzbereich fallen.50

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Wenig überzeugend erscheint es indessen, wenn Verteidiger des Schulkreuzes seinen Bezug zum Christentum abschwächen, um die Grundrechtsrelevanz von vornherein zu verneinen.51 Die Betroffenheit des Schutzbereiches ist vielmehr zu bejahen.52 Das heißt umgekehrt wiederum nicht, dass das Kreuz nicht auch Werte repräsentiert, die gleichermaßen von Menschen vertreten werden, die nicht Christen sind.

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3.1.2. Negative Religionsfreiheit oder positive Weltanschauungsfreiheit?

 

Der Schutzbereich des Art. 9 EMRK ist noch weiter zu präzisieren, da er mehrere Teilaspekte umfasst. Zunächst erstreckt er sich, wie aus dem Wortlaut von Art. 9 Abs. 1 EMRK hervorgeht, sowohl auf Religionen als auch auf Weltanschauungen ("religion" bzw. "conviction" / "belief"). Eine Weltanschauung ist eine areligiöse oder nichtreligiöse Haltung, jedoch nicht jede beliebige persönliche Überzeugung. Sie muss vielmehr die Voraussetzung einer zusammenhängenden Sichtweise grundsätzlicher Lebensfragen mit hinreichender Stichhaltigkeit, Ernsthaftigkeit, Schlüssigkeit und Bedeutung erfüllen.53 Ferner ist zwischen der inneren und der äußeren Freiheit zu differenzieren. Während jene den Gedanken- und Gewissensbereich betrifft, schließt diese die äußere Kundgabe der Glaubensinhalte ein. Schließlich ist vom positiven Aspekt der negative abzuheben. Jener bezieht sich auf das Recht, einen Glauben zu haben, zu äußern und auszuüben, während dieser das Recht meint, keinen Glauben zu haben bzw. ihn nicht äußern oder ausüben zu müssen.

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Für das Schulkreuz stellt sich nun die Frage, ob hier die negative Religionsfreiheit oder die positive Weltanschauungsfreiheit betroffen ist.54 Letztere befürworteten einige Kritiker55 des deutschen Kruzifix-Beschlusses. Dies setzt jedoch voraus, dass der Beschwerdeführer tatsächlich eine Weltanschauung im oben beschriebenen Sinn vertritt, die es ihm verwehrt, Kreuze anzublicken. Im deutschen Fall handelte es sich um die anthroposophische Lehre, die dem Kreuz jedoch nicht ablehnend gegenübersteht.56 Im Fall Lautsi scheint der EGMR - allerdings ohne erkennbaren Grund - in Bezug auf die Mutter die Weltanschauungsfreiheit, in Bezug auf die Kinder aber die negative Religionsfreiheit für relevant zu halten (Z. 53). Er spricht nämlich von der Überzeugung der Mutter, der er eine hinreichende Ernsthaftigkeit und Kohärenz bescheinigt (ebd.), doch wird nirgends ausgeführt, worin sie eigentlich besteht. Am leichtesten ist dieses Verständnisproblem zu lösen, wenn man annimmt, dass der EGMR an dieser Stelle nicht die Weltanschauungsfreiheit nach Art. 9 EMRK, sondern lediglich die weltanschaulichen Überzeugungen nach Art. 2 1. ZPMRK im Auge hat, für die ein anderer Maßstab gilt. Diese Unsicherheit bei der Interpretation des Urteils ist durch die Vermischung beider Grundrechte bedingt.

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Weiter unten spricht der EGMR nur noch von der negativen Freiheit (Z. 55). Da es der Beschwerdeführerin, was Art. 9 EMRK betrifft, eher um die Auferlegung eines Symbols als um die Behinderung der Ausübung einer Weltanschauung zu gehen scheint, ist im weiteren Verlauf der negative Aspekt der Religionsfreiheit zu prüfen.

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3.2. Eingriff

 

3.2.1. Grundsätzliche Dogmatik zum Eingriff

 

Wenn der Schutzbereich eines Grundrechts berührt ist, bedeutet dies noch nicht, dass zugleich ein Eingriff in das Grundrecht gegeben ist. Die Prüfung, ob ein Eingriff vorliegt, dient dazu, relevante Grundrechtsbeschränkungen von hinzunehmenden Grundrechtsberührungen abzugrenzen, die wegen ihrer geringen Eingriffsintensität von vornherein nicht als Verletzung grundrechtlich gewährleisteter Positionen in Betracht kommen.57 Art. 9 Abs. 2 EMRK spricht diesbezüglich von Einschränkungen ("restrictions" bzw. "limitations"). Der Staat greift in die Religions- und Weltanschauungsfreiheit ein, wenn er Handlungen, die in Zusammenhang mit der Religionsausübung stehen, verbietet oder sogar mit einer Strafe belegt.58 Eingriffe in die negative Religionsfreiheit bilden hingegen Handlungsverpflichtungen, die der Staat dem Einzelnen auferlegt und die die Religionsfreiheit betreffen.59 Niemand darf gegen seinen Willen direkt oder indirekt in religiöse Aktivitäten einbezogen werden.60

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Auf den Fall Lautsi bezogen lässt sich keine Handlungsverpflichtung für die Mutter bzw. ihre Kinder ausmachen, die von der Präsenz eines Kreuzes im Klassenzimmer ausginge. Daher muss ein Eingriff in die negative Religionsfreiheit verneint werden. Der EGMR bejaht hingegen einen Eingriff, weil sich die negative Religionsfreiheit nicht nur auf das Fehlen von Gottesdienst und Unterricht, sondern auch auf Verhaltensweisen und Symbole bezieht, die im Allgemeinen oder im Besonderen einen Glauben, eine Religion oder den Atheismus ausdrücken (Z. 55). Damit vollzieht der EGMR eine Ausweitung des Eingriffsbegriffs bezüglich der negativen Religionsfreiheit. Diese steht seiner bisherigen Rechtsprechung entgegen und wird im Urteil Lautsi nicht näher begründet. An der betreffenden Stelle gibt der EGMR keine Vorjudikate an. Die beiden Urteile zur negativen Religionsfreiheit, die er an anderen Stellen im Urteil Lautsi aufführt, sind Buscarini61 und Folgerø62. Im ersten Fall war ein Parlamentarier verpflichtet, einen religiösen Eid abzulegen, im zweiten mussten Schüler an einem nicht-neutralen Religionsunterricht teilnehmen, der mit religiösen Übungen verbunden war. Eine weitere Entscheidung zur negativen Religionsfreiheit erging jüngst im Fall Alexandridis.63 In allen diesen Fällen bestand der Eingriff in die negative Religionsfreiheit eindeutig in einer Verpflichtung zu einem positiven religionsrelevanten Handeln. Im letztgenannten Urteil fasste der EGMR die negativen Rechte, die sich aus Art. 9 EMRK ergeben und in der bisherigen Rechtsprechung entwickelt wurden, zusammen (Z. 32): Es handelt sich um das Recht, keiner Religion anzugehören, sowie um das Recht, keine Religion zu praktizieren. Davon, dass auch die lediglich passive Präsenz religiöser Symbole, die kein entsprechendes Verhalten verlangen, einen Eingriff in die negative Religionsfreiheit darstellen könnte, ist nicht die Rede.64

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Eine besondere inhaltliche Nähe weist die Causa Lautsi zur Rechtssache Dahlab65 auf, in der es um das Verbot für eine muslimische Lehrerin ging, ein Kopftuch zu tragen. Zwar war hier die Lehrerin die Beschwerdeführerin, so dass ihre positive Religionsfreiheit und nicht eine eventuelle negative Religionsfreiheit der Schüler zu prüfen war. Falls der EGMR jedoch die Existenz eines negativen Rechts, keinen religiösen Symbolen zu begegnen, angenommen hätte, wäre zu erwarten gewesen, dass er dies als Rechtfertigungsgrund für das Kopftuchverbot angeführt hätte. Schließlich war er bemüht dessen Grundrechtskonformität zu begründen. Stattdessen stellte er nur auf die Besonderheiten des schulischen Kontexts ab.66

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In Bezug auf den Kruzifix-Beschluss des deutschen BVerfG bestand zwischen den meisten Kommentatoren67 Einigkeit darüber, dass die negative Religionsfreiheit kein Recht enthält, nicht mit religiösen Symbolen konfrontiert zu werden, und sie erblickten darin den entscheidenden Schwachpunkt in der Argumentation des Gerichts. Da das bloße Vorhandensein eines Kreuzes keinen Akt des Bekenntnisses, der Verehrung oder der Identifikation verlangt, wird die Schwelle der Eingriffsintensität nicht überschritten.68

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Der EGMR scheint im Urteil Lautsi, obwohl keine Verpflichtung zu religionsrelevantem Verhalten vorliegt, eine hinreichende Eingriffsintensität deswegen anzunehmen, weil im spezifischen Kontext der Schule verschärfende Umstände hinzutreten. Diese sind im Folgenden zu untersuchen.

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3.2.2. Die besondere Lage der Schüler

 

Der EGMR macht auf die Abhängigkeit und Verletzlichkeit der Schüler aufmerksam, zumal sie noch keinen kritischen Geist oder die Fähigkeit, sich zu distanzieren, ausgebildet haben (Z. 48).69 Außerdem nimmt er an, dass sich das Kreuz auf Kinder, die einer anderen oder aber keiner Religion angehören, in emotionaler Hinsicht störend auswirken könnte (Z. 55).70 Der EGMR verwies bereits im Beschluss Dahlab auf das niedrige Alter der Kinder71 - sie waren damals vier bis acht Jahre alt - und merkte gleichzeitig an, dass ältere Kinder weniger beeinflussbar sind.72 Im Fall Lautsi waren die beiden Kinder der Beschwerdeführerin elf bzw. dreizehn Jahre alt und der Gerichtshof stellte dennoch einen Eingriff in ihre Religionsfreiheit fest (Z. 54). In den Fällen Şahin73 (Z. 78) und Kurtulmuş74 (A.2) waren Kinder überhaupt nicht betroffen. Vielmehr ging es um das Kopftuchverbot für eine Studentin bzw. eine Professorin an der Universität. Der Gerichtshof hielt das Verbot hier aus anderen Gründen für gerechtfertigt.75 Bei der Zusammenschau dieser Entscheidungen stellt sich die Frage, welches Gewicht er letztlich dem Alter überhaupt beimisst. In der Sache Dahlab war dieser Aspekt nicht allein maßgeblich. Daneben wies der Gerichtshof auch darauf hin, dass das Kopftuch der Gleichheit der Geschlechter und der Botschaft von Toleranz und Nächstenliebe widerspricht, welche die Lehrerin zu vermitteln hat. Diese Deutung, die hinsichtlich des Kopftuches in der Lehre heftig kritisiert wurde,76 lässt sich auf das Kreuz nicht übertragen.77 Im Gegenteil, wie die italienische Regierung betonte, verkörpert das Kreuz gerade solche Werte, die nach der Entscheidung Dahlab zu vermitteln wären. Außerdem ist der Einfluss geringer, wenn das betreffende Symbol nicht von der Lehrerin, die durch ihre gesamte Persönlichkeit eine Botschaft vermittelt, selbst getragen wird, sondern nur im Klassenzimmer vorhanden ist und nicht in manipulativer Weise in den Unterricht einbezogen wird.

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Schließlich ist noch einmal daran zu erinnern, dass die dem Fall Dahlab zugrunde liegende Konstellation von jener des Falles Lautsi verschieden war und dass daher keine vorschnellen Schlüsse von der einen Situation auf die andere gezogen werden dürfen. Denn im Fall Dahlab diente die besondere Lage der Schüler dazu, eine staatliche Vorschrift zu rechtfertigen, die in die positive Freiheit der Lehrerin, nämlich ein religiöses Symbol zu tragen, eingegriffen hatte. Das bedeutet jedoch nicht, dass sich aus dieser besonderen Lage ein Anspruch auf die Entfernung derartiger Symbole ergäbe, und schon gar nicht, dass dieser Anspruch grundrechtlich abgesichert wäre. Wenn ein bestimmter Umstand das ansonsten grundrechtswidrige Verbot von Symbolen rechtfertigt, so heißt dies nicht, dass derselbe Umstand ein derartiges Verbot verlangen würde, da das Vorhandensein solcher Symbole grundrechtswidrig wäre. Es ist nicht dasselbe, ob ein Verbot religiöser Symbole trotz der Religionsfreiheit zulässig ist, oder ob die Abnahme religiöser Symbole wegen der Religionsfreiheit geboten ist. Um die erste Frage ging es in den Kopftuch-Entscheidungen, um die zweite in der Sache Lautsi. Aus der Bejahung der ersten Frage folgt nicht die Bejahung der zweiten.

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Wie religiöse Symbole auf Kinder im jeweiligen Alter wirken, wird zunächst nicht der Richter, sondern der Psychologe beantworten müssen.78 Ohne in dieses Feld vordringen zu wollen, können an dieser Stelle nur einige Erkenntnisse der Religions- und Entwicklungspsychologie referiert werden. Es scheint festzustehen, dass die religiöse Entwicklung von Kindern in mehreren Phasen parallel zu ihrer sonstigen Entwicklung vonstatten geht.79 Zunächst haben religiöse Symbole für ein Kind überhaupt keine bestimmte Bedeutung; diese erschließt sich ihnen erst, wenn sie entsprechend vermittelt wird, wobei die Familie den stärksten Einfluss hat.80 Ohne von der religiösen Erziehung in der Familie mitgetragen zu werden, entfalten entsprechende Symbole beinahe keine Wirksamkeit.81 Das Symbolerleben setzt beim Beobachter eine religiöse Überzeugung, eine ausgeprägte Erwartungshaltung und die Fähigkeit zu konzentrierter Betrachtung voraus.82 All dies stützt die Thesen jener Juristen83, die der alleinigen Tatsache, dass ein Kreuz im Klassenzimmer hängt, keine psychische Beeinträchtigung oder mentale Beeinflussung von der Art zusprechen, dass ein Eingriff in die negative Religionsfreiheit vorläge.

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Während das deutsche BVerfG in seinem Kruzifix-Beschluss sogar eine appellativ-missionarische Wirkung des Kreuzes auf die Schüler annahm,84 ist der EGMR in diesem Punkt zu Recht zurückhaltend. Nur in den allgemeinen Prinzipien erwähnt er, dass die Schule keine Bühne für Predigt und missionarische Aktivitäten sein dürfe (Z. 47.c). Das könnte im gegebenen Zusammenhang die Vermutung nahe legen, dass er dem Schulkreuz missionarische Wirkungen zuerkennt, doch führt er diese im konkreten Argumentationsgang nicht näher aus. Während er im Beschluss Dahlab eine proselytische Wirkung des Kopftuchs - in eine rhetorische Frage verpackt - nicht ausschloss,85 ist im Urteil Lautsi davon keine Rede mehr. In der Tat wäre eine derartige Wirkung des Schulkreuzes noch unwahrscheinlicher als ein schlichter psychischer Einfluss.

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3.2.3. Zurechnung zum Staat

 

Dem Urteil Lautsi zufolge bedarf die negative Religionsfreiheit eines besonderen Schutzes, wenn der Staat selbst einen bestimmten Glauben ausdrückt (Z. 55). Das verpflichtende Anbringen eines religiösen Symbols im Rahmen der Ausübung öffentlicher Gewalt stelle einen Eingriff in das Grundrecht dar (Z. 57).

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Dass der Staat eine bestimmte Maßnahme vorgibt, ist jedoch kein erschwerendes Moment bei der Eingriffsprüfung, sondern die Voraussetzung dafür, dass überhaupt eine Berufung auf Grundrechte in Form von Abwehrrechten möglich ist. Würde eine Privatperson eine vergleichbare Maßnahme ergeifen, so könnte ein aus den Grundrechten fließender Anspruch gegen den Staat nur entstehen, wenn dieser verpflichtet wäre, die Tätigkeit der Privatperson zu unterbinden.

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Dass das Anbringen der Kreuze auf eine staatliche Rechtsnorm zurückgeht, ist nicht zu bestreiten. Staatliches Handeln kann jedoch in sehr vielfältigen Formen und zu sehr unterschiedlichen Zwecken erfolgen. So ist es beispielsweise nicht dasselbe, ob der Staat jemanden verhaftet oder eine Straße baut. Der EGMR unterstellt der Schulkreuzregelung, dass der Staat damit einen bestimmten Glauben ausdrückt (Z. 55). Abgesehen davon, dass der religiöse Glaube eine Sache ist, die den innersten Kern der Person eines Menschen betrifft und es daher fraglich erscheint, ob ein abstraktes Gemeinwesen überhaupt in diesem Sinne einem bestimmten Glauben anhängen kann, versäumt es der EGMR bei dieser Feststellung, die eigentlichen Zwecke des Anbringens zu prüfen. Auch wenn die Schule in den Bereich der staatlichen Verwaltung fällt, so unterscheidet sie sich doch deutlich von anderen Bereichen staatlichen Handelns, wie es bei Polizei oder der Rechtsprechung der Fall ist. Mit gutem Grund wird in der deutschen und in der österreichischen Lehre daher unterschieden, ob ein Kreuz in einem Gerichtssaal oder in einer Schule angebracht ist.86

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Wie bereits dargelegt, übt der Staat mit dem Kreuz in schulischen Einrichtungen keinen Zwang auf die Lernenden aus, eine bestimmte Religion auszuüben oder sich zu ihr zu bekennen. Vielmehr werden die Kreuze im Sinne einer Grundrechtsofferte als Angebot für entsprechend aufgeschlossene Schüler und Eltern vom Staat zur Verfügung gestellt.87 Dies wird in der vorliegenden Arbeit weiter unten noch näher auszuführen sein (Abschnitt 3.3.4.). Jedenfalls ist nicht erkennbar, dass sich der Staat durch die Schulkreuzregelung einer so zwangsintensiven Form hoheitlichen Handelns bedienen würde, dass sich dadurch die Qualität eines Grundrechtseingriffes erhöhen würde.

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Die subjektiv-objektive Auslegung des Kreuzes müsste nun auch auf der Eingriffsebene angewandt werden. Auf der Schutzbereichsebene wurde mit Hilfe dieser Deutung bejaht, dass das Kreuz ein religiöses Symbol ist. Davon zu unterscheiden ist jedoch die auf der Eingriffsebene relevante Frage, was der Staat mit diesem Symbol bezweckt.88 Auch hier ist es dem Betrachter anheimgestellt, wie er es im Einzelfall interpretiert, doch muss diese Deutung einem objektiven Maßstab standhalten. Des Weiteren muss sie der Deutung dessen gegenübergestellt werden, der sich des Symbols bedient.89 Damit wird ausgeschlossen, dass der Betrachter dem Symbol willkürlich eine möglichst eingriffsintensive Bedeutung beilegt, um damit einen Grundrechtseingriff zu begründen.90 Hier scheint der EGMR zu wenig kritisch zu sein, wenn er von der religiösen Bedeutung des Kreuzes vorschnell darauf schließt, dass der Staat damit einen bestimmten Glauben ausdrücke oder sich damit identifiziere.91 Vielmehr bietet der Staat es nur für diejenigen als Möglichkeit an, darin ihrer Religion begegnen zu können, die es auch wünschen. Denjenigen, die davon nicht angesprochen werden, bleibt es unbenommen, dem Kreuz eine kulturelle, ethische oder künstlerische Bedeutung beizumessen oder es für sie persönlich bedeutungslos zu sehen.92 Ebenso ist es jedem frei gestellt, im Kreuz eine Provokation oder einen Bekehrungsversuch zu sehen, doch kann aus einer derartigen rein subjektiven Deutung niemand eine Grundrechtsverletzung ableiten.

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3.2.4. Keine Ausweichmöglichkeit?

 

Der EGMR begründet die hinreichende Eingriffsqualität des Schulkreuzes schließlich auch damit, dass die Betroffenen sich ihm nicht oder nur unter großen Anstrengungen und Opfern entziehen können (Nr. 55). Damit spielt er offenbar auf die Schulpflicht an. Da es für die Fallprüfung nicht gleichgültig ist, ob es keinerlei Ausweichmöglichkeit oder aber nur eine gibt, die mit höherem Aufwand verbundenen ist, hätte der Gerichtshof diese Frage nicht offen lassen dürfen.

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Gemäß der ständigen und unbestrittenen Rechtsprechung von EGMR und EKMR dürfen der konfessionsgebundene Religionsunterricht und religiöse Übungen, wie beispielsweise das Schulgebet oder religiöse Veranstaltungen, an Schulen nur stattfinden, wenn es für den Fall, dass Schüler bzw. Eltern eine Teilnahme ablehnen, Ausnahmemöglichkeiten gibt.93 Durch die Möglichkeit, fernzubleiben, ist der Religionsfreiheit Genüge getan.

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Nun unterscheiden sich der Religionsunterricht und religiöse Übungen jedoch in zweierlei Hinsicht vom Streifall Schulkreuz. Erstere haben "Ereignischarakter", d.h. sie sind zeitlich begrenzt, weshalb eine Ausnahmeregelung leicht durch ein alternatives Beschäftigungsangebot zu gewährleisten ist. Das Kreuz hingegen hat einen "örtlichen" Charakter, so dass eine Ausnahme nicht in derselben Weise möglich ist. Die Frage ist jedoch, ob eine Ausnahme überhaupt in derselben Weise notwendig ist. Denn zweitens unterscheiden sich der Religionsunterricht und religiöse Übungen auch dadurch vom Schulkreuz, dass diese eine aktive Teilnahme implizieren, die als Bekenntnis aufgefasst werden kann. Im Falle einer Verpflichtung würden die Lernenden zu einem bestimmten Verhalten gezwungen, was zweifellos einen Eingriff in die Religionsfreiheit darstellt.94 Das bloße Vorhandensein eines Kreuzes verlangt den Schülern hingegen keinen Akt des Bekenntnisses oder der Religionsausübung ab.95 Schon deshalb ist das Vorliegen eines Eingriffs zu verneinen.

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Das "Sich-Nicht-Entziehen-Können", das der EGMR bemängelt, beschränkt sich hier also auf den Umstand, dass die Schüler sich in einem Raum aufhalten müssen, in dem sich auch ein Kreuz befindet. Angesichts dieser allenfalls geringfügigen Störung scheinen Ausweichmöglichkeiten auszureichen, die der Gegebenheit Rechnung tragen, dass es sich beim Kreuz um einen rein optischen Eindruck handelt. Der EGMR prüfte solche Ausweichmöglichkeiten jedoch nicht. Im Vergleich dazu wird in der deutschen Literatur zumindest darauf hingewiesen, dass man optische Zeichen leichter ignorieren kann als akustische,96 dass der Schüler dem Kreuz überhaupt keine Beachtung schenken muss97 und es ihm überlassen ist, ob er ihm überhaupt eine religiöse Bedeutung beimisst.98

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Wenn der EGMR auf die unverhältnismäßigen Anstrengungen und Opfer hinweist, die notwendig wären, um sich dem störenden Symbol zu entziehen, so spielt er, ohne es ausdrücklich zu sagen, auf die Judikatur zu der Frage an, ob ein Eingriff zu verneinen ist, wenn es möglich ist, auf Privatschulen oder Heimunterricht auszuweichen. Dieses Problem wurde bisher teils nach Art. 9 EMRK, teils nach Art. 2 1. ZPMRK oder nach beiden Bestimmungen geprüft. Die grundlegende Entscheidung hierzu erging in der Sache Kjeldsen.99 Christlich gesinnte Eltern machten eine Verletzung ihrer Grundrechte geltend, weil ihre Kinder in der öffentlichen Schule Sexualkundeunterricht besuchen mussten, der ihren Anschauungen widersprach. Der EGMR hielt hingegen weder die Religionsfreiheit (Z. 57) noch das Elternrecht (Z. 54) für verletzt und bemerkte, dass der Privatschulunterricht als Alternative in Betracht zu ziehen ist, auch wenn dies für die Eltern mit Opfern und Nachteilen verbunden ist (Z. 50 und 54). Spätere Entscheidungen folgten dieser Richtung: Beispielsweise darin, dass einem Elternpaar christlicher Missionare der häusliche Unterricht für ein Kind nicht (mehr) gestattet wurde, erblickte die EKMR kein Anzeichen für eine Verletzung des Elternrechts oder der Religionsfreiheit, obwohl die nächstgelegene Privatschule 100km entfernt und ihre Aufnahmekapazität erschöpft war.100 Für offensichtlich unbegründet hielt die EKMR auch die Beschwerde von vierzig Müttern, die ihre Kinder nicht in die - allerdings nicht verpflichtende - agnostische Vorschule schicken wollten und geltend machten, dass der Besuch alternativer kirchlicher Einrichtungen mangels staatlicher Subventionen praktisch unmöglich sei.101 In den beiden jüngeren Fällen Dogru und Kervanci, in denen Schülerinnen von der Schule verwiesen wurden, weil sie im Sportunterricht ein Kopftuch trugen, erkannte der EGMR unter anderem deshalb keine Verletzung von Art. 9 EMRK (Z. 78) und Art. 2 1. ZPMRK (Z. 84), weil sie die Möglichkeit hatten, ihre Schulbildung durch Fernunterricht fortzusetzen (Z. 76). Im Fall Şahin hatte die Kopftuch tragende Studentin im eigenen Land keinerlei Ausweichmöglichkeit, weil es in der Türkei nur nichtreligiöse Universitäten gibt, für die ausnahmslos das Kopftuchverbot galt.102 Außerdem sind in diesem Zusammenhang die Fälle Karaduman und Bulut anzuführen: Hier konnten die Studentinnen ihr (vorläufiges) Abschlussdiplom nicht erhalten, weil sie auf dem eingereichten Foto mit Kopfbedeckung abgebildet waren. Die EKMR begnügte sich dabei lediglich mit dem Hinweis, sie hätten sich freiwillig für das Studium entschieden.103

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In all diesen Fällen wandten sich die Beschwerdeführer, die gemäß ihrer Religion leben wollten, gegen säkulare Verhältnisse an öffentlichen Bildungseinrichtungen. Doch das Bestehen alternativer Unterrichtsmöglichkeiten - und zwar auch dann, wenn sie mit höherem Aufwand und Opfern verbunden waren - diente den Straßburger Instanzen jeweils als Begründung dafür, keine Grundrechtsverletzung anzunehmen.104 In den letztgenannten Fällen gab es nicht einmal eine Alternative. Daher ist es unverständlich, wenn der EGMR in der Sache Lautsi, in der die Beschwerdeführerin für ihre Kinder ein areligiöses Leben verwirklichen möchte, Ausweichmöglichkeiten von vornherein abtut, weil sie mit großen Anstrengungen verbunden wären. Ob sie bestanden hätten, wurde dabei nicht einmal geprüft. Infolgedessen ist aber auch nicht ersichtlich, wie die hinreichende Schwere des Eingriffs begründet werden kann.

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3.2.5. Potentieller oder tatsächlicher Eingriff?

 

Um die Verletzung eines Grundrechts nachweisen zu können, muss zunächst festgestellt werden, dass ein Eingriff tatsächlich vorliegt. Die Argumentation des EGMR bewegt sich jedoch auf der Ebene der bloßen Möglichkeit eines Eingriffs. Die Darstellung eines religiösen Symbols kann ("peut") einen Druck auf Schüler ausüben, die dieser Religion nicht angehören (Z. 50). Das Kreuz könnte ("puisse") als unvereinbar mit den Überzeugungen der Beschwerdeführerin angesehen werden (Z. 53). Es kann ("peut") von den Lernenden als religiöses Zeichen interpretiert werden (Z. 55). Die Gefahr ("risque") einer Störung ist vor allem bei Schülern gegeben, die einer Minderheit angehören (ebd.).105

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Schon in den Entscheidungen Dahlab und Şahin ließ es der EGMR mit der Feststellung einer abstrakten Gefahr bewenden, obwohl er gerade im Fall Dahlab gleichzeitig einräumen musste, dass das Kopftuch der Lehrerin über all die Jahre keine Konflikte mit den Schülern oder der Schulleitung hervorgerufen hatte. Ebenso wenig kam es im Fall Şahin zu einer konkreten und damit erfassbaren Störung des Universitätsbetriebes durch das Kopftuch der Studentin.106 Von mehreren Kommentatoren wurde die Argumentation des EGMR, die nur auf einer rein potentiellen Beeinträchtigung gründet, heftig kritisiert.107

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In dem jüngeren Fall Ivanova108 hingegen, in dem der Betreuerin eines Schulschwimmbades gekündigt worden war, weil sie einer evangelikalen Gruppe angehörte und die Gefahr von Proselytismus in der Schule bestand, erblickte der EGMR in der Kündigung einen Verstoß gegen ihre Religionsfreiheit. Es gab nämlich keine Beweise, dass sie tatsächlich missionarisch tätig geworden wäre (Z. 82). Warum nun im Fall Lautsi wieder eine abstrakte Gefahr genügen soll, ist nicht ersichtlich. Gerade in diesem Fall, in dem das entsprechende Argument nicht wie bei Dahlab und Şahin nur als Rechtfertigungsgrund für eine staatliche Maßnahme diente, sondern den Beweis für eine Grundrechtsverletzung liefern sollte, hätte ein tatsächlicher Eingriff nachgewiesen werden müssen.109

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Resümierend lässt sich also festzuhalten, dass ein Grundrechtseingriff nach der gebräuchlichen Definition für den Eingriff in die Religionsfreiheit zu verneinen ist und dass im konkreten Fall auch keine besonderen Umstände nachgewiesen werden können, die die Eingriffsqualität erhöhen würden.110 Als Konsequenz muss eine Verletzung der Religionsfreiheit im Fall Lautsi verneint werden. Die Prüfung dieses Grundrechts müsste daher an dieser Stelle abbrechen. Für den Fall, dass in besonders gelagerten Situationen doch ein Eingriff in concreto vorliegen sollte, wird im Folgenden - rein hypothetisch - die Rechtfertigung eines solchen Eingriffs geprüft.

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3.3. Schranken

 

3.3.1. Die Schrankenregelung des Art. 9 Abs. 2 EMRK im Allgemeinen

 

Innerhalb welcher Schranken Eingriffe in das Grundrecht der Religionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 1 EMRK gerechtfertigt sind, legt Art. 9 Abs. 2 EMRK fest. Danach müssen die Eingriffe gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sein sowie mit angemessenen Mitteln eines der angeführten legitimen Ziele verfolgen. In der Lehre ist umstritten, ob sich diese Schrankenregelung auf den gesamten Abs. 1 oder nur auf die Freiheit zur Religionsausübung bezieht, was zur Folge hätte, dass die übrigen Aspekte der Religionsfreiheit ohne geschriebene Schranken gewährleistet wären. Während der Wortlaut eher die zweite Alternative nahelegt,111 sprechen systematische Gründe - nämlich ein Vergleich mit den Schrankenregelungen der Art. 8-11 EMRK - sowie die Entstehungsgeschichte für die erstgenannte Interpretation.112 Jedenfalls darf nach Art. 17 EMRK keine Bestimmung der Konvention so ausgelegt werden, dass sie auf eine Beschränkung anderer Konventionsrechte hinzielt, die weiter geht, als in der Konvention vorgesehen. Das heißt, dass Schranken zumindest durch die Grundrechte anderer gegeben sind.

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Was die negative Religionsfreiheit betrifft, die im Fall Lautsi von besonderem Interesse ist, so prüfte der EGMR die Schranken in der Leitentscheidung Buscarini (Z. 35-40) jedenfalls genau nach dem Schema des Abs. 2, so dass dies auch im Folgenden so geschehen kann. Im Urteil Lautsi finden sich nur Elemente einer Rechtfertigungsprüfung, die jedoch nicht systematisch geordnet sind.

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3.3.2. "Vom Gesetz vorgesehen"

 

Der EGMR geht im Urteil Lautsi der Frage, ob das Schulkreuz vom Gesetz vorgesehen ist, nicht eigens nach, sondern scheint dies vorauszusetzen. Obwohl die italienische Regelung nicht in einem Gesetz im formellen Sinn, sondern nur in einer Verordnung enthalten ist, genügt sie den Anforderungen, die der EGMR in ständiger Rechtsprechung aufgestellt hat.

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3.3.3. Eingriffsziel "Rechte und Freiheiten anderer"

 

Von den in Art. 9 Abs. 2 EMRK genannten legitimen Eingriffszielen kommen im Fall Lautsi vor allem die "Rechte und Freiheiten anderer" in Betracht. Der EGMR spricht die Frage an, ob das Anbringen religiöser Symbole in Schulen durch das Begehren anderer Eltern gerechtfertigt werden kann, die eine religiöse Erziehung gemäß ihren persönlichen Überzeugungen wünschen (Z. 56). Selbst wenn es hier eher um die Rechtfertigungsprüfung in Bezug auf das Grundrecht des Art. 2 1. ZPMRK zu gehen scheint - im Urteil Lautsi werden bekanntlich beide Grundrechte miteinander vermischt -, so spricht der EGMR kurz davor doch auch davon, dass den Schülern, die das Kreuz als emotional störend empfinden, jene gegenüberstehen, für die es eine ermutigende Wirkung hat (Z. 55), was wieder mehr auf Art. 9 EMRK hindeutet. Jedenfalls ist bei sachgerechter Prüfung des Grundrechts des Art. 9 EMRK auf der Stufe der Rechtfertigung zu fragen, ob dem Anliegen der Beschwerdeführerin die Position anderer Betroffener entgegensteht, die sich auf den positiven Aspekt der Religionsfreiheit berufen können.

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3.3.4. Die positive Religionsfreiheit der anderen

 

Die positive Seite der Religionsfreiheit umfasst die Rechte, eine Religion zu haben, sich zu ihr zu bekennen und sie auszuüben. Dazu gehört unter anderem das Recht, religiöse Symbole zu zeigen und zu tragen.113 Außerdem bringt die positive Religionsausübungsfreiheit staatliche Schutzpflichten insofern mit sich, als der Staat verpflichtet ist, die Religionsausübung vor Beeinträchtigungen zu schützen.114 Diese Schutzpflichten treffen den Staat vor allem dort, wo er in besonderer Weise auf die Lebensgestaltung des Einzelnen Einfluss nimmt und die freie Ausübung der Religion daher leicht eingeschränkt werden könnte. Derartige Sonderstatusverhältnisse bestehen zum Beispiel in Haftanstalten, im Militär, bei der Polizei und eben auch in Schulen.115 Da Militärangehörige verpflichtet sind, über lange Zeiträume an festgelegten Orten Dienst zu tun, fehlt ihnen die Möglichkeit, aus freier Initiative religiöse Angebote in Anspruch zu nehmen. Deren bedürfen sie angesichts ihrer oft belastenden Aufgaben aber im Einzelfall umso mehr. Daher muss der Staat, um ihre Religionsausübungsfreiheit nicht zu beeinträchtigen, hier selbst Strukturen schaffen, zum Beispiel im Rahmen einer Militärseelsorge. In ähnlicher Weise muss er dafür Sorge tragen, dass Häftlinge seelsorglich betreut werden, ihre Religion nach Maßgabe der Haftbedingungen ausüben und dabei religiöse Gegenstände benützen können.116

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Auch Schüler befinden sich aufgrund der Schulpflicht in einem Sonderstatusverhältnis. Sie müssen einen beträchtlichen Anteil ihrer Lebenszeit in der Schule verbringen und sind dabei besonderen Belastungen ausgesetzt. Daher darf der Staat das Schulwesen nicht in einer Weise organisieren, dass die Religionsausübung hier unmöglich gemacht würde.117 Der Zwangscharakter der Schule, der vom EGMR herangezogen wurde, um die besondere Eingriffsintensität eines religiösen Symbols für areligiöse Schüler zu begründen, verlangt umgekehrt religiöse Betätigungsmöglichkeiten für religiöse Schüler. Dieser Aspekt, der den ersten relativiert und den die Straßburger Rechtsprechungsorgane für andere Sonderstatusverhältnisse bejaht haben,118 wird im Urteil Lautsi allerdings nicht entsprechend gewürdigt.

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Gewiss ginge es zu weit, aus der positiven Religionsfreiheit einen regelrechten Anspruch auf die Ausstattung von Klassenzimmern mit Kreuzen ableiten zu wollen. Der Zwangscharakter der Schule ist selbstverständlich weniger intensiv als jener einer Haftanstalt, in der echte Leistungsansprüche bestehen können. Dennoch sind die Kreuze an den Wänden in Klassenzimmern als ein Beispiel zu interpretieren, wie der Staat seiner Pflicht nachkommt, die Wahrnehmung der grundrechtlich garantierten Religionsausübungsfreiheit in der Schule zu ermöglichen. Völlig zutreffend werden sie daher in der Literatur als "Grundrechtsofferte" des Staates an Schüler und Eltern bezeichnet.119 Zugleich wird damit die Behauptung entkräftet, der Staat identifiziere sich dadurch mit einer bestimmten Religion oder wäre gar proselytierend tätig. Vielmehr stellt er wie bei der Militärseelsorge nur ein - in diesem Fall sogar sehr dezentes - Mittel zur Verfügung, von dem jeder nach Belieben Gebrauch machen kann.

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Dass aus der positiven Religionsfreiheit kein regelrechter Anspruch auf das Anbringen von Kreuzen abgeleitet werden kann, hindert indessen nicht, dass sie dennoch als legitimes Eingriffsziel zu berücksichtigen ist.120 Das Eingriffsziel "Rechte und Pflichten anderer" umfasst nämlich nicht nur individuelle Anspruchsrechte, die sich aus der EMRK ergeben. Der EGMR wendet diese Klausel in der ständigen Rechtsprechung vielmehr großzügig an, ohne immer einzelne Rechte von Betroffenen auszumachen. So genügte in den "Blasphemie-Fällen"121 zur Rechtfertigung das allgemeine Recht der Gläubigen, vor Störungen der Religionsfreiheit geschützt zu werden. Es musste nicht nachgewiesen werden, dass einzelne Gläubige ein subjektives Recht auf exakt jenes Mittel haben, das der Staat im konkreten Fall zum Schutz der positiven Religionsfreiheit für geeignet hält und dessen Grundrechtskonformität jeweils zu prüfen war. In den Kopftuch-Entscheidungen, die zum Schulkreuz-Urteil eine besondere sachliche Nähe aufweisen, ging der EGMR einfach davon aus, dass neben dem Eingriffsziel der öffentlichen Ordnung auch jenes der Rechte und Freiheiten anderer gegeben sei, ohne dabei konkrete Rechte und Freiheiten zu spezifizieren.122

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Gerade in diesen Fällen gab es offensichtlich kein aus der negativen Religionsfreiheit ableitbares subjektives Recht, von der Beschwerdeführerin, die sich auf ihre positive Freiheit beruft, die Abnahme des Kopftuchs zu verlangen. Dann kann aber auch umgekehrt nicht verlangt werden, dass die Befürworter des Schulkreuzes der Beschwerdeführerin, die sich auf ihre negative Freiheit beruft, ein aus der positiven Freiheit ableitbares subjektives Recht auf das Anbringen des Kreuzes entgegenhalten müssen. Vielmehr genügt hier wie dort, dass die zu prüfende Maßnahme durch die Gewährleistung eines anderen Grundrechts gerechtfertigt wird.123

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Im Fall Lautsi steht der negativen Religionsfreiheit der Beschwerdeführerin bzw. ihrer Kinder somit die positive Religionsfreiheit jener gegenüber, die das Schulkreuz als Ausdruck ihrer positiven Religionsfreiheit beibehalten wollen.124 Beide Aspekte der Religionsfreiheit sind grundsätzlich als gleichrangig anzusehen.125 Daher ist im nächsten Schritt zu prüfen, ob im konkreten Fall zwischen beiden Rechten ein ausgewogenes Verhältnis besteht oder ob der Grundrechtseingriff im Vergleich zum Eingriffsziel unverhältnismäßig stark ist.

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3.3.5. Verhältnismäßigkeitsprüfung

 

Fällt die Schrankenprüfung des EGMR im Urteil Lautsi insgesamt schon sehr kurz aus, so ist eine Verhältnismäßigkeitsprüfung überhaupt nur ansatzweise erkennbar. Immerhin gibt der EGMR zwei Hinweise, warum er zu dem Schluss kommt, dass die negative Religionsfreiheit überwiege bzw. dass der Eingriff durch die positive Religionsfreiheit anderer nicht hinreichend gerechtfertigt werden könne: Erstens sei der Staat in der öffentlichen Schule zur konfessionellen Neutralität verpflichtet (Z. 56f.) und zweitens diene das Anbringen eines Symbols der Mehrheitsreligion nicht dem erzieherischen Pluralismus, der für die Erhaltung einer demokratischen Gesellschaft wesentlich sei (Z. 56). Beide Argumente sind jedoch zu hinterfragen.

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(1) Konfessionelle Neutralität des Staates: Zunächst wäre zu ermitteln, was genau der EGMR unter konfessioneller Neutralität versteht. Es steht nicht von vornherein fest, dass die konfessionelle Neutralität des Staates bei der Abwägung von negativer und positiver Freiheit den Ausschlag für erstere geben muss. Im Gegenteil, der EGMR selbst hat in anderen Urteilen betont, dass der Staat sich nicht auf die konfessionelle Neutralität berufen darf, wenn es angebracht wäre, die freie Religionsausübung von Gläubigen aktiv zu schützen.126 Würde die Abwägung von vornherein zu Gunsten der negativen Freiheit ausfallen, so könnte man gerade nicht mehr von einer konfessionellen Neutralität des States sprechen. Dies liefe nämlich auf eine Bevorzugung der Konfessionslosigkeit bzw. areligiöser Weltanschauungen hinaus.127

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Einer konfessionellen Neutralität, die von vornherein der negativen Religionsfreiheit den Vorrang einräumt,128 läge ein laizistisches Verständnis zugrunde, nämlich die Verdrängung des Religiösen aus dem öffentlichen Raum.129 Eine derartige Auffassung von Laizität läuft auf lange Sicht Gefahr, die Religionsfreiheit, die sie ursprünglich schützen wollte, schließlich zu begrenzen.130 Die Kopftuch-Entscheidungen, die der EGMR bisher zu fällen hatte, kamen aus Ländern, die sich der Laizität verpflichtet wissen: So aus der Türkei, Frankreich und dem schweizerischen Kanton Genf.131 Dabei kam der EGMR jeweils zu dem Schluss, dass das auf der Laizität gründende Verbot, in öffentlichen Einrichtungen ein religiöses Symbol zu tragen, vor Art. 9 EMRK gerechtfertigt werden kann und die Religionsfreiheit somit nicht verletzt. Daraus kann jedoch nicht der umgekehrte Schluss gezogen werden, dass nur laizistische Systeme mit der Religionsfreiheit vereinbar wären.132 Wenn nun aber ein bestimmtes Verständnis konfessioneller Neutralität als Kriterium für die Beurteilung der Religionsfreiheit herangezogen wird, könnte der Eindruck entstehen, als müsse sich das Grundrecht an einem bestimmten staatlichen Leitbild und nicht vielmehr das staatliche System an diesem Grundrecht messen lassen.133

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In der Tat gibt es in den Konventionsstaaten unterschiedliche Auffassungen über die Neutralität des Staates.134 Hier sei kurz an die drei grundlegenden Modelle des Verhältnisses zwischen Staat und Religionen in Europa erinnert: das System einer Staatskirche, das System der radikalen Trennung und das Kooperationssystem. Grundsätzlich wird zwischen der ausgrenzenden und der hereinnehmenden Neutralität unterschieden.135 Gelegentlich wird auch zwischen säkularen und laizistischen Staaten unterschieden.136

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Einem radikalen Laizismus, der das Religiöse völlig aus der Öffentlichkeit verdrängen und ins Private abschieben möchte, ist der klare Wortlaut des Art. 9 Abs. 1 EMRK entgegenzuhalten, der nicht nur die private, sondern auch die öffentliche Religionsausübung unter den Schutz des Grundrechtes stellt. Gewiss sind verschiedene Begriffe des Öffentlichen zu unterscheiden:137 Öffentlichkeit im Sinne von Staatshoheit, öffentlich im Sinne von "die Gesamtheit der Bürger betreffend" und öffentlich im Sinne von "allgemein zugänglich". In der letztgenannten Bedeutung umfasst der Begriff der Öffentlichkeit z. B. die öffentlichen Straßen und Plätze. Dass das Zurschaustellen religiöser Symbole in diesem Bereich nicht generell verboten werden kann, ohne die Religionsfreiheit zu verletzen, hat der EGMR in einer Entscheidung, die nach dem Urteil Lautsi ergangen ist, klar gestellt.138 Auch wenn darin keine Trendwende in seiner Judikatur erkennbar ist, markiert diese Entscheidung doch jene Grenze, über die die Verdrängung religiöser Symbole auch in laizistischen Staaten keinesfalls hinausgehen darf. Die Problematik religiöser Symbole im Hinblick auf die Öffentlichkeit im erstgenannten Sinn139 braucht hier nicht näher erörtert zu werden, da für das vorliegende Thema vor allem die zweite Bedeutung von Interesse ist.

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In diesen Bereich fällt nun das Schulwesen. Hier hat der Staat die Eigengesetzlichkeit des religiösen Lebens und der religiös qualifizierten Kulturphänomene zu respektieren und nicht auszugrenzen.140 Religiöse und weltanschauliche Überzeugungen müssen sich, obwohl der Staat sich mit keiner von ihnen identifiziert, doch innerhalb des Staates frei entfalten können.141 In der Frage, wie weit die Religion in diesem Bereich einen Platz hat, unterscheidet sich das laizistische vom Kooperationssystem.142 Hier kann der Staat im Sinne der hereinnehmenden Neutralität agieren.143

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Italien hat sich in den letzten Jahrzehnten, vor allem seit dem Vertrag144 mit dem Heiligen Stuhl aus dem Jahr 1984, wie kaum ein anderes europäisches Land bemüht, sein religionsrechtliches System durch neue Ideen an die heutigen Herausforderungen, insbesondere an den zunehmenden religiösen Pluralismus, anzupassen. Dies geschah beispielsweise, indem auch mit anderen Religionsgemeinschaften Verträge abgeschlossen wurden, um auf deren Bedürfnisse eingehen zu können. So hat Italien prinzipiell ein Kooperationssystem verwirklicht und folgt in der Regel der hereinnehmenden Neutralität.145 Damit ist Religion aus dem öffentlichen Bereich nicht von vornherein ausgeschlossen. Im Zuge der angesprochenen Neuorientierung hat Italien auch die Schule für die religiöse Vielfalt geöffnet: Für alle anerkannten Religionen besteht die Möglichkeit eines fakultativen Religionsunterrichts. Die Gemeinschaften mit Vertragsstatus können Schulseelsorger bestellen, religiöse Symbole neben dem Kreuz sind zugelassen, auf Feiertage und Gebräuche kleinerer Religionsgemeinschaften wird Rücksicht genommen. Es greift daher zu kurz, wenn der EGMR das Kreuz isoliert ohne dieses pluralistische Umfeld betrachtet, um dann eine einseitige Privilegierung zu konstatieren.146 Kreuze in profanen säkularen Räumen können gerade die Säkularität des Staates unterstreichen, indem sie an einen Bereich erinnern, der dem Zugriff des Staates entzogen ist.147

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Wenn der EGMR aus der "konfessionellen Neutralität" folgert, dass öffentliche Einrichtungen frei von religiösen Symbolen bleiben müssen, setzt er hingegen ein Laizitätsverständnis französischen Zuschnitts voraus und versucht, dieses auf Italien zu übertragen. Dabei hält nicht einmal Frankreich die Religion von den öffentlichen Schulen völlig fern. An zahlreichen staatlichen Schulen sind Seelsorgestationen ("aumôneries") eingerichtet, um der positiven Religionsfreiheit von Schülern und Eltern Rechnung zu tragen.148 Des Weiteren wird im Anschluss an den vom Bildungsministerium in Auftrag gegebenen Bericht Debray149 die Einführung eines für alle Schüler verpflichtenden Unterrichts über religiöse Fakten vorgeschlagen.150 Der französische Staatspräsident Sarkozy151 kündigte an, die Laizität neu interpretieren zu wollen. All das verdeutlicht, dass es nicht opportun wäre, in einer Zeit gesellschaftlicher Umbrüche, in der die Staaten auf der Grundlage ihrer Traditionen kreativ nach neuen Lösungen für ihre Situation suchen, allen ein überkommenes Modell überstülpen zu wollen.

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Die EMRK zielt ohnehin nicht darauf ab, ein bestimmtes System unter den Konventionsstaaten zu privilegieren.152 Das radikal-laizistische System stellt unter den Staaten des Europarats eher die Ausnahme als die Regel dar.153 In den Kopftuch-Entscheidungen rechtfertigte der EGMR den Eingriff in die positive Religionsfreiheit damit, dass die Staaten bei der Abwägung der Eingriffsziele einen Beurteilungsspielraum haben.154 Daher ist nicht verständlich, warum der EGMR im Fall Lautsi das von ihm entwickelte Prinzip vom Beurteilungsspielraum bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht einmal erwähnt, obwohl er das gesamte Urteil auf die allgemeinen Prinzipien seiner ständigen Rechtsprechung stützen will (Z. 47) und die italienische Regierung sich in ihrer Entgegnung auf die Beschwerde ausdrücklich darauf berufen hat (Z. 38 und 41). Es ist nicht ersichtlich, warum laizistische Staaten angesichts der Frage religiöser Symbole in öffentlichen Einrichtungen bei einem Eingriff in die positive Religionsfreiheit einen Beurteilungsspielraum zugestanden bekommen, Staaten, die die hereinnehmende Neutralität verwirklichen, bei einem Eingriff in die negative hingegen nicht.

68

(2) Pluralismus in demokratischer Gesellschaft: Wenn der EGMR nicht sieht, wie das religiöse Symbol einer bestimmten Religion dem erzieherischen Pluralismus dienen könnte, der für die Bewahrung einer demokratischen Gesellschaft wesentlich ist (Z. 56), dann muss er sich die Gegenfrage gefallen lassen, wie denn das Fehlen jeglichen Symbols den Pluralismus besser verwirklichen könnte. Man müsste sogar fragen, ob die Entfernung religiöser Symbole nicht eher die Intoleranz fördert als den Pluralismus.155 In anderen Urteilen wird der EGMR nicht müde, zu betonen, dass die Aufgabe des Staates darin besteht, Toleranz herzustellen und nicht den Pluralismus zu beseitigen.156 Drohenden Fundamentalismus oder politischen Extremismus als Begründung für ein Verbot religiöser Symbole in öffentlichen Einrichtungen heranzuziehen, wie dies der EGMR in einigen Entscheidungen zur Türkei tat,157 wäre im Hinblick auf das Schulkreuz in Italien jedenfalls absurd.

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Was den Pluralismus betrifft, so entwickelte der EGMR in den Kopftuch-Entscheidungen das Prinzip, wonach es in demokratischen Gesellschaften, in denen mehrere Religionen existieren, notwendig sein kann, Beschränkungen der Religionsfreiheit vorzunehmen, um die Interessen der unterschiedlichen Gruppen zu berücksichtigen und sicherzustellen, dass der Glaube von allen respektiert wird.158 Dieses Prinzip hielt er den Beschwerdeführerinnen entgegen, wenn sie zu sehr auf ihre positive Religionsfreiheit pochten, ohne auf andere Interessensgruppen in der Gesellschaft Rücksicht zu nehmen, deren negative Religionsfreiheit zu schützen wäre. Es ist nicht verständlich, warum er dieses Prinzip im Urteil Lautsi nicht in Erinnerung ruft, um die negative Religionsfreiheit der Beschwerdeführerin in ein angemessenes Verhältnis zur positiven Religionsfreiheit anderer Gruppen zu bringen.159 Die Religionsfreiheit anderer zu berücksichtigen erscheint, wie bereits dargelegt, sogar notwendig, um den Pluralismus in der demokratischen Gesellschaft zu bewahren.

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(3) Sachliche Kriterien, die unberücksichtigt blieben: Konfessionelle Neutralität bedeutet nicht, dass der Staat in keinem Fall zwischen verschiedenen Religionen und Weltanschauungen differenzieren dürfte; sie bedeutet nur, dass er dabei nach sachlichen und objektiven Kriterien vorgehen muss. Solche Kriterien, die auf der Stufe der Verhältnismäßigkeitsprüfung zur Abwägung zwischen verschiedenen Rechten dienen, hat der EGMR im Laufe seiner Rechtsprechungstätigkeit immer wieder anerkannt. Für den Fall Lautsi sind die Kriterien der Größe sowie der geschichtlichen Bedeutung von Relevanz.

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Im Fall Otto-Preminger-Institut ging es darum, staatliche Maßnahmen gegen die Verbreitung eines blasphemischen Films zu prüfen. Der EGMR hielt den Grundrechtseingriff für gerechtfertigt, weil er dem Schutz der Religionsfreiheit der überwältigenden Mehrheit in der Bevölkerung der betroffenen Region diente (Z. 52 und 56).160 Religiöse Feiertage161 und die Baugenehmigung für Kultgebäude162 dürfen sich legitimerweise nach der Größe der betreffenden Religionsgemeinschaft im jeweiligen Gebiet richten. Selbst im Urteil Şahin stützte sich der EGMR auf die Einstellung der Bevölkerungsmehrheit, um den Grundrechtseingriff zu rechtfertigen (Z. 115). Was das Thema "Religion und Schule" betrifft, hielt der EGMR erst jüngst im Urteil Folgerø fest, dass die Geschichte und Tradition einer bestimmten Religion in einem Land es rechtfertigt, dass ihr in einem für alle Schüler verpflichtenden nicht-konfessionellen Religionsunterricht mehr Raum gewidmet wird als anderen (Z. 89). Dieses Prinzip hat er im Urteil Zengin bestätigt (Z. 63) und in der Weise weiterentwickelt, dass einem Glauben, der im betreffenden Land sehr verbreitet und verwurzelt ist, in einem derartigen Religionsunterricht genügend Raum eingeräumt werden muss (Z. 67).163 Hätte der EGMR auch im Urteil Lautsi die Abwägung nach diesen etablierten Kriterien vorgenommen, so hätte er eindeutig zu dem Ergebnis kommen müssen, dass die Präsenz von Kreuzen in italienischen Schulklassen leicht gerechtfertigt werden kann, da dieses religiöse Symbol der überwiegenden Mehrheit der italienischen Bevölkerung sowie der zweitausendjährigen Geschichte und Tradition dieses Landes entspricht.164

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Stattdessen scheint der EGMR im Urteil Lautsi eher zu versuchen, gegen diese Prinzipien zu argumentieren. Gewiss ist sein Bestreben zu begrüßen, die Rechte von Minderheiten in Anbetracht einer überwältigenden Bevölkerungsmehrheit hervorzuheben (Z. 55).165 Angesichts mancher populistischer Tendenzen kann nicht genügend betont werden, dass Menschenrechte jedem Menschen unabhängig davon zustehen, ob er der Mehrheit oder einer Minderheit angehört.166 Sie bilden gerade in Demokratien jenen veränderungsfesten Rechtsbestand, der keinen Abstimmungsverhältnissen unterworfen werden kann.167 Im Fall Lautsi geht es jedoch nicht darum, einer Person ein Recht abzusprechen, weil sie einer Minderheit angehört, sondern es geht darum, dass sich auf der Stufe der Schrankenprüfung zwei gleichrangige Grundrechte gegenüberstehen, die nicht gleichzeitig und gleichermaßen voll verwirklicht werden können. Daher muss zwischen ihnen ein angemessener Ausgleich gefunden werden. Um in diesem Dilemma zu einer Entscheidung zu kommen, sind Abwägungskriterien erforderlich. Das Mehrheitsprinzip bildet hier ein objektives, allgemein anerkanntes und gewiss nicht undemokratisches Kriterium.168 Die Abwägungskriterien der Bevölkerungsmehrheit und der Tradition bzw. Geschichte des Landes geben bei der Abwägung also den Ausschlag für die positive Religionsfreiheit und rechtfertigen damit einen eventuellen Eingriff.

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(4) Faire Balance: Gewiss ist das Anliegen, auch die Minderheitenposition entsprechend zu berücksichtigen, nicht völlig von der Hand zu weisen. Dies müsste jedoch auf andere Weise erfolgen, als es im Urteil Lautsi geschieht. Die Grundsätze für den Umgang mit derartigen heiklen Situationen hat der EGMR bereits in den Kopftuch-Entscheidungen angewandt, doch erwähnt er sie im Urteil Lautsi unverständlicherweise nicht. Sie besagen, dass Pluralismus nicht automatisch bedeutet, dass die stärkere Gruppe den Vorrang haben muss. Vielmehr müsse eine Balance gesucht werden, die die faire Behandlung der Minderheit erlaubt und den Missbrauch von dominierenden Positionen verhindert. Hieraus könne die Notwendigkeit folgen, dass der Staat Rechte und Freiheiten der EMRK zum Schutze der Rechte und Freiheiten anderer einschränkt. In diesem Zusammenhang müsse der nationalen demokratischen Entscheidung besonderes Gewicht zukommen.169

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In diesem Grundsatz kommt die Sorge zum Ausdruck, keine der beiden Seiten zu verabsolutieren.170 Auch wenn das Mehrheitsprinzip legitimerweise der Mehrheitsposition den Ausschlag gibt, so erscheint es doch angemessen, eine Balance mit der Minderheitenposition zu suchen, um diese fair zu behandeln. Bemühungen um eine derartige Balance sind im Urteil Lautsi jedoch nicht zu finden.171 Vielmehr trifft der EGMR eine Entweder-Oder-Entscheidung, welche die negative Religionsfreiheit verabsolutiert und der positiven keinen Raum lässt.172 So wird kein Lösungsweg deutlich, wie beide in fairer Weise miteinander vereinbart werden könnten. Dass der EGMR entgegen seinem eigenen Prinzip der nationalen Entscheidung kein Gewicht beimisst, braucht hier nicht mehr erwähnt zu werden.

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Was der EGMR mit der "fairen Balance" meint, wird in der Grundrechtsdogmatik als "praktische Konkordanz" bezeichnet, die bei Grundrechtskollisionen zu suchen ist.173 Das Ziel ist nicht, dass sich ein Grundrecht gegen das andere durchsetzt, sondern dass ein schonender Ausgleich gefunden wird, der die Verwirklichung beider Positionen möglichst weitgehend ermöglicht. Die negative Seite der Religionsfreiheit verbürgt keinesfalls das Recht, die positive Ausübung des Grundrechts anderer zu behindern.174 Im Anschluss an den Kruzifix-Beschluss des deutschen BVerfG haben die juristische Lehre und der bayerische Gesetzgeber eine derartige praktische Konkordanz gesucht.175

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In diesem Zusammenhang wird oft an den Wert der Toleranz erinnert. Der EGMR selbst erblickt, wie bereits erwähnt, eine Aufgabe des Staates darin, für Toleranz zwischen den widerstreitenden Gruppen zu sorgen.176 Diese wird als Kehrseite der Grundfreiheiten177 bzw. als deren Komplementärprinzip178 gesehen, das notwendig ist, um den Bestand entgegengesetzter Rechte zu sichern.179 Bei dieser Argumentation ist allerdings Vorsicht geboten: Erstens kann es keine rechtliche Pflicht zur Toleranz geben,180 da diese Haltung vom Staat nicht angeordnet, sondern nur gefördert werden kann, indem er günstige Bedingungen dafür schafft.181 Zweitens kann jedem, der für seinen Standpunkt Toleranz einfordert, entgegengehalten werden, dass das Toleranzgebot auch für ihn gilt und er ebenso den Gegenstandpunkt zu tolerieren habe. Kollisionen subjektiver Rechte können damit nicht gelöst werden. Der Richter kann die Streitparteien zur Toleranz mahnen, aber wenn eine Partei sich nicht in dieser Tugend üben will, sondern die Verletzung eines Rechtes geltend macht, muss er eine Entscheidung treffen. Drittens beinhaltet Toleranz entgegen einer verbreiteten Ansicht nicht eine indifferente Haltung gegenüber verschiedenen Anschauungen. Vielmehr setzt Toleranz voraus, dass jemand von den eigenen Lebens- und Kulturwerten überzeugt ist. Wenn er nun von anderen verlangt, diese Werte zu tolerieren, so muss er selbst auch die Werte der anderen tolerieren, die mit demselben Anspruch auftreten, damit er sich nicht selbst widerspricht.182 Wenn der Staat einen Ausgleich im Sinne der praktischen Konkordanz sucht, dann fördert er einerseits ein Klima der Toleranz und setzt ein solches andererseits voraus, aber er wendet nicht ein wie immer geartetes "Toleranzprinzip" an.

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Am Ende der Grundrechtsprüfung gemäß Art. 9 EMRK kann festgehalten werden, dass das Vorliegen eines Grundrechtseingriffs zu verneinen ist. Falls in besonders gelagerten Fällen ein Eingriff doch bejaht werden kann, wird er mit dem Schutz der positiven Religionsfreiheit ohne weiteres zu rechtfertigen sein. Da die Eingriffsqualität ohnehin gering ist, müssen an die rechtfertigenden Ziele keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden. Möchte man dennoch auch die negative Religionsfreiheit entsprechend würdigen, so wäre eine Lösung im Sinne der praktischen Konkordanz zu suchen, anstatt sie zu verabsolutieren.

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Zur Abrundung dieses Kapitels soll hier ein Vergleich mit dem Schutz religiöser Feiertage gezogen werden. Einige Überlegungen, die in diesem Kapitel angestellt wurden, können damit noch deutlicher hervortreten, auch wenn die beiden Themen nicht in jeder Hinsicht miteinander vergleichbar sind. Sowohl die Feiertage als auch die Symbole sind deutungsoffen. Gläubige Menschen messen ihnen eine religiöse Bedeutung bei. Sie dienen ihnen zur Religionsausübung und sind für sie somit ein aus der Religionsfreiheit fließendes Angebot. Gleichzeitig sind auch andere Deutungen möglich: Sonn- und Feiertage als kulturelle Errungenschaften, als Möglichkeit für Freizeitaktivitäten, Sozialkontakte und das Familienleben sowie als Arbeitsruhe zur Förderung der Gesundheit. Derartige von allen Menschen vertretbare Ziele sowie die Verankerung in der Konfession der Mehrheit und in der Tradition des jeweiligen Landes rechtfertigen es, dass auch Menschen, die die betreffende Religion nicht teilen, die entsprechenden arbeits- und gewerberechtlichen Vorschriften einhalten. Im Übrigen ist es ihnen unbenommen, diese Tage einfach zu ignorieren. Für Angehörige anderer Religionen ist eine eigene Lösung zu finden. Es wäre nicht möglich, die Feiertage aller Religionen zu allgemeinen Feiertagen zu erklären. Sie können aber individuell von beruflichen Verpflichtungen freigestellt werden, um z. B. an Gottesdiensten teilzunehmen. Ähnlich ist es auch beim Schulkreuz jedem frei gestellt, wie er es deutet oder ob er es ignoriert. Für Angehörige anderer Religionen kann es Alternativen geben wie etwa die private Verwendung von Symbolen. Es wäre absurd, etwa in den schulfreien Tagen zu Weihnachten eine Grundrechtsverletzung zu erblicken, weil der Staat damit eine bestimmte Religion privilegieren würde. Die Entscheidungen der Straßburger Instanzen zum Sonn- und Feiertagsschutz liegen auf der hier skizzierten Linie.183 Deshalb wäre es naheliegend, Symbole, die in Schulen vorhanden sind, ähnlich zu behandeln, wie "zeitliche Symbole", die den öffentlichen Kalender prägen.

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4. Alternative Prüfung nach Art. 2 1. ZP EMRK

 

4.1. Schutzbereich

 

Die beiden Sätze des Art. 2 1. ZPMRK enthalten zwei verschiedene Grundrechte, mit denen Pflichten des Staates verbunden sind. Der erste Satz verbürgt ein allgemeines Recht auf Bildung, das eine Gewährleistungspflicht des Staates bezüglich der Einrichtung eines Schulwesens impliziert. Der zweite Satz legt die Pflicht des Staates fest, bei der Ausübung der von ihm auf dem Gebiet der Erziehung und des Unterrichts übernommenen Aufgaben das Recht der Eltern zu achten, die Erziehung und den Unterricht entsprechend deren religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen sicher zu stellen.

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Im Unterschied zu Art. 9 EMRK gibt Art. 2 1. ZPMRK von seinem Wortlaut her keinen Hinweis auf das dreistufige grundrechtsdogmatische Prüfungsschema. Dieses soll hier aber ebenso zugrunde gelegt werden, da es sich auch bei Satz 2 um ein Abwehrrecht handelt. In der Tat wäre zudem nicht ersichtlich, wie eine sorgfältige Grundrechtsprüfung ohne diese drei Schritte auskommen sollte. Der EGMR selbst legt Art. 2 1. ZPMRK in ständiger Rechtsprechung im Lichte der Art. 8-10 EMRK aus, die allesamt ähnliche Schrankenregelungen enthalten. Außerdem besagt das 1. ZPMRK in Art. 5 selbst, dass die Vorschriften entsprechend der Konvention anzuwenden sind. Die beiden Rechte, die Art. 2 enthält, fungieren bereits gegenseitig als Schranken. Außerdem sind die Rechte und Freiheiten anderer selbstverständlich immer als ungeschriebene Schranken zu beachten.184 Gemäß dem Prüfungsschema ist also zunächst der Schutzbereich zu klären.

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Die Beschwerdeführerin im Fall Lautsi beruft sich auf das zweitgenannte Recht. Der persönliche Schutzbereich dieses Rechts beschränkt sich auf die Eltern und jene, die ihre Stelle einnehmen. Während das Recht des ersten Satzes auch Kindern zukommt und von den Eltern für diese geltend gemacht werden kann, steht das Recht des zweiten Satzes den Eltern selbst zu. Sie nehmen hier also ihr eigenes subjektives Recht wahr.185

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Der Abgrenzung des sachlichen Schutzbereichs dient vor allem die Umschreibung der Begriffe "achten" sowie "religiöse und weltanschauliche Überzeugungen". Der Begriff der "religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen" ("convictions religieuses et philosophiques" bzw. "religious and philosophical convictions") ist weiter gefasst als jener der "Religion" bzw. "Weltanschauung" nach Art. 9 EMRK. Zwar erreicht nicht jede Meinung oder Vorstellung den Grad einer "Überzeugung", sondern bedarf dazu einer gewissen Strenge, Ernsthaftigkeit, Geschlossenheit und Wichtigkeit,186 doch ließ der EGMR im Urteil Campbel und Cosans187 bereits die Ablehnung körperlicher Züchtigung als Erziehungsmethode genügen, ohne dafür ein Gesamtsystem einer bestimmten Weltdeutung zu verlangen. Gewiss kann auch die Ablehnung religiöser Symbole in der Erziehung unter Art. 2 1. ZPMRK subsumiert werden.

83

Zur Abgrenzung des sachlichen Schutzbereichs gehört ferner die Deutung des Begriffs "auf dem Gebiet der Erziehung und des Unterrichts übernommene Aufgaben" ("fonctions qu'il assumera dans le domaine de l'éducation et de l'enseignement" bzw. "functions which it assumes in relation to education and to teaching"). Diesen Begriff interpretiert der EGMR sehr weit, so dass nicht nur die Lehrinhalte und -methoden dazu gehören, sondern alle Funktionen des Staates.188 Die Gestaltung der Lehrpläne fällt nach einem Grundsatz der ständigen Rechtsprechung zwar in den Spielraum der einzelnen Konventionsstaaten,189 doch ging der EGMR zuletzt sogar so weit, die Schulstufe und das Ausmaß zu beanstanden, in der bzw. in dem bestimmte religionskundliche Inhalte gelehrt werden (Zengin Z. 67). Die Ausstattung von Klassenzimmern ist keine Frage des Lehrplans, dürfte aber unter den vom EGMR sehr weit gefassten Begriff der Funktionen des Staates fallen.

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Die Pflicht des Staates im Hinblick auf die Überzeugungen der Eltern wird mit dem Begriff des Achtens ("respectera" bzw. "respect") umschrieben. Bewusst wurde ein Ausdruck gewählt, der stärker ist als "in Betracht ziehen" oder "berücksichtigen" und somit positive Verpflichtungen des Staates ebenso umfasst.190 Andererseits geht der Begriff des Achtens nicht so weit, dass die Eltern ein Recht darauf hätten, dass die Kinder in der Schule gemäß ihren Anschauungen erzogen werden.191 Evans beobachtet, dass die Tendenz der Straßburger Organe, den Begriff der weltanschaulichen Überzeugungen weit auszulegen, mit der gegenläufigen Tendenz, nämlich den Begriff des Achtens immer enger zu verstehen, einhergeht.192 Bei der Eingriffsprüfung wird daher zu klären sein, ob die Ausstattung von Klassenzimmern mit Kreuzen im konkreten Fall bereits eine fehlende Achtung für Eltern bedeutet, die dies nicht wollen.

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4.2. Eingriff

 

Zunächst ist festzuhalten, dass EKMR und EGMR in ständiger Rechtsprechung folgendes Prinzip gefestigt haben: Die Eltern haben nach Art. 2 1. ZPMRK kein Recht, vom Staat zu verlangen, das Schulwesen in einer bestimmten Art und Weise auszugestalten, die ihren Anschauungen entspricht.193 Ebenso wenig enthält dieser Artikel ein Recht darauf, dass die Kinder in der Schule vor der Berührung mit anderen Anschauungen bewahrt bleiben.194 Deshalb hindert nach EKMR und EGMR das Elternrecht den Staat nicht, direkt oder indirekt religiöse, weltanschauliche und ethische Inhalte in das Schulprogramm aufzunehmen.195 Wenn er dies tut, kann er dem Recht der Eltern auf Achtung ihrer Anschauungen in zweierlei Weise gerecht werden. Erstens kann der Unterricht auf objektive, kritische und pluralistische Weise gehalten werden, so dass es zu keiner Indoktrination kommt, die nach der ständigen Rechtsprechung die Grenze bildet, die nicht überschritten werden darf.196 Zweitens können, falls der Unterricht konfessionell oder weltanschaulich gebunden ist, Ausnahmemöglichkeiten vorgesehen werden. Das ergibt sich aus der ständigen Rechtsprechung.197

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Was gilt nun bezüglich des Schulkreuzes? Was die Indoktrination betrifft, so stellt sich generell die Frage, ob bei der bloßen Präsenz eines Kreuzes, das weder in appellativer noch in anderen beeinflussender Weise in die Lehrtätigkeit einfließt, überhaupt von einer Indoktrinierung gesprochen werden kann. Diese setzt nämlich rein begrifflich eine "Doktrin", also ein Lehren in einer bestimmten Richtung voraus. Allein die Ausstattung des Raumes mit einem religiösen Symbol, für das jedem freigestellt ist, wie er es deutet und ob er es überhaupt zur Kenntnis nimmt, wird nicht als "Indoktrinieren" bezeichnet werden können. Im Urteil Lautsi führt der EGMR das Prinzip hinsichtlich der Indoktrination nur unter den allgemeinen Prinzipien (Z. 47.d) an, erwähnt es dann aber bei der Anwendung der Prinzipien - wohl mit gutem Grund - nicht mehr. Die Tatsache, dass ein bestimmter Unterricht auf das Christentum fokussiert ist, impliziert nach EKMR (Angeleni) und EGMR (Folgerø Z. 89) keine Indoktrination. Dann kann aber das bloße Symbol des Christentums, das mit keiner bestimmten Unterrichtstätigkeit verbunden ist, erst recht keine Indoktrination bedeuten.198 Wenn der Unterricht insgesamt tolerant, paritätisch und pluralistisch ist, dann hat das Kreuz wohl keine einseitig prägende oder gar indoktrinierende Wirkung.199 Im konkreten Zusammenhang mit bestimmten schulischen Gegebenheiten oder mit dem Unterrichten bestimmter Lehrer, kann ein intensiverer Einfluss freilich nicht ausgeschlossen werden.200 Der EGMR lehnt es in der Regel jedoch ab, derartige Eventualitäten in abstracto zu prüfen. Auch wenn somit das Vorliegen einer Indoktrination grundsätzlich verneint werden kann, soll hier dennoch auch die zweite Weise, wie das Elternrecht geachtet werden kann, nämlich die Gewährung von Ausnahmemöglichkeiten, besprochen werden.

87

Dass die Ausweichmöglichkeiten in Bezug auf das Schulkreuz wegen des besonderen Charakters eines Symbols anders geartet sind als beim Religionsunterricht oder bei religiösen Übungen und dass solche Ausweichmöglichkeiten tatsächlich bestehen, wurde bereits oben (Abschnitt 3.2.4.) ausführlich dargelegt. Da die Straßburger Organe in dieser Frage zu Art. 9 EMRK und Art. 2 1. ZPMRK die gleichen Grundsätze entwickelt haben, müssen sie hier nicht wiederholt werden. Hinsichtlich des Elternrechts ist nur zu ergänzen, dass sich aus Art. 2 1. ZPMRK kein Recht ergibt, den Schulunterricht durch häuslichen Unterricht zu ersetzen - und zwar selbst dann nicht, wenn der Schulunterricht den Anschauungen der Eltern nicht entspricht.201 Es kann daher nicht verlangt werden, dass die Ausweichmöglichkeiten, die zur Achtung der elterlichen Überzeugungen notwendig sind, derart massiv sind.

88

Wie die EGMR-Urteile Efstratiou und Valsamis zeigen, ist eine Befreiungsmöglichkeit nicht immer erforderlich. In diesen Fällen suchten die Eltern, jeweils Zeugen Jehovas, bei der Schulleitung um Befreiung ihrer Kinder von der Teilnahme am Religionsunterricht, am Schulgottesdienst und an den Feierlichkeiten zum griechischen Nationalfeiertag an. Die schulischen Autoritäten gewährten nur das Fernbleiben von Religionsunterricht und Schulgottesdienst, nicht aber von den Zeremonien am Nationalfeiertag. Letztere waren mit Schul- und Militärparaden verbunden und widersprachen der religiösen und pazifistischen Gesinnung der Eltern. Denn dabei wird des Kriegsausbruches gedacht und die Parade der Schüler, die auf eine offizielle Messe folgt, wird am selben Tag wie die Militärparade vor zivilen, kirchlichen und militärischen Autoritäten gehalten. Da die Kinder ihre Teilnahme verweigerten, wurden sie von der Schule mit einzelnen Tagen Schulausschluss bestraft. Der EGMR erblickte in diesen Fällen, obwohl der Eingriff in die Grundrechte durch die Bestrafung noch verstärkt wurde, keine Verletzung von Art. 2 1. ZPMRK und auch nicht von Art. 9 EMRK.

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Was die Notwendigkeit einer Ausnahmemöglichkeit betrifft, bewertet der EGMR Religionsunterricht und Schulgottesdienst - er betont ausdrücklich, dass hier Dispensen gewährt wurden202 - hier also anders als die Schulparade. Dies kann nur damit zusammenhängen, dass eine Teilnahme in den ersten beiden Fällen eine konfessionelle Identifizierung der Schüler mit einer bestimmten Glaubensrichtung einschlösse.203 Im letzten Fall hingegen sind die religiösen bzw. militärischen Elemente nur im Umfeld der schulischen Veranstaltung vorhanden, ohne eine bestimmte Einstellung der Lernenden vorauszusetzen oder zu suggerieren. Überträgt man dies auf die Frage des Schulkreuzes, so muss man feststellen, dass das religiöse Symbol auch hier nur im Umfeld des Schülers vorhanden ist, aber keine aktive Stellungnahme verlangt. Folglich ist hier eine Ausnahmemöglichkeit ebenso wenig erforderlich wie in den Fällen Efstratiou und Valsamis. Im Urteil Lautsi weicht der EGMR von diesem Prinzip jedoch ohne nähere Begründung ab und lässt eine in ihren Auswirkungen rechtlich kaum fassbare, rein "atmosphärische" Gegebenheit im äußeren Umfeld genügen.

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Die Urteile Efstratiou und Valsamis sind außerdem im Hinblick auf das Problem der Deutung interpretationswürdiger Motive aufschlussreich. Die subjektive Auffassung der Beschwerdeführer, wonach die Parade ihren religiösen und pazifistischen Überzeugungen widerspricht, ist gewiss nicht unplausibel. Dennoch hält ihr der EGMR die Interpretation Griechenlands entgegen, der er sich auch selbst anschließt. Der zufolge dient die Veranstaltung gerade pazifistischen Zielen und die Militärparaden verändern diesen Charakter nicht (Valsamis Z. 30; Efstratiou Z. 31). Auf die Sache Lautsi bezogen, hieße dies, dass die subjektive Deutung eines Symbols durch die Beschwerdeführerin, auch wenn sie nachvollziehbar ist, gemäß der subjektiv-objektiven Kontrolle des EGMR doch ergänzt werden muss durch die Auslegung des Verwenders des Symbols, so dass nicht die eingriffsintensivste, sondern durchaus eine grundrechtskonforme Interpretation zum Tragen kommt.

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Schließlich muss noch auf ein weiteres allgemeines Prinzip aufmerksam gemacht werden, das der EGMR in ständiger Rechtsprechung entwickelt, im Urteil Lautsi jedoch nicht erwähnt hat. Es besagt, dass trotz schulischer Maßnahmen, die den Anschauungen der Eltern entgegenstehen können, keine Verletzung des Art. 2 1. ZPMRK vorliegt, wenn es den Eltern unbenommen bleibt, ihre Kinder aufzuklären und sie zu beraten, ihnen gegenüber die natürlichen elterlichen Aufgaben als Erzieher auszuüben und sie in Übereinstimmung mit ihren religiösen oder weltanschaulichen Überzeugungen zu leiten.204 Dieses Prinzip hielt der EGMR den Eltern in den schon erläuterten Fällen Efstratiou (Z. 32) und Valsamis (Z. 31) entgegen, sowie unter anderem in einem Fall, in dem christliche Eltern ihre Kinder zu Hause statt in der Schule ausbilden wollten (Konrad Z. 1). Ferner war dies in einer Sache der Fall, in der sich christliche Eltern gegen den Sexualkundeunterricht in der Schule wandten (Kjeldsen Z. 54) sowie in einer Angelegenheit, in der sich muslimische Eltern gegen das Kopftuchverbot in der Schule wandten (Köse). In allen diesen Fällen waren die schulischen Vorgaben, die den Überzeugungen der Eltern widersprachen, weit intensiver als das bloße Vorhandensein eines religiösen Symbols im Klassenzimmer, da sie in einem aktiven Handeln des Schulpersonals bzw. in einem Verbot des Zutritts bestanden. So ist nicht zu sehen, wie ein Schulkreuz, das nicht in belehrender Weise in den Unterricht einbezogen wird, das Recht der Eltern, ihre Kinder nach den eigenen Überzeugungen zu erziehen, beeinträchtigen könnte.205 Solange das Ziel einer autonomen Persönlichkeitsbildung im religiös-weltanschaulichen Bereich gewahrt ist, bleibt dem elterlichen Erziehungswillen genügend Raum, um dem Kind die eigenen Vorstellungen zu vermitteln.206

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Ein Eingriff in das elterliche Erziehungsrecht durch das Schulkreuz kann somit nicht festgestellt werden. Allein für den Fall, dass in besonders gelagerten Situationen doch einmal ein Eingriff zu bejahen wäre, wird im Folgenden die Rechtfertigung eines solchen Eingriffs geprüft.

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4.3. Schranken

 

Hinsichtlich des Erziehungsrechts der Beschwerdeführerin im Fall Lautsi kommen zwei mögliche Schranken in Betracht: Das Bildungsrecht gemäß Art. 2 Satz 1 1. ZPMRK und das Erziehungsrecht anderer Eltern gemäß Art. 2 Satz 2 1. ZPMRK.

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Die beiden Grundrechte, die Art. 2 1. ZPMRK verbürgt, stehen bisweilen in einem Spannungsverhältnis zueinander und fungieren gegenseitig als Schranken.207 Bei der Mehrzahl der entsprechenden Fälle hielten die Straßburger Organe fest, dass das Recht der Eltern auf religiöse und weltanschauliche Erziehung der Kinder nicht so weit reichen kann, dass es das Recht der Kinder auf Bildung beeinträchtigt. Dies könnte beispielsweise der Fall sein, wenn Eltern ihre Kinder vom Schulbesuch abhalten, weil sie mit der weltanschaulichen Ausrichtung der Schule nicht einverstanden sind. In dieser Hinsicht kann von einem Vorrang des Bildungsrechts vor dem Elternrecht gesprochen werden.208 Eine vergleichbare Konstellation liegt im Fall Lautsi jedoch nicht vor.

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Daneben enthält der erste Satz, eine Kompetenzzuweisung an die Staaten als Folge ihrer Verpflichtung: Die Staaten sind verpflichtet und deswegen auch kompetent, ein Schulsystem zu errichten, wobei ihnen ein ziemlich weiter Gestaltungsspielraum bleibt. Nun gehört zur staatlichen Zuständigkeit zweifellos die Ausstattung der Klassenzimmer. Man könnte also damit argumentieren, dass das Elternrecht durch die Kompetenz des Staates eingeschränkt ist, generelle Anordnungen für das Schulwesen zu treffen, zu denen auch das Anbringen von Schulkreuzen gehört. So haben zahlreiche Autoren am Kruzifix-Beschluss des deutschen BVerfG bemängelt, dass es die staatliche Schulkompetenz nach Art. 7 GG, die der Religionsfreiheit und dem Elternrecht vorgeht, zu wenig berücksichtigt habe.209 Im Hinblick auf das System der EMRK und ihrer Zusatzprotokolle muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass diese einer staatlichen Verfassung, die einen regelrechten Kompetenzkatalog beinhaltet, nicht gleichkommen. Vielmehr ist die hier umschriebene "Kompetenz" nur aus einem staatsgerichteten Grundrecht abgeleitet und kann daher nicht mehr beinhalten, als zur Gewährleistung dieses Rechts erforderlich ist. Zu Recht haben EKMR und EGMR darauf bestanden, dass die Eltern - d.h. nicht der Staat - für die Erziehung primär verantwortlich sind.210

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Die zweite Schranke, die in Betracht kommt, ist das Erziehungsrecht anderer Eltern, die auf der Grundlage von Art. 2 Satz 2 1. ZPMRK eine christliche Erziehung ihrer Kinder anstreben und das Schulkreuz verlangen. Im Sinne einer Grundrechtsofferte ist das Schulkreuz ein geeignetes Mittel, um dem Achtungsanspruch der Eltern zu entsprechen.211 Hier liegt ein ähnliches Spannungsverhältnis vor wie zwischen der negativen und der positiven Religionsfreiheit.212 Daher genügt es, auf das oben Ausgeführte (Abschnitt 3.3.4.) zu verweisen und es durch einige Aspekte, die sich speziell auf das Elternrecht beziehen, zu ergänzen und zu bestätigen.

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Dem Urteil Lautsi zufolge kann der Wunsch anderer Eltern das Anbringen von Schulkreuzen nicht rechtfertigen (Z. 56). Auch im Hinblick auf das Grundrecht des Art. 2 1. ZPMRK ist dem entgegenzuhalten, dass damit Eltern, die das Kreuz ablehnen, gegenüber den anderen ohne sachlichen Grund privilegiert werden.213 Eine solche Entscheidung ist gerade nicht neutral, wie der EGMR vorgibt, sondern ergreift für ein Verständnis von Laizität Partei, das Religionen ausschließt. Wie eine derartige Sicht dem Pluralismus dienen soll, bleibt mehr als fraglich. Nach einem Grundsatz in der Rechtsprechung des EGMR zielt Art. 2 1. ZPMRK nämlich auf einen Pluralismus in der Erziehung ab.214 Dieser kann jedoch nicht erreicht werden, wenn die Schüler von der geistigen Auseinandersetzung mit kulturellen und religiösen Traditionen, denen sie in einem Land wie Italien täglich begegnen, abgeschottet werden. Vom Gesichtspunkt der Neutralitätsverpflichtung des Staates aus betrachtet, scheint es nicht nur legitim, sondern vielmehr geboten, den in der Gesellschaft wirkenden Kräften Raum zu geben und damit auch religiöse Anliegen und ihre spezifischen Lebensäußerungen in das öffentliche Schulsystem einzubinden.215 Alle Europaratsstaaten haben die UN-Kinderrechtskonvention unterzeichnet, in der sie übereingekommen sind, dass die Kindererziehung unter anderem auf die nationalen Werte, die Werte der eigenen und fremder Zivilisationen sowie das Verständnis religiöser Gruppen abzielen soll.216 Es wäre eine Illusion zu meinen, es gebe eine wertfreie Erziehung oder es gebe in einer sich mehr und mehr fragmentierenden Gesellschaft von niemandem bestrittene Werte, auf die sich der Unterricht beschränken könnte.217 Im Allgemeinen gibt es keine soziale Interaktion, in der Menschen nicht gegenseitig aufeinander Einfluss nehmen. Somit ist auch jede Form des Lernens von anderen Menschen mit wechselseitiger Beeinflussung verbunden.218 Wer ein Kind der "Beeinflussung" durch Religion entziehen will, wirkt damit eben im Sinne einer areligiösen Sozialisation auf dieses ein. Offen halten kann man dieses Lernfeld nicht. Der Unterschied zwischen einer hilfreichen Förderung und einer unzulässigen Manipulation liegt an anderer Stelle: Der Lernprozess muss offen sein für kritisches Nachdenken und eigene Entscheidungen.219

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Der Wortlaut des Art. 2 1. ZPMRK zeigt unmissverständlich an, dass die religiösen und die weltanschaulichen - gemeint sind nicht-religiöse - Überzeugungen gleichrangig neben einander stehen. Die einen sind nicht stärker geschützt als die anderen. Wo es einen Konflikt zwischen den Überzeugungen verschiedener Eltern gibt, wendet der EGMR in ständiger Rechtsprechung ähnlich wie bei der Religionsfreiheit das Prinzip der fairen Balance an.220 Das Urteil Lautsi hingegen lässt dieses Prinzip außer Acht und zeigt kein Bemühen um einen derartigen fairen Ausgleich. Stattdessen bewirkt es, dass sich die eine Position völlig auf Kosten der anderen durchsetzt.

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Um eine Lösung zu finden, wären auch hier sachliche und objektive Kriterien anzuwenden. Die Kriterien der Bevölkerungsmehrheit und der geschichtlichen Tradition eines Landes wurden vom EGMR auch bezüglich des Elternrechts bejaht. In der Leitentscheidung Kjeldsen hielt er den Beschwerdeführern beispielsweise entgegen, dass im dänischen Sexualkundeunterricht nichts gelehrt würde, was viele Eltern für verwerflich hielten (Z. 54).221 So ist auch das Schulkreuz nicht etwas, das die Mehrheit der Bevölkerung in Italien für verwerflich hielte. In der jüngeren Entscheidung Folgerø stellte der EGMR klar, dass ein für alle Schüler verpflichtender Religionskundeunterricht, dessen überwiegender Anteil sich mit dem Christentum beschäftigt, nicht gegen Neutralität und Objektivität verstößt, wenn das Christentum in der Geschichte und Tradition des betreffenden Landes einen bedeutenden Platz einnimmt (Z. 89).222 Für das Kreuz und seine Stellung in Italien sind diese Voraussetzungen exakt gegeben, weshalb die Rechtfertigung des Schulkreuzes im Sinne der genannten Prinzipien somit voll auf der Linie der EGMR-Rechtsprechung liegt. Selbst wenn man in bestimmten Fällen einen Eingriff in das Elternrecht annähme, ließe sich dieser nach den etablierten Grundsätzen also ohne weiteres rechtfertigen.

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5. Prüfung nach Art. 14 EMRK

 

5.1. Allgemeine Überlegungen

 

Die Beschwerdeführerin im Fall Lautsi machte neben Art. 9 EMRK und Art. 2 1. ZPMRK eine Verletzung des Diskriminierungsverbotes nach Art. 14 EMRK geltend. Sie ist der Ansicht, dass der Staat mit dem Anbringen des Schulkreuzes eine bestimmte Religion privilegiert und den Eindruck erweckt, als stehe er dieser näher als anderen Religionen oder Weltanschauungen (Z. 31f.). In der Tat lässt der EGMR an einigen Stellen durchklingen, dass er das Kreuz als Symbol des Katholizismus auffasst (Z. 53 und 56). Das ist jedoch bereits eine verkürzte Sicht. Da alle christlichen Konfessionen den Glauben an Jesus Christus als den Gekreuzigten teilen, spielt das Kreuz nämlich bei allen eine zentrale Rolle, so dass damit nicht nur eine einzige, sondern bereits eine ganze Gruppe von Glaubensrichtungen erfasst wird. Gewiss üben manche christliche Konfessionen Zurückhaltung in der bildlichen Darstellung. Anlässlich des Kruzifix-Konflikts in Deutschland haben sich jedoch sowohl die Deutsche Bischofskonferenz als auch die Evangelische Kirche in Deutschland mit offiziellen Rechtsgutachten für den Verbleib der Kreuze in den bayerischen Klassenzimmern ausgesprochen.223 In Italien dienen die Kreuze neben der katholischen zumindest auch den orthodoxen Kirchen als Symbol.224 Nicht korrekt ist es jedenfalls, wenn der EGMR meint, dass damit eine einzelne Glaubensgemeinschaft privilegiert würde.225

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Zudem ist bei der Gleichheitsprüfung noch einmal das vorauszuschicken, was bereits oben (Abschnitt 3.3.5.) deutlich wurde. Es gibt nämlich keine Lösung, die nicht für irgendeine religiöse oder weltanschauliche Position Partei ergreifen würde. Gelegentlich wird die Ansicht vertreten, die leere Wand wäre der kleinste gemeinsame Nenner, der niemanden verletzen würde und mit dem alle leben könnten. In Wirklichkeit wäre die Entfernung der Kreuze jedoch eine Parteinahme für eine areligiöse Einstellung, wie sie die Beschwerdeführerin vertritt.226 Außerdem kann es in der Abwägung der verschiedenen Rechtspositionen nicht das Ziel sein, den kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden. Stattdessen sollte jene Lösung angestrebt werden, die alle betroffenen Rechte in einem möglichst hohen Maß verwirklicht.227 Es kann bei der Gleichheitsprüfung daher nicht darum gehen, ob die verwirklichte Lösung völlig indifferent ist, was nicht möglich ist, sondern nur darum, ob sie auf sachlichen Kriterien beruht (vgl. oben Abschnitt 3.3.5.).

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5.2. Keine Differenzierung in der zu prüfenden Rechtsnorm

 

Der EGMR verzichtete im Urteil Lautsi auf eine nähere Prüfung nach Art. 14 EMRK, weil er bereits nach Art. 9 EMRK und Art. 2 1. ZPMRK eine Grundrechtsverletzung bejaht hatte (Z. 63). Wenn diese Verletzung hingegen verneint wird, bleibt Art. 14 EMRK auf jeden Fall zu prüfen, weil denkbar wäre, dass der Grad einer Grundrechtsverletzung erst in Verbindung mit dieser Bestimmung erreicht wird. Eine Verletzung des Diskriminierungsverbotes nach Art. 14 EMRK kann nicht isoliert geprüft werden, sondern nur dann, wenn der zugrunde liegende Sachverhalt in den Schutzbereich eines Grundrechts der EMRK oder eines ihrer Zusatzprotokolle fällt.228 Nicht erforderlich ist hingegen, dass der Sachverhalt in eines dieser Grundrechte eingreift oder es verletzt. Im vorliegenden Fall sind die Schutzbereiche des Art. 9 EMRK und des Art. 2 1. ZPMRK berührt. Einschlägig ist der Diskriminierungsgrund der Religion bzw. der politischen und sonstigen Anschauungen.

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Art. 14 setzt voraus, dass ein Recht nicht ohne Benachteiligung gewährt wird. Im gegebenen Fall gibt es jedoch kein Recht, das einer Gruppe von Menschen gewährt und einer anderen nach diskriminierenden Merkmalen bestimmten Gruppe verwehrt würde. Wie bereits dargelegt, ergibt sich aus den Grundrechten weder ein Anspruch auf Anbringung noch ein Anspruch auf Abnahme des Kreuzes. Die betreffende Vorschrift zur Ausstattung von Klassenzimmern ist eine reine Ordnungsvorschrift, die keine Differenzierung enthält. In der Entscheidung Köse hob der EGMR hervor, dass das dort zu prüfende Verbot, in Schulen den Kopf zu bedecken, für alle unabhängig von der Konfession gelte. Dass es sich faktisch auf strenggläubige Musliminnen, die es in Konflikt mit einem religiösen Gebot bringt, anders auswirkt als auf Schüler, für die es nur eine relativ belanglose Bekleidungsregel darstellt, zog der EGMR nicht in Betracht. Im Urteil Kjeldsen lehnte er eine Verletzung von Art. 14 EMRK i.V.m. Art. 2 1. ZPMRK ab, weil der schulische Sexualkundeunterricht nicht nach persönlichen Merkmalen unterscheidet und daher keine Diskriminierung beinhaltet (Z. 56). Nichts anderes kann von der Schulkreuzregelung gesagt werden. Ein Verstoß gegen Art. 14 EMRK muss daher von vornherein ausscheiden.

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5.3. Rechtfertigung mittelbarer Auswirkungen

 

Möchte man dennoch auch rein faktische und mittelbare Benachteiligungen einbeziehen, so wäre weiter zu prüfen, ob die Schulkreuzregelung mit verhältnismäßigen Mitteln ein legitimes Ziel verfolgt. Anders als bei Art. 9 EMRK, der den Kreis möglicher Eingriffsziele begrenzt, gewährt der EGMR bei Art. 14 EMRK einen weiten Ermessensspielraum. Im Hinblick auf das Schulkreuz ist daher nicht nur an die Gewährleistung der positiven Religionsfreiheit, sondern auch an die Visualisierung der Kultur und der Geschichte eines Landes sowie an die Verkörperung allgemein menschlicher Werte zu denken. Diese Ziele müssen gegen das gewählte Mittel abgewogen werden.

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Was der EGMR dabei für zulässig hält, lässt sich sehr gut am belgischen Sprachenfall229 aufzeigen. Hier hat der EGMR das Diskriminierungsverbot besonders eingehend in Bezug auf Art. 2 1. ZPMRK geprüft, wie es auch im Fall Lautsi zu untersuchen wäre. Gegenstand war die belgische Sprachregelung für Schulen, nach der in den verschiedenen Landesteilen nur Schulen mit einer bestimmten Unterrichtssprache vorgesehen waren. Als legitimes Ziel hierfür erkannte der EGMR die Wahrung der linguistischen Einheit in den beiden großen Regionen Belgiens an, in denen die Mehrheit der Bevölkerung jeweils nur eine der beiden Staatssprachen - entweder flämisch oder französisch - spricht und in denen die Schüler eine vertiefte Kenntnis der jeweils gängigen Sprache der Region erlangen sollen (Z. II.7 und II.42). Als Kriterien für die Verhältnismäßigkeitsprüfung ließ der EGMR unter anderem die Sprache der Bevölkerungsmehrheit (Z. II.7), die sprachliche Tradition der Region (II. 19) und das Territorialitätsprinzip (Z. II.19) gelten. Abgesehen von einem einzigen besonders gelagerten Fall (Z. II.32) stellte er keine Verletzung des Diskriminierungsverbotes fest.

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Diese Prinzipien lassen sich nun auf die Schulkreuzregelung übertragen. Sprache und Religion werden in Art. 14 EMRK als zwei gleichrangige Diskriminierungsmotive nebeneinander aufgezählt. Gewiss hat die Religion für den gläubigen Menschen eine sehr persönliche, das ganze Leben bestimmende Wichtigkeit, doch darf auch die Bedeutung der Sprache nicht unterschätzt werden. Denn sie ist das Hauptkommunikationsmittel eines Menschen. Gerade in der Schule ist es zwar möglich, in Anwesenheit eines fremden religiösen Symbols zu lernen, nicht aber in einer unbekannten Sprache. Außerdem sind die Ziele, die mit dem Schulkreuz verfolgt werden, viel gemäßigter als jene der belgischen Sprachenregelung, die darin bestanden, die Einheitlichkeit des Territoriums zu bewahren.

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Die rechtfertigenden Prinzipien müssen daher bei der Schulkreuzregelung umso mehr Gewicht haben. Sind die Kriterien der Bevölkerungsmehrheit und der Tradition eines Landesteils zur Rechtfertigung der Exklusivität einer Unterrichtssprache geeignet, dann erst recht für das Schulkreuz als Symbol einer Gruppe von Glaubensgemeinschaften. Als Ausweichmöglichkeit ließ der EGMR im belgischen Sprachenfall nicht nur das Bestehen anderssprachiger Privatschulen, sondern bereits die Möglichkeit gelten, einen Unterricht in der eigenen Sprache selbst zu organisieren (Z. II.7 und II.13). Damit können sich die Ausweichmöglichkeiten, was das Schulkreuz betrifft, auf jeden Fall messen lassen.

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Außerdem ist zu beachten - darauf geht der EGMR im Urteil Lautsi jedoch nicht ein -, dass es nach der Entgegnung der italienischen Regierung dem Lehrer freisteht, andere religiöse Symbole anzubringen (Z. 43). Die Exklusivität des Symbols, das wegen des Mehrheitsprinzips und der Tradition des Landes zu Recht staatlich angeordnet ist, kann somit durch private Initiativen durchbrochen werden.

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Aus alle dem ergibt sich, dass es nicht möglich ist, eine grundrechtsrelevante Diskriminierung anzunehmen.

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6. Kontext des Urteils: EGMR-Judikatur und europäische Integration

 

6.1. Einzelfallentscheidung oder Orientierungswirkung?

 

Da Urteile des EGMR im gesamteuropäischen Kontext zu betrachten sind, ist zunächst zu fragen, welche Wirkungen sie entfalten. Der EGMR kann im Unterschied zu den Verfassungsgerichten einiger europäischer Staaten Gesetze und andere innerstaatliche Rechtsnormen nicht aufheben. Er kann lediglich eine Verletzung von Konventionsrechten feststellen und den verletzenden Staat zu einer Wiedergutmachung für den Beschwerdeführer verpflichten. Dem Ministerkomitee obliegt die Überwachung der Durchführung des Urteils (Art. 46 Abs. 2 EMRK).

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Wie es für Urteile charakteristisch ist, entscheiden auch EGMR-Urteile lediglich einen Einzelfall. Wenn der Gerichtshof feststellt, dass die italienische Schulkreuzregelung Frau Lautsi und ihre beiden Kinder in bestimmten Konventionsrechten verletzt, so bedeutet dies nicht automatisch, dass sie auch andere Menschen in ihren Rechten verletzt, zumal gerade bei mehrpoligen Grundrechtsverhältnissen die Abwägung zwischen den verschiedenen subjektiven Rechtspositionen je nach den Umständen des Einzelfalls anders ausfallen kann.230 Noch weniger bedeutet dies, dass inhaltlich variierende Regelungen verschiedener Staaten, die andere Ziele verfolgen und in einem anderen gesellschaftlichen Kontext stehen, ebenfalls konventionswidrig wären.231 Die österreichische Regelung ist daher in den folgenden Kapiteln eigens zu analysieren.

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Dennoch ist den Urteilen des EGMR eine Wirkung, die über den Einzelfall hinausgeht, nicht abzusprechen. Bisweilen versucht der EGMR selbst, seinen Urteilen eine Direktwirkung232 oder eine erga-omnes-Wirkung zu unterstellen. Aber auch wenn man dem entgegenhalten muss, dass sich die Rechtskraftwirkung auf den Einzelfall beschränkt, entfaltet die Rechtsprechung des Gerichtshofs in vielen Fällen eine Orientierungswirkung für Konventionsstaaten, die im konkreten Verfahren nicht Partei waren. So tragen die nationale Gesetzgebung oder Rechtsprechung der Straßburger Judikatur bisweilen bereits Rechnung, bevor ein Urteil gegen den betreffenden Staat ergangen ist.233 Obwohl sie das Urteil selbst nicht bindet, bindet schließlich die Konvention, die durch das Urteil konkretisiert wurde.234

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6.2. Subsidiärer Menschenrechtsschutz oder Rechtsharmonisierung?

 

Unter dem Eindruck des Zweiten Weltkrieges sowie totalitärer Regime in Europa verfolgten die Urheber der EMRK das Ziel, ein Instrument zu schaffen, das dort eingreift, wo der einzelne Staat im Menschenrechtsschutz versagt, ein Instrument, das ihn sozusagen subsidiär unterstützt. Um dies zu erreichen, wurde ein völkerrechtlicher Vertrag verabschiedet, auf den sich die Staaten gegenseitig verpflichten und dessen Einhaltung von einer internationalen Gerichtsbarkeit überwacht wird. Er sollte den äußersten Rahmen vorgeben, innerhalb dessen die teilnehmenden Staaten ihre Rechtsordnungen frei gestalten können und über den sie jedoch keinesfalls hinausgehen dürfen.

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Im Laufe der Zeit, insbesondere durch das 11. ZPMRK235, das die Position des EGMR stärkte, entwickelte sich die EMRK jedoch immer weiter in die Richtung einer gemeinsamen Menschenrechtsverfassung der Staaten des Europarats.236 Der EGMR betrachtet die EMRK als "lebendiges Instrument"237, was ihm eine dynamische Interpretation der einzelnen Bestimmungen erlaubt. So hat er keine Bedenken, einen vergleichbaren Sachverhalt Jahre später strenger zu beurteilen. Es ist allerdings nicht dasselbe, ob sich die Interpretation von Rechtsnormen allmählich weiterentwickelt, weil sie auf neue gesellschaftliche Situationen anzuwenden sind, oder ob durch die Judikatur der Gehalt der Norm selbst verändert wird. Eine Abkehr von einer etablierten Judikaturlinie bedarf sehr schwerwiegender Gründe. Der EGMR hat sich um die Auslegung und Entwicklung der Religionsfreiheit sehr verdient gemacht und damit einen nicht zu unterschätzenden Beitrag für das Zusammenleben der verschiedenen Religionen und Weltanschauungen in Europa geleistet. Im Urteil Lautsi scheint er jedoch, wie sich in den vorangegangenen Abschnitten mehrfach gezeigt hat, von bisherigen Rechtsprechungsprinzipien abzukehren. Eine Erklärung bleibt aus.

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Zudem engt er den Beurteilungsspielraum, den er den Konventionsstaaten bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung zugesteht, zusehends ein.238 Die Beschränkung der Bandbreite möglicher Regelungsvarianten führt dazu, dass die Rechtsordnungen der Konventionsstaaten mehr und mehr aneinander angeglichen werden. Für eine Tendenz zur Rechtsharmonisierung ist vor allem der EuGH, der Gerichtshof der Europäischen Union, bekannt. Zwischen der Union und dem EMRK-System, das in den Europarat eingebunden ist, bestehen jedoch grundlegende Unterschiede, die eine Gleichsetzung nicht erlauben.239 Sie werden im Folgenden erläutert:

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(1) Gewaltenteilung: Zunächst verursacht eine dynamische Interpretation immer Probleme mit der Rechtssicherheit, so dass Staaten, die ihre Rechtsordnung an der Konvention ausrichten wollen, nicht wissen können, was in einigen Jahren konventionskonform sein wird. Des Weiteren müsste die Tätigkeit eines stärker rechtsgestaltenden Gerichtshofs auf jeden Fall in ein System der Gewaltenteilung eingebunden sein, um ein Machtgleichgewicht durch wechselseitige Kontrollen zu garantieren. Dem EuGH stehen das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union als legislative und die Kommission als ausführende Gewalt gegenüber. Sie können Rechtsprechungstendenzen aufgreifen oder durch entgegengesetzte Rechtsakte korrigieren. Noch mehr gilt diese gegenseitige Kontrolle für die Verfassungsgerichte in den einzelnen Staaten. Dem EGMR hingegen stehen keine entsprechenden Organe gegenüber.240 Die Parlamentarische Versammlung und das Ministerkomitee des Europarates sind nur ansatzweise mit legislativen und exekutiven Organen vergleichbar. Ein internationales Gericht, das nur subsidiär eingreift, um die äußersten Grenzen aufzuzeigen, die zum Schutz der Menschenrechte notwendig sind, braucht derartige Kontrollen nicht; ein Gericht, das intensiv auf die Rechtsordnungen der Staaten Einfluss nimmt, hingegen schon. Da das EMRK-System im Völkerrecht beheimatet ist und nicht mit einem modernen staatlichen System gleichzusetzen ist, kann die notwendige Kontrolle nur eine völkerrechtliche sein. So müssen die Konventionsstaaten selbst als Gegengewicht auftreten und mit dem Gerichtshof in einen Dialog241 treten, der keine Einbahnkommunikation von oben nach unten sein kann.242

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(2) Demokratische Legitimation: Wer an der Rechtsetzung beteiligt ist, muss demokratisch legitimiert sein. Das Europäische Parlament, das an den meisten Legislativverfahren der Europäischen Union seit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon nun maßgeblich beteiligt ist, wird von den Bürgern direkt gewählt. Die Abgeordneten der Parlamentarischen Versammlung des Europarates hingegen werden von den nationalen Parlamenten bestellt. Gewiss, die Versammlung kann keine für die Mitgliedstaaten bindenden Rechtsnormen, sondern nur - oft sehr weit und ambivalent formulierte - Empfehlungen beschließen, doch fließen diese durchaus auf verschiedene Weise in rechtlich bindende Akte ein. Der EGMR führte beispielsweise im Urteil Şahin Empfehlungen der Versammlung und des Ministerkomitees an (Z. 66-69).243 Über das verbindliche Urteil wirken diese dann auf das nationale Recht ein. Angesichts dieser Tatsache erhalten die Beratungen und Entscheidungen der Parlamentarischen Versammlung viel zu wenig Aufmerksamkeit von der europäischen politischen Öffentlichkeit, soweit sich eine solche bereits entwickelt hat.

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Seit längerer Zeit möchte die Versammlung mit verschiedenen Empfehlungen244 in allen Mitgliedstaaten einen für alle Schüler verpflichtenden neutralen und objektiven Unterricht über religiöse Fakten forcieren.245 Der EGMR versucht, ihr darin zu folgen, obwohl die Urteile Folgerø und Zengin zeigen, wie schwierig es gerade in dieser Materie ist, einen absolut neutralen und objektiven Unterricht zu gewährleisten.246 Was religiöse Symbole in der Schule betrifft, stellt die Empfehlung 1804(2007)1 fest, dass die Situation in den einzelnen Staaten Europas sehr unterschiedlich sei. Einige Staaten hätten das Tragen religiöser Symbole verboten. In anderen bestünden weiterhin Anachronismen (Nr. 15).247 Auch wenn es nicht direkt ausgesprochen wird, so legt der Satzzusammenhang doch nahe, dass religiöse Symbole in der Schule hier als Anachronismus gewertet werden. Angesichts der Wiederkehr des Religiösen in der heutigen Gesellschaft und der zunehmenden Vielfalt religiöser Ausdruckformen stellt sich jedoch die Frage, ob nicht vielmehr der Laizismus des ausgehenden 19. Jahrhunderts einen Anachronismus darstellt. Im Übrigen besteht die Aufgabe des Europarates nach Art. 1 lit. a seiner Satzung248 darin, die Ideale und Grundsätze, die das gemeinsame Erbe der Mitglieder bilden, zu schützen und zu fördern. Von einer Behebung von Anachronismen ist hier nicht die Rede. In einer der Empfehlung Rec 1720 (2005)1 hielt die Versammlung fest, dass das Verbot, religiöse Symbole zu tragen, nach der Judikatur des EGMR in Einklang mit der EMRK steht (Nr. 9). Bei dieser Aussage wird aber nicht deutlich, dass der EGMR die Verbote jeweils nur wegen besonderer Umstände im Einzelfall für zulässig hielt und dass dies keinesfalls bedeutet, dass nur eine Untersagung in Einklang mit der EMRK stünde.

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Die jüngste Empfehlung, die Kopfbedeckung von Musliminnen betreffend,249 scheint von dieser Tendenz nun aber abzurücken, indem sie ein generelles Verbot für unzulässig erachtet (Nr. 16f.). Ein weiteres Anzeichen für einen Prozess des Umdenkens innerhalb der Parlamentarischen Versammlung stellt die schriftliche Erklärung dar, die 26 ihrer Mitglieder gegen das Urteil Lautsi abgegeben haben.250

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(3) Kulturelle Vielfalt: Der Europäischen Union gehören zurzeit 27 Mitgliedstaaten an. Bestrebungen einer Rechtsvereinheitlichung, die vor allem den legislativen Organen und nur nachgeordnet dem EuGH obliegt, betreffen hauptsächlich die Gebiete Wirtschaft und Arbeitsrecht. In den Bereichen Bildung und Kultur (Art. 6 lit. c und e bzw. Art. 165-167 AEUV251) hat die EU lediglich eine unterstützende Kompetenz, die ihr nur erlaubt, die Mitgliedstaaten zu unterstützen, ohne allerdings deren Rechtsvorschriften zu harmonisieren (Art. 2 Abs. 5 AEUV). Nach Art. 22 GRCH252, der im EMRK-Grundrechtssystem keine Entsprechung hat, achtet die Union die Vielfalt der Kulturen und Sprachen. Zudem erkennt die Union nach Art. 4 Abs. 2 EUV253 die nationale Identität der Mitgliedstaaten an.

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Im Vergleich dazu gehören dem Europarat hingegen gehören zurzeit 47 Mitglieder an. Sein Gebiet reicht mit Aserbeidschan über den Kaukasus hinaus und mit Russland bis an den Pazifik. Da der Europarat viel mehr und viel inhomogenere Mitglieder hat als die EU,254 muss er in seiner Tätigkeit die Vielfalt umso mehr wahren und von Vereinheitlichungsbestrebungen Abstand nehmen. Im Unterschied zur EU gehört die Kultur zwar von Anfang an zu den angestammten Aufgabenfeldern des Europarates (Art. 1 lit. b Satzung), jedoch nicht mit der Zielsetzung, sie zu vereinheitlichen, sondern sie zu schützen und zu fördern (Art. 1 lit. a Satzung). Der Europarat muss den Mitgliedern nicht nur einen Spielraum für die Pflege ihrer Traditionen belassen, sondern muss diese dabei vielmehr unterstützen. Der bereits erwähnte Art. 1 lit. a der Satzung hebt die Ideale und Grundsätze der Mitgliedstaaten hervor, die ihr gemeinsames Erbe bilden. Zu diesem gehören nach Abs. 5 der Präambel der EMRK geistige Gütern, politische Traditionen, Achtung der Freiheit und Rechtsstaatlichkeit. So kann es nicht im Sinne der EMRK sein, Symbole, die mit diesen Traditionen und Gütern verbunden sind und sie geradezu verkörpern, aus der Öffentlichkeit zu verdrängen.

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Die im Rahmen des Europarats entstandene Charta der kommunalen Selbstverwaltung255 sowie die Empfehlung des Ministerkomitees zum Subsidiaritätsprinzip256 richten sich zwar zunächst nur an die Mitgliedstaaten, doch muss das Subsidiaritätsprinzip erst Recht im Verhältnis des Europarates und des EGMR zu den einzelnen Staaten angewandt werden. Auch die Europäische Union ist durch die Verträge selbst an das Subsidiaritätsprinzip gebunden, welches durch den Vertrag von Lissabon gestärkt wurde.

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(4) Religion: Was bisher über die Kultur gesagt wurde, gilt in noch höherem Ausmaß für die Religion. Die Europäische Union achtet den Status, den Kirchen und religiöse Vereinigungen oder Gemeinschaften in den Mitgliedstaaten nach deren Rechtsvorschriften genießen, und beeinträchtigt ihn nicht (Art. 17 Abs. 1 AEUV). Außerdem pflegt sie mit diesen Gemeinschaften in Anerkennung ihrer Identität und ihres besonderen Beitrags einen offenen, transparenten und regelmäßigen Dialog (Art. 17 Abs. 3 AEUV). Mit dieser durch den Vertrag von Lissabon völlig neu eingeführten Dialogbestimmung ist klargestellt, dass das religionsrechtliche System der EU nicht in strikter Trennung, sondern in enger Kooperation bestehen muss. Es wäre widersinnig, wenn der Europarat oder der EGMR gleichzeitig versuchen würden, die Mitgliedstaaten zum Laizismus zu führen. Denselben Status, den Art. 17 Abs. 1 AEUV den Religionsgemeinschaften gewährt, räumt Abs. 2 den nichtreligiösen weltanschaulichen Gemeinschaften ein. Sie sind somit gegenüber den Religionen weder benachteiligt noch bevorzugt und können nicht den Anspruch einer "Staatsphilosophie" erheben. So können areligiöse Positionen religiösen nicht generell übergeordnet werden. Zwar erklärte die Europäische Kommission in einer früheren Anfragebeantwortung, in den Amtsräumen der EU-Organe keine religiösen Symbole anbringen zu lassen,257 doch bleiben die Gepflogenheiten der Mitgliedstaaten davon unberührt. Inzwischen blieben selbst die Amtsgebäude der EU-Organe vor religiöser Symbolik nicht völlig frei. Mitglieder des Europäischen Parlaments aus verschiedenen politischen Parteien ließen vor der Europawahl 2009 nämlich ihre Büros segnen.258

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Im Juli 2008 unterbreitete die Kommission einen Entwurf für eine Richtlinie des Rates zur Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung ungeachtet der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung. Darin stellte sie ausdrücklich klar, dass diese Richtlinie das Recht der Mitgliedstaaten unberührt lässt, zu entscheiden, ob das Tragen oder Zurschaustellen religiöser Symbole in Schulen verboten oder zulässig ist.259 Obwohl die Europäische Union der intensivere Integrationsmotor in Europa ist - oder vielleicht gerade weil sie dabei schon mehr Erfahrungen gesammelt hat -, überlässt sie heikle kulturelle und religiöse Fragen der Entscheidung der Mitgliedstaaten.

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Die bisherige Darstellung will den Menschenrechtsschutz in Europa keineswegs gering achten. Im Gegenteil, gerade da die Menschenrechte in der europäischen Tradition so kostbar sind, sollten sie nicht für Ziele herangezogen werden, die sie ihrer eigentlichen Bedeutung entfremden würden. Ihr Zweck liegt nämlich weder darin, politische Streitfragen zu lösen, noch sämtliche Lebensbereiche bis ins Detail vorzubestimmen oder eine Rechtsangleichung herbeizuführen.260 Jestaedt hat diesbezüglich vollkommen Recht, wenn er schreibt: "Die Inflation grundrechtlich geschützter Lebensäußerungen zieht die Entwertung der einzelnen Berechtigung nach sich und destabilisiert damit letztlich den Grundrechtsschutz im Ganzen."261 Angesichts des Urteils Lautsi warnt Mancini davor, dass der EGMR, falls er den judicial self-restraint bei sehr kontroversen Themen wie der Religion aufgäbe, Schwierigkeiten bekommen könnte, das Vertrauen der europäischen Bürger zu gewinnen und populistische Ressentiments zu vermeiden.262

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Schließlich ist auf eine Gemeinsamkeit zwischen dem Europarat und der Europäischen Union hinzuweisen. Beide verwenden dasselbe Symbol, nämlich einen Kranz von zwölf Sternen auf blauem Grund. Bezeichnenderweise soll sich der Urheber dieses Symbols, Paul Lévy, ein nach dem Zweiten Weltkrieg zum katholischen Glauben konvertierter jüdischer Belgier dabei bewusst von einer Marienstatue inspirieren haben lassen.263 Maria, die Mutter Jesu, wird in Anklang an die Bibelstelle Offb 12,1 häufig mit einem Kranz von zwölf Sternen dargestellt. Im Zusammenhang mit dem Thema "Schulkreuz" ist also bemerkenswert, dass das Symbol für Europa ein ursprünglich biblisches Symbol ist.

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7. Die österreichische Regelung

 

In Österreich gibt es noch keine gerichtlichen Entscheidungen zu Kreuzen in Klassenzimmern oder Kindergärten. Die juristische Lehre hat sich jedoch anlässlich des Kruzifix-Beschlusses des deutschen BVerfG damit beschäftigt, weil auch in Österreich das Anbringen von Kreuzen rechtlich vorgeschrieben ist. Mayer bejaht eindeutig eine damit gegebene Grundrechtsverletzung.264 Thienel lässt die Frage einer Grundrechtsverletzung dahingestellt und konstatiert stattdessen eine Verletzung der Neutralitätspflicht.265 Der Großteil der Lehre sieht in der österreichischen Regelung jedoch keine Grundrechtsverletzung und zwar hauptsächlich deswegen nicht, weil kein Eingriff im grundrechtsdogmatischen Sinn vorliegt. Eindeutig und wiederholt äußerte sich Mayer-Maly in diesem Sinn.266 Die umfassendste Studie zu dieser Frage, die von Kalb, Potz und Schinkele verfasst wurde und die die Problematik sehr differenziert und ausgewogen darstellt, kommt zu dem Schluss, dass die Eingriffsintensität nicht hinreichend stark ist. Es ergäben sich nur minimale Zwangselemente. In besonders gelagerten Einzelfällen wäre allenfalls eine Abwägung mit der positiven Religionsfreiheit vorzunehmen.267 Auf dieser Linie liegen auch die zahlreichen kürzeren Stellungnahmen anderer Autoren: Grabenwarter268, Juranek269, Mantl270, Öhlinger271, Pabel272, Rees273, Schwendenwein274, Ulrich275. Für Berka276 können nur besonders aufdringliche und indoktrinierende Manifestationen durch religiöse Symbole mit der negativen Glaubensfreiheit in Konflikt geraten.

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7.1. Die Rechtslage

 

7.1.1. Das religionsrechtliche System in Österreich

 

Die Vielfalt der religionsrechtlichen Systeme in Europa wurde bereits oben (Abschnitt 3.3.5.) angesprochen. In Österreich ist ein System der Kooperation verwirklicht. Das heißt, dass es einerseits keine Staatsreligion und andererseits keine laizistische Trennung gibt. Staat und Religionen sind zwar getrennt, doch finden die Religionen in der Öffentlichkeit Raum und arbeiten auf verschiedenen Gebieten mit dem Staat zusammen. Dieses System ist im Bundesverfassungsrecht zwar nicht ausdrücklich verankert, doch besitzen die im Sinne von Art. 15 StGG277 gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften eine öffentlich-rechtliche Stellung,278 die von mehreren einfachen Gesetzen vorausgesetzt und bestätigt wird.279 Die Verfassung des Bundeslandes Vorarlberg280 verankert das Kooperationsprinzip sogar ausdrücklich, wenn sie in Art. 1 die Bedeutung der gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften für die Bewahrung und Festigung der religiösen und sittlichen Grundlagen des menschlichen Lebens anerkennt.

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Der Status als öffentlich-rechtliche Körperschaften bedeutet indessen nicht, dass die gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften Einrichtungen des Staates wären. Vielmehr wird damit das öffentliche Wirken dieser Gemeinschaften anerkannt und deutlich gemacht, dass der religiöse Bereich nicht ins Private abgedrängt werden soll.281 Die Prinzipien des religionsrechtlichen Systems in Österreich haben auch Auswirkungen auf das Schulsystem, das im Folgenden beleuchtet werden soll.

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7.1.2. Schulsystem

 

Mit dem Staatsgrundgesetz 1867, dem Schule-Kirche-Gesetz 1868282 und dem Reichsvolksschulgesetz 1869283 entzog der Staat das Schulwesen der kirchlichen Autorität und stellte es unter seine Verantwortlichkeit.284 Bis heute ist die staatliche Schulhoheit in Art. 17 Abs. 5 StGG verankert. Die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern auf dem Gebiet des Schulwesens nehmen die Art. 14 und 14a B-VG285 vor.286 Bei der äußeren Organisation der öffentlichen Pflichtschulen ist die Grundsatzgesetzgebung Bundessache und die Ausführungsgesetzgebung Landessache (Art. 14 Abs. 3 lit. b B-VG). Die öffentlichen Pflichtschulen sind die Volks-, Haupt- und Sonderschulen, die polytechnischen Schulen sowie die Berufsschulen. Für die mittleren und höheren Schulen, insbesondere die allgemeinbildenden höheren Schulen sowie die berufsbildenden mittleren und höheren Schulen, sind Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache (Generalklausel des Art. 14 Abs. 1 B-VG). Dasselbe gilt für die Übungsschulen der verschiedenen Typen (Art. 14 Abs. 5 lit. a B-VG). Auf dem Gebiet des land- und forstwirtschaftlichen Schulwesens sind Gesetzgebung und Vollziehung grundsätzlich Landessache (Art. 14a Abs. 1 B-VG). Ebenso ist das Kindergarten- und Hortwesen Landessache in Gesetzgebung und Vollziehung (Art. 14 Abs. 4 lit. b B-VG).

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7.1.3. Ziele der österreichischen Schule

 

Das Schule-Kirche-Gesetz und das Reichsvolksschulgesetz schufen im 19. Jahrhundert keineswegs eine areligiöse, sondern eine interkonfessionelle Schule, wie sie der religiösen Vielfalt in der Monarchie am besten entsprach.287 Nach der Rekonfessionalisierung in den Jahren 1934-1938 und der Entkonfessionalisierung während des Nationalsozialismus wurde unter veränderten Bedingungen wieder auf das Prinzip der Interkonfessionalität zurückgegriffen. Die Regierungsvorlage zum SchOG 1962288 ruft es in Erinnerung, wenn sie zu § 2 dieses Gesetzes289, dem so genannten "Zielparagraphen", Stellung nimmt. Diese Bestimmung umschreibt erstmals die gleichen Bildungsziele für alle Schultypen.290 Dazu zählt sie unter anderen die Entwicklung der Anlagen der Jugend nach den sittlichen, religiösen und sozialen Werten. Ferner sollen die Schüler zu sozialem Verständnis geführt und gegenüber dem politischen und weltanschaulichen Denken anderer aufgeschlossen werden. Dies entspricht dem Bildungsbegriff des Art. 13 Abs. 1 IPwskR291.292 Für den Bereich der land- und forstwirtschaftlichen Schulen enthält § 2 land- und forstwirtschaftliches Bundesschulgesetz293 eine wortgleiche Bestimmung, während § 1 lit. b des Bundesgrundsatzgesetzes294 darüber hinausgeht und es als unmittelbares Ziel der land- und forstwirtschaftlichen Berufsschule ansieht, die Schüler zu sittlich und religiös gefestigten Staatsbürgern heranzubilden.295 Nach dem im Jahr 2005 neu geschaffenen Art. 14 Abs. 5a B-VG soll die Schule die Heranwachsenden unter anderem dazu befähigen in Orientierung an sozialen, religiösen und moralischen Werten Verantwortung zu übernehmen und sie ferner dazu hinführen, gegenüber dem politischen, religiösen und weltanschaulichen Denken anderer aufgeschlossen zu sein. Mit dieser Bestimmung, die der wieder ansteigenden Bedeutung von Religion und der zunehmenden religiösen Vielfalt in der heutigen Zeit Rechnung trägt, wurden die Ziele der Schule auch auf der Verfassungsebene verankert und die Diskussion über die Verfassungskonformität des § 2 SchOG somit gegenstandslos.296 Während für Mayer der "konkrete Inhalt kaum erkennbar"297 ist, erblicken andere Autoren darin das Bekenntnis zu einem hereinnehmenden, nicht indifferenten Verständnis konfessioneller Neutralität in der österreichischen Schule.298 Diese unmittelbar anwendbare Bestimmung299 bezieht sich nicht nur auf den Religionsunterricht, sondern auf das gesamte Unterrichtswesen,300 meint außerhalb des Religionsunterrichts aber nicht eine konfessionsgebundene Erziehung und schließt nichtreligiöse Weltanschauungen mit ein.301 Damit ist klar gestellt, dass das Kooperationssystem, das in Österreich verwirklicht ist, auch den schulischen Bereich erfasst.

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7.1.4. Rechtsgrundlagen für das Anbringen von Kreuzen

 

Beim Übergang von der konfessionell-katholischen zur interkonfessionellen Schule im 19. Jahrhundert wurden die Schulkreuze nicht grundsätzlich in Frage gestellt.302 Unter der nationalsozialistischen Herrschaft kam es - jedoch ohne generelle Rechtsgrundlage - zu einer Beseitigung von Schulkreuzen.303 Nach der Wiederherstellung der demokratischen Republik Österreich stellte Unterrichtsminister Hurdes in einem Erlass vom 8.4.1946 klar, dass gegen die Wiederanbringung der aus den Schulen entfernten Kreuze selbstverständlich kein Anstand besteht.304

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Endgültig wurde die strittige Kreuzfrage mit der Schulrechtsreform 1962 gelöst, die den § 2b in das RelUG305 aufnahm.306 Demnach ist an allen Schulen, an denen der Religionsunterricht Pflichtgegenstand ist und an denen die Mehrzahl der Schüler einem christlichen Religionsbekenntnis angehört, in allen Klassenräumen vom Schulerhalter ein Kreuz anzubringen (Abs. 1). Für jene Schularten, hinsichtlich deren Erhaltung die Gesetzgebung und Vollziehung dem Bund zukommen, ist diese Bestimmung unmittelbar anwendbares Bundesrecht. Für die Schularten, bezüglich deren Erhaltung dem Bund nur die Grundsatzbestimmung zusteht, gilt sie hingegen nur als Grundsatzbestimmung (Abs. 2) und für die Schultypen, deren Erhaltung ausschließlich in die Kompetenz des jeweiligen Landesgesetzgebers fällt, bleibt die Regelung diesem vorbehalten (Abs. 3).

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Aufgrund dieser kompetenzrechtlichen Differenzierung liegt eine Vielzahl von Landesgesetzen vor. Gemäß § 2b Abs. 2 RelUG erließen sämtliche Bundesländer Ausführungsgesetze, von denen einige die Klausel bezüglich der Mehrzahl der Schüler übernahmen,307 während andere wiederum nicht differenzieren.308 Gemäß § 2b Abs. 3 RelUG nahmen alle Länder außer der Steiermark309 und Wien310 das Anbringen von Kreuzen in ihre land- und forstwirtschaftlichen Schulgesetze auf, darunter wieder einige mit der Mehrheitsklausel,311 die anderen ohne diese.312 Auch hinsichtlich der Kindergärten, die vom RelUG nicht erfasst sind, erließen die meisten Länder Regelungen mit313 bzw. ohne314 die Mehrheitsklausel. Beispielsweise die Regelung Salzburgs315 spricht allgemein von religiösen Symbolen, fügt in Klammern jedoch den Zusatz "Kreuz" an. Die Regelung der Steiermark316 spricht nur von religiösen Symbolen, ohne ein bestimmtes zu nennen.

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Auf völkerrechtlicher Ebene wurde die Schulrechtsreform 1962, soweit sie das Verhältnis zur katholischen Kirche betraf, vom so genannten "Schulvertrag"317 mit dem Heiligen Stuhl begleitet, der das Konkordat 1933318 ergänzt hat. Nach Z. 2 lit. b seines Schlussprotokolls nimmt der Heilige Stuhl von der österreichischen Schulkreuzregelung Kenntnis und es wird festgehalten, dass eine Änderung dieses Zustands nicht ohne Einvernehmen mit dem Heiligen Stuhl stattfinden wird.319 Das Schlussprotokoll hat wie der gesamte Schulvertrag im internen Recht Österreichs den Rang eines einfachen Gesetzes und bedurfte daher der Zustimmung des Nationalrates.320 Der Schulvertrag bindet die Länder auch hinsichtlich jener Materien rechtlich, die ihrer ausschließlichen Gesetzgebung vorbehalten sind.321 Obwohl § 2b RelUG und der Schulvertrag nicht in Verfassungsrang stehen,322 genießen sie eine erhöhte Bestandskraft, weil sie gemäß Art. 14 Abs. 10 B-VG wie Verfassungsgesetze nur mit qualifizierter Mehrheit vom Nationalrat abgeändert werden können.323

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7.2. Grundrechtsschutz in Österreich

 

Alle Verwaltungsbehörden und Gerichte müssen bei ihrer Tätigkeit die Grundrechte beachten. Die Gewährleistung des Grundrechtsschutzes gegenüber legislativen Akten liegt beim VfGH, der allein die Befugnis zur Normenkontrolle besitzt. Ihm obliegt es auch, Bundesgrundsatz- und Landesgesetze zu prüfen.324 Dabei bilden die verfassungsgesetzlich verankerten Grundrechte den wichtigsten materiellen Maßstab für die Prüfung von Gesetzen. Zweitinstanzliche und Höchstgerichte sowie UVS, die in einem konkreten Fall ein Gesetz anwenden, über dessen Verfassungskonformität sie Bedenken haben, müssen das Verfahren unterbrechen und die betreffende Norm beim VfGH anfechten (Art. 140 Abs. 1 B-VG). Das bedeutet, dass die Person, die sich in ihren Grundrechten verletzt fühlt, die Rechtssache in der Regel zunächst auf dem Weg des Instanzenzugs bis zu einem antragsberechtigten Gericht vorantreiben muss.

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Nur unter eng begrenzten Voraussetzungen kann sich eine Person mit einem Individualantrag direkt an den VfGH wenden, wenn sie behauptet, durch die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein. Für diesen Fall muss das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden sein (Art. 140 Abs. 1 B-VG). Der VfGH lässt Individualanträge nur zu, wenn der Eingriff durch das Gesetz eindeutig bestimmt ist, der Antragsteller aktuell, d.h. nicht nur potentiell, betroffen ist und kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des Eingriffs zur Verfügung steht.325 So wies der VfGH beispielsweise einen Individualantrag von Eltern und Schülern zurück, weil nicht diese selbst, sondern lediglich die Schulverwaltung Normadressat des angefochtenen Pflichtschulzeitgesetzes war.326

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Was nun die Regelungen zum Anbringen von Schulkreuzen betrifft, so steht nicht von vornherein fest, ob die Voraussetzungen für einen Individualantrag vorliegen. Normadressat des § 2b RelUG sind nicht die Eltern oder Schüler, sondern der Schulerhalter, der meist eine öffentliche juristische Person und somit nicht Träger der individuellen Religionsfreiheit oder des Elternrechts ist.327 Wird ein Individualantrag vorschnell zugelassen, so nimmt man der unmittelbar zuständigen Behörde und den unteren Instanzen die Möglichkeit, im konkreten Fall eine angemessene Lösung zu suchen, die den betroffenen Interessen und den einschlägigen (Verfassungs-)Rechtsnormen z. B. durch eine verfassungskonforme Auslegung entspricht, ohne den Fall könnte dann gleich zu einem Verfassungsproblem hochzustilisieren. In höherer Instanz bestünde nach wie vor die Möglichkeit einer Kontrolle durch den VfGH, die sich dann bereits auf einen konkreten Bescheid beziehen könnte.328 Es wäre denkbar, dass die betroffene Person durch diesen in ihren Rechten verletzt ist, ohne dass das zugrunde liegende Gesetz als solches verfassungswidrig wäre. Damit hätte der VfGH die Möglichkeit, in einem differenzierenden Erkenntnis aufzuzeigen, wo im konkreten Fall die Probleme liegen und welche Vorgangsweisen bei der Anwendung daher ausgeschlossen sind.

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Im erschwerten Zugang und in der Beschränkung auf die kognitive, nicht volitive Entscheidungstätigkeit unterscheidet sich der österreichische VfGH vom deutschen BVerfG,329 was nach Mayer-Maly330 auch Auswirkungen auf die Behandlung von Schulkreuzregelungen haben könnte. Die weniger dynamische Auslegungstätigkeit charakterisiert den VfGH auch im Vergleich zum EGMR, doch sind hier Veränderungen bemerkbar.331

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8. Grundrechtsprüfung Religionsfreiheit

 

Die österreichische Rechtsordnung verfügt nicht über einen einzigen einheitlichen Grundrechtskatalog, sondern schöpft die Grundrechte aus mehreren verschiedenen Quellen. So ist die individuelle Religionsfreiheit in Art. 14 StGG, in Art. 63 Abs. 2 StV St. Germain332 und in Art. 9 EMRK verankert. Art. 14 Abs. 1 StGG gewährleistet lapidar die volle Glaubens- und Gewissensfreiheit. Abs. 2 enthält ein Diskriminierungsverbot sowie eine Einschränkung des freien Religionsbekenntnisses durch die staatsbürgerlichen Pflichten. Abs. 3 verbietet den Zwang zu kirchlichen Handlungen und Feierlichkeiten, außer wenn die betroffene Person in einem besonderen Gewaltverhältnis steht. Art. 63 Abs. 2 Stv St. Germain umfasst zudem die gemeinsame öffentliche Religionsausübung der nicht anerkannten Religionsgesellschaften und führt als Grundrechtsschranken die öffentliche Ordnung die guten Sitten ein.333 Art. 9 EMRK wurde bereits in Kapitel 3 der vorliegenden Arbeit ausführlich behandelt.

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In Anlehnung an die unterschiedliche Terminologie in diesen Grundrechtsquellen wird bisweilen zwischen Glaubens-, Gewissens- und Religionsfreiheit unterschieden. Im Folgenden soll jedoch am einheitlichen Begriff der Religionsfreiheit festgehalten werden, der mehrere Aspekte einschließt: Nämlich die Freiheit, eine Religion zu haben, sich zu ihr zu bekennen und sie auszuüben.

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Alle genannten Quellen für die Religionsfreiheit besitzen im internen Recht Österreichs Verfassungsrang und sind unmittelbar und nebeneinander anwendbar, ohne dass eine Bestimmung eine andere aufgehoben oder verdrängt hätte. Da sie in Wortlaut und Inhalt nicht identisch sind, stellt sich die Frage nach ihrem Verhältnis zueinander. Diese wurde bislang weder von der Rechtsprechung noch von der juristischen Lehre kongruent gelöst, obwohl sie für die Grundrechtsprüfung von zentraler Wichtigkeit ist.

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Ein Kriterium für die Beantwortung bildet das Günstigkeitsprinzip des Art. 53 EMRK, wonach die Konvention nicht so auszulegen ist, als beschränke oder beeinträchtige sie Menschenrechte und Grundfreiheiten, die in den Gesetzen oder sonstigen völkerrechtlichen Verträgen eines Konventionsstaates verankert sind. Das bedeutet, wie Grabenwarter334 darlegt, dass jeder Fall nach allen drei Grundrechtsverbürgungen separat zu prüfen ist und am Ende das für den Grundrechtsträger günstigste Ergebnis zum Tragen kommt. Diese Vorgangsweise ist juristisch korrekt, auch wenn sie mit dem Mehraufwand verbunden ist, drei Grundrechtsprüfungen durchführen zu müssen. Das Günstigkeitsprinzip stößt jedoch bei Grundrechtskollisionen auf Schwierigkeiten.335 Was für den einen Grundrechtsträger am günstigsten ist, erweist sich für den Träger des kollidierenden Grundrechts als das Gegenteil. Das Niveau der EMRK allerdings darf für keinen der betroffenen Grundrechtsträger unterschritten werden. Nach dem Prinzip der praktischen Konkordanz ist dann eine Lösung zu suchen, die für beide Seiten zusammen die größte Freiheit ermöglicht, nicht jedoch jene, die die größte Freiheit der einen Seite auf Kosten der Freiheit der anderen durchsetzt.

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Eine weitere Möglichkeit der Verhältnisbestimmung liegt darin, die drei Grundrechte von vornherein als Gesamtheit zu betrachten. So spricht ein Teil der Lehre von einer "aggregierten Grundrechtsnorm"336. Dabei wird sowohl eine formale Widerspruchsfreiheit nach dem Günstigkeitsprinzip als auch eine innere Konkordanz der drei Quellen angestrebt. Diese sind demnach als Stationen in einem Verrechtlichungsprozess zu begreifen und ihr Inhalt ist nicht historisch, sondern dynamisch-teleologisch zu bestimmen.337

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Ein anderer Weg, eine Einheit zu schaffen, besteht darin, die jeweils freiheitsfreundlichsten Elemente aus den drei Normen neu zusammenzufügen. Der VfGH scheint sich trotz der schwankenden Rechtsprechung an diese Vorgangsweise zu halten.338 Konkret bedeutet dies, dass sich der Schutzbereich nach Art. 9 EMRK bestimmt, weil er hier weiter gefasst ist als in den beiden anderen Normen. Als legitime Eingriffsziele dienen hingegen nur jene des Art. 63 Abs. 2 StV St. Germain, weil diese Bestimmung weniger Eingriffsziele zulässt sind als die EMRK. Diese Eingriffsziele werden dann aber, um den größtmöglichen Schutz zu erreichen, der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach Art. 9 Abs. 2 EMRK unterworfen, obwohl der StV St. Germain überhaupt keine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorsieht. Art. 14 StGG scheint damit allmählich von Art. 9 EMRK verdrängt zu werden.339 Diese Vorgangsweise entspricht jedoch nicht dem, was Art. 53 EMRK unter dem Günstigkeitsprinzip versteht. Jede Grundrechtsverbürgung bildet nämlich in sich eine logische und sinnvolle Einheit, aus der nicht beliebig Elemente entnommen und neu zusammengebaut werden können.340 Nicht ohne Grund besitzt die Norm mit dem engsten Schutzbereich - nämlich Art. 14 StGG341 - auch die freiheitsfreundlichsten Schranken, während die Norm mit dem weitesten Schutzbereich - nämlich Art. 9 EMRK - die größte Zahl an Beschränkungen zulässt. Das an sich zu begrüßende Ansinnen, den weitesten Schutzbereich mit den geringsten Beschränkungsmöglichkeiten zu kombinieren, führt nur auf den ersten Blick zu einem Grundrecht, das dem Einzelnen maximale Freiheit gewährt. In Wirklichkeit ruft die Ausdehnung des Grundrechtsschutzes eines Einzelnen jedoch vermehrt Kollisionen mit den Grundrechten anderer hervor, so dass es auf diesem Wege wieder Einschränkungen kommen muss.342

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Im Folgenden werden die drei Grundrechtsnormen bei jedem der grundrechtsdogmatischen Prüfungsschritte berücksichtigt und verglichen. Auf Überlegungen, die im Hinblick auf Art. 9 EMRK bereits in Kapitel 3 angestellt wurden, muss hier nicht mehr vertiefend eingegangen werden, sofern sich aus der österreichischen Rechtslage keine Besonderheiten ergeben.

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8.1. Schutzbereich

 

Was den persönlichen Schutzbereich des Art. 14 StGG betrifft, ist nach der Rechtsprechung des VfGH zu beachten, dass die Grundrechtsmündigkeit erst ab einem gewissen Alter einsetzt, da der Glaube an die Lehre einer Religion als das von der Religionsfreiheit geschützte Verhalten die Fähigkeit voraussetzt, diese Lehren geistig zu erfassen, und sich auch das Gewissen als Richtschnur menschlichen Handelns erst im Laufe der Zeit entwickelt.343 Der VfGH hielt diesbezüglich eine Altersgrenze von vierzehn Jahren für gerechtfertigt, ein Alter, das weder ein Kind im Kindergartenalter noch die Schüler im Fall Lautsi erreichen.344 Wegen des höchstpersönlichen Charakters der Religionsfreiheit sieht der VfGH die Ausübung der den Eltern zustehenden Rechte als Ausübung eigener Rechte und nicht als Vertretung der Rechtsausübung der Kinder an. Behördliche Maßnahmen im Bereich der Religionsausübung der Kinder wie zum Beispiel der Zwang konfessionsloser Eltern, ihre Kinder in den Religionsunterricht zu schicken, können folglich die Religionsfreiheit der Eltern verletzen.345

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Was den sachlichen Schutzbereich betrifft, lässt sich angesichts der österreichischen Rechtslage die religiöse Bedeutung des Kreuzes nicht bestreiten, zumal sich die Regelung des Schulkreuzes im Religionsunterrichtsgesetz sowie im Schulvertrag mit dem Heiligen Stuhl befindet.346 Die Verknüpfung mit dem christlichen Bekenntnis der Mehrzahl der Schüler einer Schule deutet darauf hin, dass der Gesetzgeber das Kreuz als ein christliches Objekt verstanden hat. Das Salzburger Kinderbetreuungsgesetz betrachtet das Kreuz ausdrücklich als religiöses Symbol (§ 27 Abs. 6 und § 52 Abs. 5). Dagegen zählt es das burgenländische Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz eindeutig zu den staatlichen Symbolen (§ 19 Abs. 3) und das Tiroler Schulorganisationsgesetz (§ 71 Abs. 2) sowie das Tiroler Berufsschulorganisationsgesetz (§ 28 Abs. 2) nennen es in einem Atemzug mit diesen. Dieser Vergleich zeigt, dass das Kreuz nicht nur als religiöses, sondern auch als staatliches Symbol verstanden wird, das für die geschichtliche und kulturelle Prägung sowie die allgemeinen Werte der Gesellschaft steht. Um unter den sachlichen Schutzbereich der Religionsfreiheit zu fallen, genügt es, auch als religiöses Symbol zu gelten. Das bedeutet indessen nicht, dass das Kreuz nur eine religiöse Bedeutung hätte oder sogar, dass der Gesetzgeber jemanden dazu verpflichten würde, ihm eine solche beizumessen, oder auf der anderen Seite ausschlösse, es als rein kulturelles oder menschliches Symbol zu verstehen, das auf allgemein akzeptierte Werte hinweist.347

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Bezüglich der Frage nach der negativen Religionsfreiheit bzw. positiven Weltanschauungsfreiheit ist im österreichischen Recht zwischen den einzelnen Grundrechtsverbürgungen zu differenzieren. Nach der Rechtsprechung des VfGH schützt Art. 14 StGG nur Religionen aber keine Weltanschauungen.348 Andererseits legt Art. 14 StGG einen deutlichen Akzent auf die negative Religionsfreiheit, wenn er in Abs. 3 ausdrücklich verbietet, jemanden zu einer kirchlichen Handlung oder zur Teilnahme an einer kirchlichen Feierlichkeit zu zwingen. Das kommt auch nichtreligiösen Weltanschauungen zugute.349 "Kirchlich" ist hier weit im Sinne von "religiös" auszulegen. Im 19. Jahrhundert, als das Staatsgrundgesetz geschaffen wurde, stand der negative Aspekt der Religionsfreiheit im Vordergrund, da liberale Kräfte den Einfluss der Kirche zurückdrängen wollten. Im 20. Jahrhundert - vor allem unter dem Eindruck religionsfeindlicher totalitärer Regime - rückten hingegen der positive Aspekt und die freie Ausübung der Religion nach und nach in den Vordergrund. Dies schlug sich in Art. 9 EMRK nieder.

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Art. 63 Abs. 2 StV St. Germain umfasst nach dem VfGH im Unterschied zu Art. 14 StGG auch die gemeinsame und öffentliche Religionsausübung der nicht gesetzlich anerkannten Religionsgesellschaften, sagt davon abgesehen aber nur mit mehr Worten dasselbe.350 Das heißt, dass er, obwohl sich dies aus dem Wortlaut nicht unmittelbar ergibt, auch die negative Religionsfreiheit schützt. Hingegen umfasst Art. 63 Abs. 2 StV St. Germain ebenso wenig wie Art. 14 StGG nichtreligiöse Weltanschauungen. Wer die positive Weltanschauungsfreiheit geltend machen möchte, kann sich in Österreich also nur auf Art. 9 EMRK stützen.351 Wie bereits in Abschnitt 3.1.2.. dargelegt, ist in den Kreuzfällen aber ohnehin eher die negative Religionsfreiheit heranzuziehen, die von allen drei Grundrechtsverbürgungen geschützt wird.352 Der Schutzbereich der Religionsfreiheit ist somit, zumindest was den negativen Aspekt betrifft, eindeutig betroffen.

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8.2. Eingriff

 

8.2.1. Grundsätzliche Dogmatik zum Eingriff

 

Der Eingriffsbegriff wurde im Laufe der Zeit in der Rechtssprechung sowie in der Lehre erweitert. Für den klassischen Eingriffsbegriff war maßgeblich, dass der Staat mit rechtlichen Wirkungen bzw. mit Befehl und Zwang sowie in unmittelbarer und gezielter, d.h. intentionaler Weise, in den Schutzbereich eines Grundrechts eingegriffen hat.353 Dieses enge Verständnis des Eingriffs hat der VfGH zunächst für bestimmte Grundrechte, wie die Meinungsfreiheit, nach und nach erweitert.354 Heute ist jedes staatliche Handeln als Eingriff anzusehen, "das dem Einzelnen ein bestimmtes Verhalten, das in den Schutzbereich eines Grundrechts fällt, unmöglich macht oder erheblich erschwert, und zwar auch dann, wenn diese Wirkungen nicht beabsichtigt sind, nur in mittelbarer Folge oder in tatsächlicher Hinsicht eintreten oder nicht mit Befehls- und Zwangsgewalt verbunden sind"355. Somit stimmt das Konzept des Eingriffs, das der VfGH vertritt, weitgehend mit dem des EGMR überein.

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Nach dem klassischen Verständnis müsste der Staat, damit ein Eingriff vorliegt, mit dem Kreuz intentional in die Religionsfreiheit der Kinder eingreifen. Eine Absicht, damit jemanden zu manipulieren, zu bekehren oder ihn in sonstiger Weise in der Religionsfreiheit zu behindern, konnte aber bereits im Hinblick auf das Urteil Lautsi nicht nachgewiesen werden und muss für Österreich, wie unten noch zu zeigen sein wird, vollends ausgeschlossen werden.

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Nach dem erweiterten Eingriffsbegriff ist die Intentionalität nicht mehr erforderlich. Ein Eingriff kann jetzt auch mittelbare Folge des staatlichen Handelns sein. Notwendig ist jedoch, dass dem Einzelnen ein bestimmtes Verhalten, das in den Schutzbereich des Grundrechts fällt, unmöglich gemacht oder erheblich erschwert wird.356 Nun ist aber nicht ersichtlich, welches von der Religionsfreiheit geschützte Handeln oder - insbesondere hinsichtlich des negativen Aspekts - welches entsprechende Unterlassen nicht mehr möglich oder erheblich erschwert sein soll, wenn im Gruppenraum oder Klassenzimmer ein Kreuz hängt.357 Auch nach dem erweiterten Verständnis lässt sich somit kein Eingriff ausmachen. Dieses Ergebnis entspricht der in Österreich vorherrschenden Lehre.358

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Die soeben dargestellte allgemeine Lehre zum Grundrechtseingriff deckt sich im Speziellen mit der Charakteristik der negativen Religionsfreiheit. Ausdrücklich erwähnt wird diese nur in Art. 14 Abs. 3 StGG, wonach niemand zu einer kirchlichen Handlung oder zur Teilnahme an einer kirchlichen Feierlichkeit gezwungen werden kann.359 Gemeint sind damit nicht nur kirchliche, sondern auch andere religiöse Handlungen, die den Anschein erwecken, als würde der Teilnehmende einer bestimmten Kirche oder Religionsgemeinschaft angehören.360 Nun entsteht durch das Anbringen eines Kreuzes gewiss kein Zwang zu einer derartigen Handlung oder Feier, so dass ein Eingriff in Art. 14 Abs. 3 StGG verneint werden kann. Diese Bestimmung hebt allerdings nur zwei Elemente der negativen Religionsfreiheit hervor, ohne diese umfassend zu umschreiben. Darüber hinaus ist der negative Aspekt in Art. 14 Abs. 1 StGG361, Art. 63 Abs. 2 StV St. Germain362 und Art. 9 EMRK implizit enthalten. Insgesamt betrachtet, bedeutet die negative Religionsfreiheit, keiner Religion angehören zu müssen, sich nicht zu ihr bekennen bzw. sie nicht ausüben zu müssen und sie jederzeit verlassen zu können.363 In jedem Fall handelt es sich um die Freiheit, zu einem bestimmten Tun nicht gezwungen zu werden. Das bloße Vorhandensein eines Kreuzes in einem Gruppenraum oder Klassenzimmer zwingt jedoch zu keinem derartigen Handeln, da es von den Schülern keine Reverenz verlangt. Außerdem gehört ein Recht, vor der Begegnung mit religiösen Symbolen verschont zu bleiben, auch nach der österreichischen Rechtslage nicht zur negativen Religionsfreiheit.364

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In der Judikatur des VfGH zum Thema Schule wird veranschaulicht, ab wann ein Eingriff vorliegt und wann nicht. Sind Eltern und Kind aus der Kirche ausgetreten, so verletzt der Auftrag der Schulbehörde, das Kind dem katholischen Religionsunterricht zuzuführen, die Religionsfreiheit der Eltern und des Kindes.365 Ebenso wird die Religionsfreiheit des Kindes verletzt, wenn der Vater aufgefordert wird, eine Konfession anzugeben, in der sein Kind Religionsunterricht erhalten soll, das Kind aber keiner Konfession angehört.366 Kein Eingriff in die Religionsfreiheit eines Lehrers liegt hingegen vor, wenn dieser verpflichtet wird, die Schüler bei einer religiösen Übung zu beaufsichtigen.367 Wie ein Vergleich dieser Erkenntnisse zeigt, ist die Pflicht zur aktiven Teilnahme368 am Religionsunterricht, der mit bestimmten Glaubensinhalten verbunden ist, abzugrenzen von der verpflichtenden rein physischen Anwesenheit bei einem kirchlichen Gottesdienst, die anderen, nichtreligiösen Zwecken dient und infolgedessen keinen Eingriff darstellt. Noch weniger bedeutet die bloße Präsenz eines Kreuzes einen Eingriff, weil der Betroffene hier im Unterschied zur Anwesenheit bei einem Gottesdienst nicht einmal passiv einen bestimmten Glaubensvollzug miterlebt. Erst recht ist er nicht Adressat einer Glaubenslehre, wie dies im Religionsunterricht der Fall ist.

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8.2.2. Zurechnung zum Staat

 

Zum erweiterten Eingriffsbegriff gehört, dass auch staatliche Maßnahmen, die nicht mit Befehls- und Zwangsgewalt verbunden sind, einen Eingriff bilden können. Wie Kalb / Potz / Schinkele ausführen, ist jedoch zu beachten, dass das Schulwesen im Unterschied zum Gerichtswesen nicht zum Bereich ursprünglicher staatlicher Hoheitsfunktionen gehört, sondern zu einem Bereich, den der Staat nach und nach in seine Obhut genommen hat.369 Hier wird nicht die unmittelbare Zwangsgewalt des Staates erfahrbar, sondern es steht die leistungsstaatliche Dimension im Vordergrund.370 Es liegt somit auch in Österreich keine Form staatlichen Handelns vor, die die Eingriffsqualität erhöhen würde.371

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Bei der Prüfung des Urteils Lautsi wurde festgestellt, dass ein Eingriff umso weniger dann vorliegt, wenn im Anbringen des Kreuzes keine appellative oder missionarische Absicht, sondern vielmehr eine Grundrechtsofferte für jene Schüler und Eltern gesehen werden muss, die sich mit ihrer Religion darin finden. Das gilt in besonderem Maße für Österreich, zumal es nach § 2b RelUG darauf ankommt, ob die Mehrheit der Schüler der jeweiligen Schule einem christlichen Bekenntnis angehört. Diese Klausel lässt deutlich erkennen, dass das Kreuz eben diesen Schülern zugute kommen soll und es speziell für sie angebracht wird.372 Hätte der Gesetzgeber mit der Präsentation des Kreuzes hingegen eine missionarische Absicht verbunden, so wäre zu erwarten, dass er es gerade dort anbringen lässt, wo die Mehrheit noch nicht christlich ist und erst entsprechend bekehrt werden soll. Die Mehrheitsklausel, die der österreichischen Regelung eigen ist, zeigt also einerseits, dass das Kreuz neben anderen möglichen Deutungen durchaus religiös verstanden wird und dies aber andererseits nicht heißt, dass es eine appellative Funktion hätte, sondern dass es vielmehr eindeutig als Grundrechtsofferte zu sehen ist.373

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8.2.3. Keine Ausweichmöglichkeit?

 

Für die Frage des Grundrechtseingriffs ist schließlich von Bedeutung, ob es Ausweichmöglichkeiten gibt. Zum Urteil Lautsi wurde bereits ausgeführt (oben Abschnitt 3.2.4.), dass Ausweichmöglichkeiten zum Schulkreuz als rein optischem Eindruck nicht von derselben Art sein können und müssen wie jene zum konfessionellen Religionsunterricht oder zu religiösen Übungen374 in der Schule. Wie sich dies im Einzelfall gestalten kann, braucht hier nicht wiederholt zu werden. Es genügt, darauf hinzuweisen, dass das österreichische Recht vergleichsweise großzügige Möglichkeiten für den Besuch von Privatschulen bzw. für den häuslichen Unterricht schafft und damit Raum für Erziehungsbedürfnisse religiöser, weltanschaulicher und anderer Gruppen bietet, die das staatliche Schulwesen nicht erfüllen kann.375

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Beispielsweise das Recht, Privatschulen zu gründen, ist in Art. 17 Abs. 2 StGG auf Verfassungsebene verbürgt, und schließt eine vorhergehende Bewilligungspflicht aus.376 Nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen besteht darüber hinaus ein verfassungsgesetzliches Recht auf Verleihung des Öffentlichkeitsrechts (Art. 14 Abs. 7 B-VG).377 Damit ist insbesondere die Wirkung verbunden, dass die Zeugnisse mit der Beweiskraft öffentlicher Urkunden ausgestattet sind, die vorgesehenen Prüfungen abgehalten werden können und die Möglichkeit besteht, eine Subvention des Bundes für den Personalaufwand zu erhalten.378 Um die Schulpflicht an Privatschulen ohne Öffentlichkeitsrecht erfüllen zu können, muss dieses Ansinnen vor Beginn eines Schuljahres bei der Behörde angezeigt werden; vor Schulschluss ist eine Prüfung an einer öffentlichen Schule oder an einer mit Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule abzulegen (§ 11 Abs. 3 und 4 SchPflG379).380 Die Pflicht, Kreuze aufzuhängen, bezieht sich nur auf Privatschulen mit Öffentlichkeitsstatus (§ 2b Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 RelUG). Darin kann eine Schwierigkeit gesehen werden, da sich die Ausweichmöglichkeit somit auf die weniger attraktiven Privatschulen ohne Öffentlichkeitsrecht beschränkt. Außerdem wird damit die Möglichkeit, ein eigenes Profil zu formen, die gerade eine raison d'être der Privatschulen ist, eingeschränkt.381 Ob Eltern in einem konkreten Fall faktisch die Möglichkeit einer Schulwahl haben, hängt von mehreren Umständen ab.382 Es sei jedoch die Rechtsprechung des EGMR in Erinnerung gerufen, wonach ein Ausweichen auf Privatschulen durchaus mit höherem Aufwand und Kosten verbunden sein kann.

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Abgesehen von Privatschulen kommen als Ausweichmöglichkeit auch Schulen in Betracht, die auf einer zwischenstaatlichen Vereinbarung beruhen (§ 12 Abs. 1 Z. 1 SchPflG383), wie es beispielsweise beim Lycée français in Wien der Fall ist. Willy Weisz, Mitglied der israelitischen Kultusgemeinde und der B'nai B'rith-Loge, empfand es als wohltuend, an dieser Schule keinen religiösen Symbolen begegnet zu sein.384

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Darüber hinaus ist in Österreich die Möglichkeit des häuslichen Unterrichts in Art. 17 Abs. 3 StGG verfassungsrechtlich garantiert. Auf diese Weise kann nach Maßgabe des SchPflG die Schulpflicht erfüllt werden.385 Die einzige inhaltliche Voraussetzung dafür besteht darin, dass der Unterricht mindestens gleichwertig zu dem staatlicher Schulen sein muss (§ 11 Abs. 2 SchPflG).386 Die Anzeigepflicht vor Beginn des Schuljahres sowie die verpflichtende Prüfung vor Schulschluss sind wie bei den Privatschulen ohne Öffentlichkeitsrecht ausgestaltet.387 Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so ist der private häusliche Unterricht von Verfassungs wegen anzuerkennen.388

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Eine Pflicht, Kindergärten zu besuchen, bestand in Österreich bislang nicht, so dass Eltern, die ihre Kinder nicht mit Kreuzen in diesen Einrichtungen konfrontieren wollen, nicht vorbringen konnten, sie seien dazu gezwungen. Spätestens ab 1.9.2010 führen die Länder allerdings eine einjährige Kindergartenpflicht ein, von der jedoch noch großzügigere Ausnahmen vorgesehen sind als von der Schulpflicht. Sie besteht unter anderem dann nicht, wenn die Entfernung zur nächsten Kinderbetreuungseinrichtung zu weit ist bzw. die Wegeverhältnisse zu schwierig sind oder wenn die Bildungsziele durch häusliche Erziehung oder durch eine Tagesmutter bzw. einen Tagesvater ebenso erreicht werden.389

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Insgesamt kann somit nicht festgestellt werden, dass die Verpflichtung zum Anbringen von Kreuzen in Schulen und Kindergärten einen Eingriff in die Religionsfreiheit darstellt. Aufgrund der Besonderheiten im österreichischen Recht ist dies also noch weniger der Fall als dies bereits allgemein im Hinblick auf die EMRK ausgeführt wurde. Dennoch sollen auch an dieser Stelle - rein hypothetisch - die Grundrechtsschranken geprüft werden. Darauf bezieht sich der folgende Abschnitt.

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8.3. Schranken

 

8.3.1. Die Schrankenregelungen der drei Quellen der Religionsfreiheit

 

Zunächst ist zu untersuchen, ob die drei Verbürgungen der Religionsfreiheit mit Schranken versehen sind und wie weit diese reichen. Was Art. 14 StGG betrifft, geht Mayer davon aus, dass es sich um ein vorbehaltloses Grundrecht390 handle, das jede Kompetenz des Gesetzgebers, in den Freiraum einzugreifen, ausschließe und mit dem eine staatliche Maßnahme zu Gunsten einer bestimmten religiösen Richtung unvereinbar sei.391 Damit gelangt Mayer zu dem Schluss, die Pflicht zum Anbringen von Schulkreuzen verstoße gegen die Religionsfreiheit.

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Zu der Zeit, als das StGG entstand, war die Grundrechtsdogmatik noch nicht so weit entwickelt wie heute. Die meisten im StGG garantierten Grundrechte enthalten einen einfachen Gesetzesvorbehalt, der so verstanden wurde, dass Eingriffe gerechtfertigt sind, solange sie auf einem Gesetz im formellen Sinn beruhen. Art. 14 StGG weist die für den formellen Gesetzesvorbehalt typische Klausel in der Tat nicht auf. Das bedeutet allerdings noch nicht, dass das Grundrecht schrankenlos gewährt würde.

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Nach Art. 14 Abs. 2 StGG darf den staatsbürgerlichen Pflichten durch das Religionsbekenntnis kein Abbruch geschehen. Der Gesetzgeber von 1867 dürfte mit dieser Formulierung keine Grundrechtsschranke im heutigen Sinn verbunden haben, sondern stellte vielmehr klar, dass gewisse Pflichten den Schutzbereich der Religionsfreiheit von vornherein nicht berühren.392 Zu diesen Pflichten zählt Grabenwarter beispielsweise die Wehrpflicht, sonstige Dienstpflichten, die Pflichten als Geschworener bzw. Schöffe und die Pflicht, vor Gericht als Zeuge auszusagen.393 Generell sind die allgemeinen Staatsgesetze394 gemeint. Gewiss ist auch die Schulpflicht, die 1867 längst bestand, als staatsbürgerliche Pflicht anzusehen. Dass der damalige Gesetzgeber im Schulkreuz keinen Verstoß gegen Art. 14 StGG erblickte, zeigt sich darin, dass er das Verhältnis zwischen Schule und Kirche in mehreren Gesetzen völlig umgestaltete, um es den neuen Grundrechten anzupassen. Diese Gesetze betrachtet der VfGH als Ausführungsgesetze zu den Art. 14-17 StGG. Bezeichnenderweise ließ der Gesetzgeber die Schulkreuze jedoch unberührt.395

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Was speziell die negative Religionsfreiheit betrifft, enthält Art. 14 Abs. 3 StGG eine eindeutige Beschränkung der Freiheit, zu religiösen Handlungen nicht gezwungen werden zu können. Diese betrifft besondere, gesetzlich geregelte Gewaltverhältnissen. Ursprünglich zählten dazu die elterliche Gewalt, die Schule396, Gefängnisse, Gerichte usw. Selbst wenn man in der Präsenz des Schulkreuzes also einen Eingriff in die negative Religionsfreiheit unterstellen würde - was aber bereits verneint wurde -, wäre dieser bei historischer Interpretation des Grundrechts, da es sich um das Sondergewaltverhältnis Schule handelt, vom Vorbehalt des Art. 14 Abs. 3 StGG gedeckt.

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Die historische Auslegung des Art. 14 StGG ist jedoch grundsätzlich in Frage zu stellen, da der VfGH Grundrechte im Unterschied zu verfassungsrechtlichen Kompetenzbestimmungen nicht nach der Versteinerungstheorie, sondern zunehmend dynamisch interpretiert. Gibt man die historische Interpretation aber auf, so kann man sich nicht mehr darauf berufen, dass Art. 14 StGG ein vorbehaltloses Grundrecht sei, weil der klassische formelle Gesetzesvorbehalt fehle.397 Vielmehr gingen der VfGH und die herrschende Lehre zu der Ansicht über, dass jedes Grundrecht gewissen Schranken unterliege und auch vorbehaltlose Grundrechte wie beschränkte zu prüfen seien.398 Allenfalls sehr wenige Grundrechte, zu denen die Religionsfreiheit jedoch nicht gehört, können als schrankenlos garantiert gelten.399 Zumindest immanente Schranken, die sich aus den Grenzen des Schutzobjekts und den anderen verfassungsrechtlichen Normen ergeben, sind immer zu beachten.400 So führt der VfGH heute auch bei der Religionsfreiheit grundsätzlich eine Schrankenprüfung durch.401

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Interpretiert man Art. 14 StGG nach den heute gängigen Grundsätzen, so ist in Abs. 2 Satz 2 nicht mehr die Normierung eines Bereichs zu sehen, der den Schutzbereich des Grundrechts von vornherein unberührt lässt. Stattdessen wird die besagte Stelle als Anhaltspunkt für einen materiellen Gesetzesvorbehalt aufgefasst, wie ihn Rechtsprechung und überwiegend auch die Lehre nun auf die Religionsfreiheit anwenden.402 So erfährt der Schutzbereich eine Ausweitung und gleichzeitig treten die Schranken deutlicher hervor.403

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Für die Schranken der negativen Religionsfreiheit im Besonderen ist, wenn man die moderne Interpretation zugrunde legt, festzuhalten, dass nur noch wenige Sondergewaltverhältnisse akzeptiert werden können, die nach Art. 14 Abs. 3 StGG einen Eingriff rechtfertigen. Bereits Ermacora schied die Gerichte aus und ließ nur noch die elterliche Gewalt, die Schule und die Gefängnisse gelten.404 Nach heute verbreiteter Ansicht bleibt lediglich das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern in Bezug auf die religiöse bzw. weltanschauliche Erziehung übrig.405 In grundrechtlicher Hinsicht treten Sondergewaltverhältnisse heute unter einem völlig veränderten Gesichtspunkt ins Blickfeld. Sie werden nämlich nicht mehr zur Rechtfertigung von Eingriffen herangezogen. Im Gegenteil, sie rufen besondere positive Schutzpflichten des Staates hervor, die gewährleisten sollen, dass die Grundrechte auch innerhalb eines Sonderstatus' ausgeübt werden können. Dieses Phänomen wurde im Hinblick auf die EMRK bereits ausführlich behandelt (oben Abschnitt 3.3.4.).

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In dieser Hinsicht zeigt in Österreich die Rechtsprechung des VfGH gerade in Bezug auf die Religionsfreiheit von Gefängnisinsassen eine bemerkenswerte Entwicklung auf. So ist auch im Sonderstatusverhältnis "Schule" die positive Religionsfreiheit zu beachten. Diese Freiheit der anderen, aber nicht mehr die Eingriffsermächtigung des Art. 14 Abs. 3 StGG, bilden heute eine Schranke für die negative Religionsfreiheit jener, die das Kreuz in Schule und Kindergarten ablehnen. Bevor jedoch auf die Kollision mit der positiven Religionsfreiheit im österreichischen Recht näher eingegangen wird, ist es notwendig, die Schrankenregelungen der beiden anderen Grundrechtsquellen anzusprechen.

172

Art. 63 Abs. 2 StV St. Germain enthält eine materielle Grundrechtsschranke. Danach sind Eingriffe nur gerechtfertigt, wenn sie inhaltlich den Zielen der öffentlichen Ordnung oder der guten Sitten dienen. Nach einer älteren Entscheidung versteht der VfGH unter der öffentlichen Ordnung lediglich den Inbegriff der Grundgedanken, die die Rechtsordnung beherrschen,406 nach einem jüngeren Erkenntnis hingegen auch die öffentlich-rechtliche und sogar privatrechtliche Ordnung des Arbeitsrechts.407 Wegen dieser Schwankungen in der Rechtsprechung ist nicht sicher, ob der VfGH allgemein Ordnungsvorschriften öffentlicher Einrichtungen, im Besonderen Regelungen über die Ausstattung von Schulräumen, dazu zählen würde. Größeres Gewicht kommt ohnehin den immanenten Grundrechtsschranken zu, denn auch wenn die Rechte und Freiheiten anderer in Art. 63 Abs. 2 StV St. Germain nicht explizit erwähnt werden, so sind eventuell entgegenstehende Verfassungsnormen auf jeden Fall zu berücksichtigen. Die Prüfung, ob derartige Verfassungsnormen vorliegen, ist weiter unten vorzunehmen.

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Art. 9 Abs. 2 EMRK enthält einen materiellen Gesetzesvorbehalt.408 Eingriffe müssen nicht nur gesetzlich vorgesehen und durch materiell bestimmte Eingriffsziele gerechtfertigt sein, sondern zudem einer Verhältnismäßigkeitsprüfung standhalten. Dass sich die Pflicht zur Ausstattung von Klassenzimmern mit Kreuzen nach der Schrankenregelung des Art. 9 Abs. 2 EMRK rechtfertigen lässt, wurde bereits hinreichend dargelegt. Im Folgenden ist daher ergänzend zu untersuchen, welche Besonderheiten sich aus der österreichischen Rechtsordnung ergeben, vor allem welche immanenten Schranken durch Normen der österreichischen Verfassung eventuell hinzukommen. Der ehemalige Präsident des österreichischen VfGH Ludwig Adamovich bemerkte bereits zum Kruzifix-Beschluss des deutschen BVerfG, dass man die von diesem vorgenommene Abwägung der Rechtsgüter keineswegs teilen müsse.409

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8.3.2. Das Verhältnis verschiedener Verfassungsnormen im österreichischen Recht

 

Wie sich soeben zeigte, sind hinsichtlich der Kreuzfrage bei allen drei Quellen zur Religionsfreiheit vor allem die immanenten Schranken relevant, die sich aus anderen Verfassungsnormen ergeben. Es erscheint daher angebracht, zunächst einige grundsätzliche Überlegungen zum Verhältnis zwischen verschiedenen Verfassungsnormen im österreichischen Recht anzustellen.

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Obwohl die österreichische Rechtsordnung nicht ein einziges und einheitliches Verfassungsdokument, sondern mehrere Gesetze und Einzelbestimmungen von Verfassungsrang aufweist, wird die Verfassungsordnung insgesamt doch als Einheit betrachtet. Innerhalb der Verfassungsordnung besteht insofern eine Rangordnung als die so genannten "Baugesetze der Verfassung" Vorrang vor dem einfachen Verfassungsrecht genießen. Eine Änderung der Baugesetze - dazu gehören z. B. das demokratische, das republikanische und das bundesstaatliche Prinzip - käme einer Gesamtänderung der Verfassung gleich und könnte nicht vom Verfassungsgesetzgeber, sondern nur durch eine Volksabstimmung vollzogen werden. Die Grundrechte nehmen keinen besonderen Rang ein, sondern stehen formell auf derselben Stufe wie die übrigen einfachen Verfassungsnormen.410 Bei einer Güterabwägung im Einzelfall sind sie daher generell als gleichrangig zu behandeln.

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Rechtsprechung und Lehre üben in Österreich große Zurückhaltung, von einer "Kollision zwischen Grundrechten"411 zu sprechen bzw. zu deren Lösung das Prinzip der praktischen Konkordanz412 anzuwenden. Zu einer so genannten "Kollision" von Grundrechten kann es nur in einem Dreiecksverhältnis kommen, in dem eine Person A aufgrund eines Abwehrrechts einen Anspruch darauf hat, dass der Staat gerade jenes Verhalten unterlässt, auf das Person B aufgrund eines positiven Leistungsrechts einen Anspruch hat.413

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Jedenfalls ist inzwischen weitgehend anerkannt, dass in derartigen Konstellationen ein Eingriff in das Grundrecht von Person A dadurch gerechtfertigt ist, dass das Grundrecht der Person B geschützt wird. Der einfache Gesetzgeber ist verpflichtet, eine Regelung zu erlassen, die es den Vollzugsbehörden im konkreten Fall ermöglicht, eine wechselseitige Abgrenzung zwischen den kollidierenden Interessenssphären zu schaffen.414 Fälle, die zu dieser rechtsdogmatischen Entwicklung beigetragen haben, betreffen vor allem das Verhältnis von Demonstration und Gegendemonstration sowie das 1982 durch Art. 17a StGG neu eingeführte Grundrecht auf Kunstfreiheit.415 Trifft die Veranstaltung einer Gruppe auf die Gegendemonstration einer anderen, so können sich beide Gruppen auf dieselben Grundrechte der Versammlungs- und Meinungsfreiheit berufen und zugleich haben beide einen Anspruch darauf, dass der Staat ihre Kundgebung vor Störungen durch die anderen schützt. Das kann dazu führen, dass die eine Kundgebung zum Schutz der anderen Einschränkungen unterworfen wird.416 Da Art. 17a StGG die Kunstfreiheit dem Wortlaut nach ohne ausdrücklichen Gesetzesvorbehalt gewährt, stellte sich sehr bald die Frage, ob sie nicht etwa immanenten Schranken unterliegt. Dass sich diese unter anderem aus Grundrechten Dritter wie z. B. der Religionsfreiheit sowie anderen Grundwerten der Verfassung ergeben können, stößt heute weitgehend auf Zustimmung.417 Eine dritte Fallgruppe bildet der Konflikt zwischen der Medienfreiheit und dem Persönlichkeitsschutz.418 Gerade wegen des Prinzips der Einheit der Verfassungsordnung findet die Freiheit des einen ihre Grenze an der Freiheit des anderen.419

178

Diese Erkenntnisse lassen sich auf die Frage übertragen, ob ein Eingriff in die negative Religionsfreiheit durch Verfassungsbestimmungen mit entgegengesetzter Zielrichtung gerechtfertigt werden kann. Mögliche relevante Verfassungsbestimmungen sind im Folgenden zu untersuchen.

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8.3.3. Die positive Religionsfreiheit der anderen

 

Sowohl auf der Ebene der EMRK als auch in der österreichischen Rechtsordnung bringt die positive Religionsfreiheit Schutzpflichten des Staates mit sich, mit denen Eingriffe in andere Grundrechte gerechtfertigt werden können. Das entspricht der gesicherten Rechtsprechung des VfGH, der mit der positiven Religionsfreiheit beispielsweise bereits Eingriffe in die Erwerbsfreiheit420 (Art. 6 StGG), in die Meinungsfreiheit421 (Art. 10 EMRK) und in die Versammlungsfreiheit422 (Art. 11 EMRK) gerechtfertigt hat.423 Damit stimmt die Lehre424 weitgehend überein. Einige Autoren weisen insbesondere darauf hin, dass die Religionsfreiheit selbst keine derartige Ausdehnung erfahren kann, die eine Beeinträchtigung der Religionsfreiheit anderer zur Folge hätte.425 Dahinter steht die vom VfGH entwickelte Lehre zum Missbrauchsverbot. Somit gibt es keinen Grund, daran zu zweifeln, dass die positive Religionsfreiheit Eingriffe in die negative Religionsfreiheit rechtfertigt.

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Auch in Österreich ist anerkannt, dass die positive Religionsfreiheit gerade in Sonderstatusverhältnissen Leistungspflichten des Staates mit sich bringt. Während der VfGH in älteren Entscheidungen426 zur Religionsfreiheit von Häftlingen noch zurückhaltend war, erfuhr seine Rechtsprechung auf die Kritik der Lehre427 hin eine bemerkenswerte Wandlung.428 So erkannte der VfGH, dass es eine Verletzung der Religionsfreiheit nach Art. 14 StGG und Art. 9 EMRK darstellt, wenn einem gläubigen Juden, der in einem polizeilichen Arrestlokal in Haft gehalten wird, die Benützung religiöser Gegenstände - nämlich eines Gebetsriemens ("Tefillin") und eines Gebetsschals - verweigert wird.429 Damit vertrat der VfGH sogar eine großzügigere Haltung als die EKMR.430 Er hat sie in einem späteren Fall,431 als einem Strafgefangenen der Kontakt mit einem Seelsorger versagt worden war, bestätigt und dabei betont, dass sich Strafgefangene zumeist in einer schwierigen persönlichen Situation befinden und daher ein ernst zu nehmendes Bedürfnis nach seelsorglicher Betreuung haben können (Nr. III.4).432 Gewiss ist das Näheverhältnis zum Staat in einer Haftanstalt besonders intensiv,433 doch wird das Vorliegen eines Sonderstatusverhältnisses, das für den Staat Schutzpflichten im Hinblick auf die Religionsfreiheit mit sich bringt, zum Beispiel auch für Krankenhäuser434 anerkannt. Deshalb ist es nur folgerichtig, wenn ähnliches auch für die Schule Gültigkeit hat. Denn gerade dann, wenn die Zeit, die Lernende in der Schule verbringen müssen, immer weiter ausgedehnt wird, so dass immer weniger Möglichkeiten bleiben, die Religionsfreiheit in der Freizeit auszuüben, liegt es in der Verantwortung der die Schule, entsprechende Vorkehrungen treffen.

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Die positive Religionsfreiheit ist somit ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht, das eine Schranke für die negative Religionsfreiheit bildet.

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8.3.4. Weitere rechtfertigende Verfassungsbestimmungen

 

Eine weitere Verfassungsnorm, die einem Eingriff in die negative Religionsfreiheit durch das Anbringen von Schulkreuzen entgegengehalten werden kann, ist der schon erwähnte Art. 14 Abs. 5a B-VG (oben Abschnitt 7.1.3.). Demnach sollen die Schüler befähigt werden, in Orientierung an sozialen, religiösen und moralischen Werten Verantwortung für sich selbst, für die Mitmenschen, für die Umwelt und nachfolgende Generationen zu übernehmen. Im Unterschied zur positiven Religionsfreiheit handelt es sich dabei nicht um ein subjektives Grundrecht, sondern um eine objektive Verfassungsnorm. Nun wäre es in der Tat völlig unverständlich, wenn die österreichische Verfassung einerseits von der Schule verlangt, soziale, religiöse und moralische Werte zu vermitteln, gleichzeitig aber ein Symbol, das solche Werte in der Schule verkörpert, verfassungswidrig sein sollte.

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Aus dem zitierten Artikel, der die Ziele der österreichischen Schule zusammenfasst, geht klar hervor, dass sie keine Schule sein soll, die Religion ausklammert, sondern dass der staatliche Erziehungsauftrag umfassend und ganzheitlich verstanden wird und daher die religiöse Dimension des menschlichen Lebens einschließt.435 Da dies der ausdrückliche Auftrag des Verfassungsgebers ist, kann die negative Religionsfreiheit nicht so verstanden werden, dass sie Begegnungen mit Religion in der Schule ausschlösse. Schließlich bestünde sonst ein Widerspruch innerhalb der Verfassung. Es ist die Aufgabe des einfachen Gesetzgebers, eine Regelung zu schaffen, die sowohl mit Art. 14 Abs. 5a B-VG als auch mit den Normierungen der negativen Religionsfreiheit in Einklang steht. Dabei hat er einen weiten Gestaltungsspielraum, solange er beide Seiten berücksichtigt. Er muss nämlich einerseits der Religion in der Schule Raum geben, darf dies aber andererseits nicht in einer Weise tun, die die negative Religionsfreiheit verletzen würde, wie es etwa bei einer Indoktrination der Fall wäre. Dass dieser Fall bei der Schulkreuzregelung nicht gegeben ist, wurde bereits hinreichend dargelegt. Sie erscheint daher als legitime Ausgestaltung des verfassungsrechtlichen Auftrags, die keinen unverhältnismäßigen und daher nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die negative Religionsfreiheit darstellt.

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Zu klären bleibt noch, ob sich Art. 14 Abs. 5a B-VG nur auf Schulen oder auch auf Kindergärten bezieht. Die Bestimmung spricht zwar nur von "Schülern", "Kindern" sowie "Jugendlichen" und nicht von "Kindergärten", doch ergibt die kontextuelle Interpretation, dass diese ebenso gemeint sind. Der ganze Art. 14 ist nämlich eine Kompetenznorm über das Erziehungswesen, die sich sowohl auf Schulen als auch ausdrücklich auf Kindergärten erstreckt (vgl. Abs. 3 lit. d, Abs. 4 lit. b, Abs. 5 lit. a und c, Abs. 6, Abs. 9). Es wäre absurd, wenn etwa § 3 Abs. 1 des niederösterreichischen Kindergartengesetzes, der es den Kindergärten zur Aufgabe macht, einen Beitrag zur ethischen und religiösen Bildung zu leisten, und darin der Sache nach mit Art. 14 Abs. 5a B-VG übereinstimmt, verfassungswidrig sein sollte.

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Eine weitere und um vieles ältere Verfassungsnorm, die zur Rechtfertigung ergänzend anzuführen ist, findet sich in Art. 17 Abs. 4 StGG, der auf den Religionsunterricht Bezug nimmt. Dies ist die Grundlage dafür, dass der Religionsunterricht in Österreich als konfessionell verantworteter und nicht als indifferent-religionskundlicher ausgestaltet ist.436 Des Weiteren wird damit einmal mehr gezeigt, dass der österreichischen Verfassungsordnung eine Konzeption von Schule zugrunde liegt, welche die Religion einbezieht. Dieses Prinzip bewirkt, wie soeben dargelegt, dass die negative Religionsfreiheit nicht so verstanden werden kann, als müsste jeglicher Religionsbezug von der Schule ferngehalten werden. Gewiss ist der Religionsunterricht, wie bereits deutlich wurde, im Hinblick auf die Eingriffsintensität und die Ausweichmöglichkeiten437 anders zu beurteilen als das Schulkreuz, doch ist auch dieses im Religionsunterrichtsgesetz geregelt. Da der Religionsunterricht konfessionell geprägt ist und eine Abmeldemöglichkeit besteht, kann das Schulkreuz im christlichen Religionsunterricht ohne weiteres für religiöse Übungen Verwendung finden. In dieser Hinsicht besteht durchaus eine sachliche Verbindung.

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§ 2b RelUG ist zwar selbst keine Verfassungsnorm. Bei der Bestimmung seines Verhältnisses zum Verfassungsrecht ist aber zu beachten, dass die rechtfertigenden "Rechte und Freiheiten anderer" auch auf einfachgesetzlichen Positionen beruhen können438 und dass § 2b RelUG außerdem mehr ist als ein gewöhnliches einfaches Gesetz. Es ist nämlich durch Art. 14 Abs. 10 B-VG mit einem erhöhten Bestandschutz ausgestattet, der es gemessen an den erforderlichen Mehrheiten im Nationalrat, wenn eine Abänderung beabsichtigt wird, den Verfassungsgesetzen gleichstellt.439

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8.3.5. Verhältnismäßigkeitsprüfung

 

Nun genügt es zur Rechtfertigung nicht, wenn die mit dem Eingriff verfolgten Ziele ihre Deckung in anderen Verfassungsnormen finden. Vielmehr muss die zu prüfende gesetzliche Regelung geeignet und notwendig sein, um die jeweiligen Ziele zu erreichen, und zu diesen wiederum in einem adäquaten Verhältnis stehen.

188

Dass das Mehrheitsprinzip zur Abwägung der verschiedenen betroffenen Rechtsgüter geeignet ist, wurde bereits dargelegt (oben Abschnitt 3.3.5.). Nun enthält die österreichische Schulkreuzregelung in § 2b RelUG bereits ausdrücklich eine Bezugnahme auf das Mehrheitsprinzip und zwar in einer besonders verfeinerten Weise. Sie stellt nämlich nicht einfach grob auf die Religionszugehörigkeit der Bevölkerungsmehrheit ab, sondern auf das Bekenntnis der Mehrheit der Schüler an der jeweiligen Schule.440 Damit ermöglicht sie, gezielt auf die konkrete Lage an einer bestimmten Schule sowie auf die konfessionelle Zugehörigkeit der direkt Betroffenen einzugehen, und erweist sich somit als besonders adäquat und flexibel in Hinblick auf den Einzelfall.

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Würde die gesetzliche Regelung der negativen Religionsfreiheit mehr Gewicht einräumen, indem sie bereits den Wunsch eines einzigen Schülers zum Durchbruch kommen ließe, so müsste sie, da beide Grundrechte gleichrangig sind, dasselbe gewähren, wenn ein einzelner Schüler unter Berufung auf seine positive Religionsfreiheit das Anbringen eines religiösen Symbols verlangen würde. Im Ergebnis würde dieser Ansatz zu einem Durcheinander gegensätzlicher Einzelwünsche führen, das im Kontext der Schule zusätzliche Konflikte heraufbeschwören würde. Das Mehrheitsprinzip führt hingegen, da es immer nur eine Mehrheit geben kann, stets zu einer klaren Lösung. Hier wird auch deutlich, dass das Kreuz zwar auf staatliche Anordnung angebracht wird, dass der Staat den Lernenden damit aber nicht ein religiöses Symbol aufzwingt, sondern gleichsam für die Mehrheit der Schüler wirksam wird und durch seine Koordinierung Konflikte vermeidet. Mit der Gleitklausel hat der österreichische Gesetzgeber von vornherein ein Abwägungsprinzip im Sinne der Grundrechtskonformität eingebaut, das der italienischen und der vom deutschen BVerfG geprüften bayerischen Regelung fehlte. So kann die Mehrzahlklausel mit Mantl als "tolerante und realistische Mittellage zwischen positiver und negativer Religionsfreiheit"441 angesehen werden.

190

Problematisch erscheinen jene Landesgesetze, die keine Mehrheitsklausel enthalten (oben Abschnitt 7.1.4.). Wenn man jedoch von der Frage des Verhältnisses zwischen Bundesgrundsatz- und Landesausführungsgesetzen442 absieht und nur die Grundrechtskonformität betrachtet, wie sie an dieser Stelle allein von Interesse ist, so ist daran zu erinnern, dass das Abstellen auf die Mehrheit der Bevölkerung und die Tradition des Landes, wie bereits festgestellt wurde (oben Abschnitt 3.3.5.), für die Rechtfertigung eines allfälligen Eingriffs genügt.

191

Gewiss sind Fälle denkbar, in denen der Minderheitenschutz stärker zum Tragen kommen muss. Dies gilt vor allem dann, wenn der Position eines Einzelnen wegen seiner persönlichen Konstitution, Herkunft oder Lebensgeschichte stärkeres Gewicht beigemessen werden muss. Dies ist im Einzelfall abzuklären, kann jedoch keinen prinzipiellen Einwand gegen die generelle Regelung darstellen.

192

Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass die österreichische Rechtsordnung einzelnen Schülern nicht verbietet, eigene religiöse oder weltanschauliche Symbole zu tragen bzw. mitzubringen. Damit relativiert sich die Exklusivität eines einzigen religiösen Symbols und es entsteht Raum für den Pluralismus. Ausgeschlossen sind nur, ganz allgemein, Kleidung oder Gegenstände, die die Sicherheit gefährden oder den Schulbetrieb stören.443 Ein Verbot des muslimischen Tschador wäre gesetzlich nicht gedeckt.444 Er kann auch in Klassen, in denen ein Kreuz hängt, ohne weiteres getragen werden.445 Auch in dieser Hinsicht erweist sich die österreichische Rechtslage im Vergleich mit anderen europäischen Ländern als sehr offen und ausgewogen.

193

Somit berücksichtig die österreichische Regelung auch das Toleranzgebot. Das Prinzip der religiösen und weltanschaulichen Toleranz liegt den Art. 66-68 StV St. Germain unmissverständlich zugrunde und ist nach Art. 14 Abs. 5a B-VG im öffentlichen Erziehungswesen zu vermitteln. Diese Aufgeschlossenheit gegenüber fremdem Denken wird durch eine Schule, die Religion und religiöse Symbole einbezieht, adäquater gefördert, als durch eine Schule, die sie ausschließt und damit suggeriert, sie wären von Staats wegen nicht zu respektieren.446

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Resümierend lässt sich festhalten, dass die österreichische Regelung für Kreuze in Schulen und Kindergärten die Religionsfreiheit nicht verletzt. Selbst wenn man einen Grundrechtseingriff annehmen würde, was jedoch nicht offensichtlich ist, wäre dieser als wenig intensiv anzusehen, ließe sich durch andere Verfassungsnormen rechtfertigen und hielte der Verhältnismäßigkeitsprüfung stand. Bei der Prüfung eines Gesetzes auf Verfassungskonformität kommt es im Übrigen nicht darauf an, ob der Gesetzgeber die bestmögliche Lösung zum Ausgleich der verschiedenen Positionen verwirklicht hat. Mögliche Optimierungsvorschläge sind weiter unten in Kapitel 13 zu diskutieren.

195

 

 

9. Grundrechtsprüfung Elternrecht

 

9.1. Schutzbereich

 

Das 1. ZPMRK genießt in der internen Rechtsordnung Österreichs wie die EMRK selbst Verfassungsrang. Eine dem Art. 2 Satz 2 1. ZPMRK vergleichbare Normierung des elterlichen Erziehungsrechts findet sich im österreichischen Verfassungsrecht - wenn man von der Freiheit des häuslichen Unterrichts nach Art. 17 Abs. 3 StGG absieht - an keiner anderen Stelle. Da für das Elternrecht somit keine besondere Rechtsgrundlage besteht und auch die Rechtsprechung des VfGH dem Art. 2 Satz 2 1. ZPMRK keine eigene Prägung verliehen hat, kann hinsichtlich der Grundrechtsprüfung des Elternrechts weitgehend auf Kapitel 4 verwiesen werden. In älteren Entscheidungen, die in Kapitel 8 bereits erwähnt wurden, prüfte der VfGH das elterliche Erziehungsrecht auf der Grundlage von Art. 14 StGG und Art. 63 Abs. 2 StV St. Germain. Insofern schützt die schon besprochene Religionsfreiheit ebenfalls einen Ausschnitt des in Art. 2 1. ZPMRK garantierten Elternrechts.447 Jedenfalls fällt die Schulkreuzregelung auch nach österreichischem Recht in den Schutzbereich des elterlichen Erziehungsrechts.

196

 

 

9.2. Eingriff

 

Auch hinsichtlich des Eingriffs ist auf das, was zu Art. 2 1. ZPMRK erläutert wurde, zu verweisen. Nur zwei Anmerkungen sind aufgrund der Besonderheiten des österreichischen Rechts hinzuzufügen.

197

Erstens kann das vom EGMR entwickelte Prinzip, wonach eine objektive, kritische und pluralistische Unterweisung keinen Eingriff in das Grundrecht darstellt, im Hinblick auf die österreichische Rechtslage nicht so verstanden werden, als wäre in der Schule nur die Vermittlung von Faktenwissen oder rein technischen Kenntnissen zulässig. Bildung und Erziehung lassen sich außerdem nicht auf die Entwicklung einer kritischen Haltung reduzieren.448 Die Schule kann und soll sich nicht mit wertneutraler Wissensvermittlung begnügen.449 Der VfGH450 bekräftigte im Gegenteil, dass als "Schulen" nur diejenigen Bildungseinrichtungen anzusehen sind, die über kognitives Lernen hinaus ein erzieherisches Ziel anstreben. Und diese Ziele, zu denen auch die Vermittlung von Werten und Haltungen gehört, schließen nach Art. 14 Abs. 5a B-VG die religiöse Dimension mit ein. Das bedeutet gewiss nicht, dass die gesamte Schule eine intentionale religiöse Erziehung betreiben sollte.451 Diese ist dem konfessionell verantworteten Religionsunterricht vorbehalten, von dem die Möglichkeit der Abmeldung besteht. Dennoch ist bei der Regelung, Planung und Realisierung der gesamten Unterrichts- und Erziehungsarbeit auf die religiöse Komponente des Erziehungsauftrags Rücksicht zu nehmen und ein der religiösen Erziehung entgegenkommendes Schulklima zu erhalten, dem unter anderem die Schulkreuze dienen.452 Diese können bei einer derartigen Sicht des staatlichen Erziehungsauftrags daher erst recht keinen Eingriff in das Elternrecht darstellen.

198

Zweitens ist noch einmal auf die Ausweichmöglichkeiten hinzuweisen, die das österreichische Recht in Form von nicht-öffentlichen Privatschulen sowie von häuslichem Unterricht gewährt453 und die weit über das von Art. 2 1. ZPMRK geforderte Ausmaß hinausgehen.454 Auch in dieser Hinsicht ist ein Eingriff aufgrund der besonderen österreichischen Verhältnisse erst recht zu verneinen.

199

 

 

9.3. Schranken

 

Will man dennoch die Schranken prüfen, so kommt auch nach dem österreichischen Recht vor allem das gleichrangige Grundrecht anderer Eltern in Betracht, die das Schulkreuz im Sinne ihrer religiösen Erziehung beibehalten wollen. Dem ist nichts hinzuzufügen.

200

Aus der staatlichen Schulhoheit (Art. 17 Abs. 5 StGG und Art. 14 Abs. 1-5 B-VG) eine Schranke für das Elternrecht zu konstruieren, wird angesichts der österreichischen Rechtslage noch weniger gelingen, weil sie keinen Vorrang455 vor dem Elternrecht genießt. Außerdem wird sie bereits durch Art. 17 Abs. 2 und 3 StGG (Privatschulfreiheit und häuslicher Unterricht)456 begrenzt. Als Kompetenznorm ermöglicht sie dem einfachen Gesetzgeber ein legislatives Tätigwerden, das sich aber seinerseits an den Grundrechten messen lassen muss.

201

Auf keinen Fall kann den Eltern, die das Schulkreuz aus weltanschaulichen Gründen ablehnen, entgegengehalten werden, dass sie zur religiösen Erziehung der Kinder verpflichtet wären. Während der ursprüngliche § 146 Abs. 1 ABGB457 eine derartige Pflicht begründete, spricht die heute geltende Fassung nur noch von den körperlichen, geistigen, seelischen und sittlichen Kräften.458 Gerade wegen der Erziehungsfreiheit kann heute eine Pflicht zur Erziehung in einem bestimmten religiösen Glauben nicht mehr bestehen. Die Eltern blieben nur dann hinter ihrer ganzheitlichen Erziehungspflicht zurück, wenn sie die seelisch-sittliche Dimension völlig ausklammern würden.

202

Zusätzlich zur gleichen Freiheit anderer Eltern können in Österreich jene Verfassungsnormen als Schranken angeführt werden, denen zufolge das öffentliche Erziehungswesen die religiöse Komponente einzubeziehen hat. Diesbezüglich gilt für das Elternrecht dasselbe wie für die negative Religionsfreiheit.

203

Nach österreichischem Recht bildet also nicht nur das gleiche Recht anderer Eltern, sondern auch der staatliche Erziehungsauftrag, der die religiöse Komponente einschließt, eine Schranke. Da somit mehr Schranken vorliegen und die einfachgesetzliche Regelung mit der Mehrheitsklausel von vornherein adäquater und flexibler ist, muss die Verhältnismäßigkeitsprüfung auch unter Berücksichtigung des Elternrechts umso mehr zu Gunsten des Kreuzes in Schulen und Kindergärten ausschlagen.

204

 

 

10. Prüfung nach dem Gleichheitsgebot

 

Ein allgemeines Gleichheitsgebot für österreichische Staatsbürger, das Diskriminierungen unter anderem aus Gründen des Bekenntnisses ausschließt, enthalten Art. 2 StGG und Art. 7 B-VG. Spezielle Diskriminierungsverbote wegen der Religionszugehörigkeit finden sich in den Art. 66-68 StV St.Germain. Zudem ist Art. 14 EMRK unter den Voraussetzungen der EMRK zu beachten.459

205

Im Ergebnis ist die österreichische Rechtslage nicht anders zu beurteilen, als es oben bereits allgemein im Hinblick auf die EMRK geschehen ist. Art. 66 Abs. 1 und 2 StV St. Germain untersagt Diskriminierungen in Bezug auf bürgerliche und politische Rechte, doch solche enthält die österreichische Schulkreuzregelung nicht. Nach Art. 67 StV St. Germain erhalten Angehörige religiöser Minderheiten auch faktisch dieselben Garantien wie andere Staatsangehörige. In Bezug auf das Schulkreuz ist hier vor allem das Recht, Schulen und Erziehungsanstalten zu errichten, von Interesse. Dies stellt eine Möglichkeit dar, die oben bereits ausführlich erörtert wurde und der Ausgestaltung eines Unterrichtswesens dient, die besondere Wünsche und Bedürfnisse berücksichtigt. Die aus Art. 15 StGG ableitbare Parität der gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften bezieht sich hingegen nur auf die in dieser Bestimmung genannten Materien.460

206

Wenn nach dem EGMR-Urteil im belgischen Sprachenfall Ungleichbehandlungen in Bezug auf Art. 2 1. ZPMRK durch das Mehrheitsprinzip zu rechtfertigen sind, dann gilt das in besonderem Maße für die österreichische Schulkreuzregelung mit ihrer Mehrheitsklausel.461 In Österreich, wo der VfGH den Gleichheitssatz der Art. 2 StGG und 7 B-VG vor allem im Sinne eines Sachlichkeitsgebotes462 anwendet, kann daher angesichts des objektiven Kriteriums nicht von einer unsachlichen Differenzierung gesprochen werden. Auf die Möglichkeit, eigene religiöse Symbole zu verwenden, die die Exklusivität des Kreuzes durchbricht und einer Pluralität Raum schafft, welche die tatsächlichen Verhältnisse in der Klasse widerspiegelt, wurde bereits hingewiesen. So wird die österreichische Regelung dem Gleichheitsprinzip nicht widersprechen.

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11. Das Neutralitätsprinzip

 

Selbst Kritiker des obligatorischen Aufhängens von Kreuzen in Klassenzimmern räumen ein, dass gegen diese Regelung weniger die Grundrechte als vielmehr die staatliche Neutralitätspflicht, d.h. weniger die subjektiven Rechte von Eltern und Schülern als vielmehr das objektive Verfassungsrecht, ins Treffen zu führen sei.463 Einige Autoren zählen das Neutralitätsgebot zu den Baugesetzen der österreichischen Verfassung und sprechen vom "säkularen"464, bzw. sogar von einem "laizistischen Prinzip"465. Baugesetze genießen in der österreichischen Rechtsordnung Vorrang vor einfachen Verfassungsbestimmungen, zu denen auch die Grundrechte gehören. Ließe sich ein entsprechendes Baugesetz nachweisen, so erschienen die bisher angestellten Überlegungen zum Verhältnis zwischen verschiedenen Verfassungsnormen also in einem anderen Licht.

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Die herrschende Lehre hat sich der Ansicht, die österreichische Verfassung kenne ein entsprechendes Baugesetz, jedoch nicht angeschlossen.466 Sie kann sich darauf stützen, dass es in der Verfassungsordnung nicht ausdrücklich verankert ist. Nun können Baugesetze zwar auch implizit als allgemeine Prinzipien in anderen Verfassungsbestimmungen enthalten sein, doch ist bei einer derartigen Ableitung Vorsicht geboten, damit Baugesetze nicht in inflationärer Weise und je nach Interessenslage vermehrt werden.

209

Auch wenn es sich nicht um ein Baugesetz handelt, lässt sich nicht bestreiten, dass der österreichischen Rechtsordnung ein Prinzip zugrunde liegt, demnach der Staat in religiöser und weltanschaulicher Hinsicht neutral zu sein hat. Es muss aber genauer geklärt werden, was der einzelne Autor konkret darunter versteht, da es - wie bereits dargelegt - sehr verschiedene Auffassungen von Neutralität gibt. Wenn etwa Ermacora / Baumgartner467 in der Überschrift des entsprechenden Kapitels von einem "laizistischen Prinzip" sprechen, so erwecken sie mit diesem sehr starken Begriff zunächst den Eindruck, als wäre Österreich eine laizistische Republik ähnlich wie Frankreich.468 Im darauf folgenden Text betonen sie jedoch, dass es sich um keine kirchenfeindliche Trennung und nicht um die öffentliche Missachtung von Glauben und Religion handelt, da dies mit der österreichischen Rechtsordnung nicht vereinbar wäre. So zeigt sich letzten Endes, dass sie die staatliche Neutralität in Wirklichkeit als hereinnehmende verstehen und von einem Kooperationsmodell ausgehen.

210

Nun widerspricht das Prinzip der hereinnehmenden Neutralität, wie Kalb / Potz / Schinkele aufgezeigt haben, der Schulkreuzregelung nicht, sondern verlangt vom Staat im Gegenteil, gerade damit dieser neutral bleibt und nicht in parteilicher Weise den Nicht-Glauben privilegiert, die Einbeziehung der religiösen Dimension in den öffentlichen Raum. Denn der Staat selbst hat den Bereich "Schule, Bildung und Erziehung" nach und nach in seine Obsorge genommen und damit öffentlich gemacht.469

211

Da das Neutralitätsprinzip in der österreichischen Rechtsordnung nicht ausdrücklich verankert ist, sondern aus anderen Bestimmungen abgeleitet werden muss, kann sein Inhalt nicht über das hinausgehen, was in diesen Bestimmungen bereits enthalten ist. Es wäre ein Fehlschluss, aus einzelnen Bestimmungen zunächst induktiv ein allgemeines Prinzip zu gewinnen und aus diesem dann deduktiv Folgerungen abzuleiten, die mit den einzelnen Bestimmungen nicht vereinbar sind.470 Das Prinzip der Neutralität bzw. Säkularität wird in der Regel aus der individuellen und aus der korporativen Religionsfreiheit (Art. 14 und 15 StGG) sowie dem Gleichheitssatz abgeleitet.471 Nun stehen diese Verfassungsbestimmungen, wie bereits ausführlich aufgezeigt wurde, aber in Einklang mit der Schulkreuzregelung. Es wäre daher nicht erklärbar, wie ein aus diesen Bestimmungen abgeleitetes Neutralitätsprinzip mit der besagten Regelung in Widerspruch stehen sollte.472

212

Der Auffassung von Kalb / Potz / Schinkele, der zufolge die hereinnehmende Neutralität hauptsächlich im Bereich der nicht qualifiziert hoheitlichen Staatstätigkeit ihren Platz hat, in den auch die Schule fällt,473 hält Thienel entgegen, dass der Staat auch außerhalb dieses Bereichs an die Grundrechte gebunden ist.474 Das ist zweifellos richtig, doch eine Grundrechtsverletzung wäre erst nachzuweisen und wird von Thienel selbst in letzter Konsequenz nicht einmal behauptet.475 Es erscheint problematisch, die Grundrechtsprüfung dahingestellt lassen, um sich der Neutralitätsprüfung zu widmen, eine Neutralitätspflichtverletzung aber wiederum damit zu bekräftigen, dass der Staat auch im Bereich der hereinnehmenden Neutralität an Grundrechte, insbesondere den Gleichheitssatz, gebunden sei.

213

Abschließend ist festzuhalten, dass der Grundsatz des VfGH, Gesetze nach Möglichkeit verfassungskonform zu interpretieren, bei der Schulkreuzregelung in besonderem Maße angebracht ist,476 weil sie im Schulvertrag völkerrechtlich abgesichert ist und sonst ein Konflikt mit einer völkerrechtlichen Verpflichtung entstünde. Dieser Umstand ist im folgenden Kapitel zu untersuchen.

214

 

 

12. Die völkerrechtliche Problemlage

 

12.1. Kollision völkerrechtlicher Verträge

 

Bisher wurde nur die innerstaatliche Rechtslage Österreichs untersucht. Parallel dazu erhebt sich jedoch ein Problem auf völkerrechtlicher Ebene. Sowohl die EMRK und ihre Zusatzprotokolle als auch der Schulvertrag sind völkerrechtliche Verträge, die die Republik Österreich abgeschlossen hat. Unterstellt man Art. 9 EMRK und Art. 2 1. ZPMRK aufgrund des Urteils Lautsi einen Inhalt, der zu Z. 2 lit. b des Schlussprotokolls des Schulvertrags in Widerspruch steht, so stellt sich die schwierige Frage der Kollision völkerrechtlicher Verträge.

215

Die Derogationsregeln zu Gunsten des späteren bzw. des spezielleren Gesetzes sprächen beide für den Schulvertrag, da dieser gegenüber der allgemeinen Verbürgung der Religionsfreiheit und des Elternrechts die speziellere Vorschrift darstellt und von Österreich 1962, also nach dem Beitritt zur EMRK und dem 1. ZPMRK im Jahr 1958, abgeschlossen wurde. Diese Regeln sind im Völkerrecht jedoch nicht ohne weiteres anwendbar.477 So gilt das lex-posterior-Prinzip nach Art. 30 Abs. 3 und Abs. 4 lit. a WVK I478 nur für Verträge, die zwischen denselben Vertragsparteien abgeschlossen wurden.479 Da der Heilige Stuhl der EMRK und ihren Zusatzprotokollen nicht beigetreten ist, liegt dieser Fall jedoch nicht vor.

216

Bei der zu prüfenden Konstellation geht es vielmehr darum, dass Österreich mit verschiedenen Vertragspartnern nacheinander Verträge abgeschlossen hat, die das Land nun nicht gleichzeitig einhalten kann. Für die Lösung einer derartigen Kollision bietet das Völkerrecht keine allgemeinen Regeln. Zu prüfen ist jedoch, ob die betreffenden Verträge selbst Regeln für solche Fälle enthalten.

217

Das Günstigkeitsprinzip des Art. 53 EMRK ist nicht einschlägig, da der Schulvertrag zwar eine andere völkerrechtliche Übereinkunft eines Konventionsstaates ist, nicht aber eine Übereinkunft, die Menschenrechte und Grundfreiheiten regelt. Selbst wenn man dies wegen der Grundrechtsrelevanz der Z. 2 lit. b SchulV bejahen möchte, wäre nicht selbstverständlich klar, welches die günstigere Regelung ist. In Anbetracht der positiven Religionsfreiheit wäre es der Schulvertrag, in Anbetracht der negativen Religionsfreiheit die EMRK. Ebenso wenig ist Art. 55 EMRK anwendbar, der sich nur auf Übereinkünfte zwischen den Konventionsstaaten bezieht und nur die Frage des Vorrangs anderer Streitbeilegungsverfahren behandelt. Gemäß Art. 57 EMRK einen Vorbehalt bezüglich der Schulkreuzregelung zu machen, hat Österreich beim Beitritt zur EMRK unterlassen und ist nachträglich nicht mehr möglich. Aus diesem Grund eine Kündigung nach Art. 58 Abs. 1 EMRK vorzunehmen, das wäre unverhältnismäßig und unrealistisch.

218

Der Schulvertrag enthält keine Kollisionsregel, sondern nur eine so genannte Freundschaftsklausel (Art. V). Dieser zufolge behalten sich die Vertragspartner das Recht vor, bei einer wesentlichen Änderung der derzeitigen Struktur des öffentlichen Schulwesens oder einer wesentlichen Änderung der staatsfinanziellen Lage Verhandlungen über eine Modifikation des Vertrages zu begehren. In der vorliegenden Konstellation ist jedoch keine der genannten Voraussetzungen gegeben. Außerdem setzt eine derartige Neuverhandlung immer die Bereitschaft des Vertragspartners voraus. Angesichts der Reaktionen des Heiligen Stuhls auf das Urteil Lautsi kann damit allerdings nicht gerechnet werden.

219

Schließlich ist noch der Grundsatz zu erwägen, wonach ein völkerrechtlicher Vertrag ungültig ist, wenn er grundlegende verfassungsrechtliche Vorschriften eines Partners verletzt und diese Verletzung dem anderen offenkundig bekannt war.480 Die EMRK und das 1. ZPMRK gehörten beim Abschluss des Schulvertrags zur österreichischen Verfassungsordnung. Der genannte Grundsatz bezieht sich jedoch hauptsächlich auf die Verletzung verfahrens- und kompetenzrechtlicher Vorschriften über den Abschluss völkerrechtlicher Verträge. Was das materielle Verfassungsrecht betrifft, erstreckt er sich hingegen nur auf grundlegende Bestimmungen, die mit der Abschlusskompetenz in Zusammenhang stehen.481 Das ist im Hinblick auf die Schulkreuzregelung aber nicht der Fall. Dass diese gegen österreichisches Verfassungsrecht verstoßen könnte, war weder offensichtlich noch einer der Vertragsparteien bewusst.

220

Es bleibt somit dabei, dass die Kollision nicht gelöst werden kann und beide Vertragswerke gleichrangig und uneingeschränkt nebeneinander wirksam sind.482 Aufgrund des Prinzips "pacta sunt servanda" (Art. 26 WVK I) ist Österreich ungeachtet dessen, dass es sie möglicherweise nicht zugleich erfüllen kann, zur Einhaltung beider verpflichtet. Aufgrund des völkerrechtlichen Prinzips "pacta tertiis nec nocent nec prosunt" (vgl. Art. 34 WVK I)483 erwachsen weder den anderen Konventionsstaaten Verpflichtungen aus dem Schulvertrag noch dem Heiligen Stuhl Verpflichtungen aus der EMRK. Österreich ist sowohl den Konventionsstaaten als auch dem Heiligen Stuhl gegenüber völkerrechtlich verantwortlich und haftet gegenüber beiden Seiten für eventuelle aus dem Gegensatz folgende Rechtsverletzungen.

221

 

 

12.2. Völkerrechtskonforme Interpretation

 

Zu einer Lösung des Konflikts kann man nur gelangen, wenn man bedenkt, wie er entstanden ist und woraus er sich ergibt. Art. 9 EMRK und Art. 2 1. ZPMRK widersprechen nicht an sich einem verpflichtenden Anbringen von Kreuzen in Klassenzimmern. Als Österreich diesen Verträgen beigetreten ist, war von seinem Vertragsabschlusswillen nicht erfasst, dass die Praxis der Schulkreuze, die sich damals auf einen Ministerialerlass stützte, davon betroffen sein sollte. Nach dem Willen der Urheber der EMRK sollte sie die verschiedenen staatskirchenrechtlichen Systeme, wie bereits dargelegt, überhaupt unberührt lassen. Als Österreich 1962 ein Gesetz und einen völkerrechtlichen Vertrag mit Regelungen über die Schulkreuze verabschiedete, hatte das Land weder die Absicht noch war es sich bewusst, damit Verfassungsrecht zu ändern oder völkerrechtliche Verpflichtungen zu durchkreuzen.484 Wenn es eine Kollision gibt, dann ist sie allein aufgrund einer judikativen Interpretation der beiden Grundrechtsnormen entstanden, die von einem Rechtsprechungsorgan der EMRK fast 60 Jahre nach ihrer Verabschiedung vorgenommen wurde und die Rechtslage in einem anderen Konventionsstaat betrifft.485 Gewiss tritt bei multilateralen internationalen Verträgen, insbesondere wenn sie dem Schutz der Menschenrechte dienen, die subjektive und historische Interpretation im Allgemeinen hinter der objektiven und dynamischen zurück. Im vorliegenden Fall ist jedoch zu berücksichtigen, dass eine derartige Auslegung zu einer Unvereinbarkeit mit einer anderen Norm des Völkerrechts führen würde.

222

Auf österreichischer Seite war man der Überzeugung, dass die in der Konvention und dem Zusatzprotokoll geschützten Rechte und Grundfreiheiten durch die österreichische Rechtsordnung im Wesentlichen schon seit langer Zeit gewährleistet seien und dass Österreich dort, wo dies überhaupt erforderlich ist, die Verpflichtung übernimmt, seine Vorschriften anzupassen bzw. in Zukunft keine widersprechenden zu erlassen.486 Dazu hielt der VfGH in einem Fall487 zum Rechtsschutz im Verwaltungsverfahren fest, dass zu jener Zeit nicht absehbar war, in welche Richtung die Rechtsprechung des EGMR bei der Auslegung gehen würde, und stellte klar, dass der VfGH an später ergangenes Verfassungsrecht selbst dann gebunden wäre, wenn sich aus ihm Änderungen gegenüber den Grundsätzen der EMRK ergeben würden. Erst recht können daher bestimmte Auslegungen zur EMRK dem nationalen Staatsorganisationsrecht, das in Verfassungsrang steht, nicht entgegengehalten werden.488 In diesem Erkenntnis ging es um einen Konflikt zwischen der EMRK als völkerrechtlichem Vertrag mit der nationalen Verfassungsordnung. Erkenntnisse des VfGH zu Konflikten zwischen verschiedenen völkerrechtlichen Verträgen sind selten, lassen aber ebenfalls eine starke Zurückhaltung durchscheinen. In einem Fall, in dem einzelne Abkommen mit Kroatien, Tschechien und der Slowakei dem Schengener Durchführungsübereinkommen gegenüberstanden, lehnte der VfGH die Aufhebung österreichischer Rechtsvorschriften ab, die diese Übereinkommen ausführten.489 Die völkerrechtlichen Verträge selbst kann der VfGH ohnehin nicht aufheben; er könnte allenfalls ihre Rechtswidrigkeit feststellen und bestimmen, dass sie - eventuell nach Ablauf einer festgesetzten Frist - von den Vollziehungsorganen nicht mehr anzuwenden sind (Art. 140a B-VG).490

223

Angesichts der Tatsache, dass die Unvereinbarkeit - wenn überhaupt - erst aufgrund einer nicht vorhersehbaren Interpretation durch den EGMR entstanden ist, kann die Republik Österreich dem Konflikt nur begegnen, indem sie eine offizielle Erklärung mit dem Inhalt abgibt, dass sie aufgrund anderweitiger völkerrechtlicher Verpflichtungen an der bisherigen Interpretation von Art. 9 EMRK und Art. 2 1. ZPMRK festhalten muss. In diesem Licht ist die Entschließung des Nationalrates zu sehen, mit der er die Bundesregierung, den Kanzler und die Minister ersucht, gegenüber dem Europarat, dem EGMR und allen EU-Mitgliedsstaaten folgende Haltung zu vertreten: Die Wertungen, Kriterien und Schlussfolgerungen des EGMR im Urteil Lautsi gingen über die Auslegung der Konvention, wie sie diesem Gerichtshof zukommt, weit hinaus und entsprächen nicht dem Verständnis des im Art. 9 EMRK verankerten Grundrecht auf Glaubens-, Gewissens- und Religionsfreiheit, zu dessen Gewährleistung sich Österreich durch den Beitritt zur EMRK verpflichtet hat.491 Österreich hat im Revisionsverfahren, wie neun andere Konventionsstaaten auch, eine ablehnende Stellungnahme zum Urteil Lautsi abgegeben.

224

Wenn die Äußerung eines Vorbehalts heute nicht mehr möglich ist und eine Kündigung entschieden zu weit ginge bzw. aus anderen Gründen nicht angemessen erscheint, muss eine derartige schlichte Erklärung auf jeden Fall möglich sein, zumal die richterliche Rechtsfortbildung erst jetzt aufgetreten ist und daher erst jetzt darauf reagiert werden kann. Der EGMR kann sich seinerseits als internationales Rechtsprechungsorgan nicht über das allgemeine Völkerrecht hinwegsetzen und einen Konventionsstaat von der Erfüllung völkerrechtlicher Verpflichtungen abhalten. Im EU-Recht, das hier zwar nicht einschlägig, aber doch einem Vergleich dienlich ist, werden völkerrechtliche Verträge, die ein Staat zu einem Zeitpunkt abgeschlossen hat, als er bereits Mitglied war, aber als ein späterer Kompetenzzuwachs der EU, der in der Folge zu einer Unvereinbarkeit mit dem Vertrag führte, noch nicht vorhersehbar war, in derselben Weise geschützt wie Verträge, die vor dem Beitritt geschlossen worden waren.492

225

In der Tat scheint die völkerrechtskonforme Interpretation493 der zwei Vertragswerke, die den Schutzgütern von beiden möglichst weitgehend gerecht wird,494 der einzige Weg zu sein, um den Konflikt zu lösen.495 In dem schon erwähnten Erkenntnis (VfSlg. 16628, Z. III.2.b) verwies der VfGH, da in jenem Fall EU-Recht betroffen war, auf das Instrument der gemeinschaftsrechtskonformen Interpretation. Im Grunde verfolgen sowohl die EMRK und das 1. ZPMRK als auch der Schulvertrag dasselbe Ziel, nämlich den Schutz der Religionsfreiheit und des Erziehungsrechts. Allein der Schulvertrag geht den Weg einer Grundrechtsofferte, um die Ausübung des positiven Rechts zu erleichtern, während der EGMR den Grundrechtskatalogen eine Interpretation zugrunde legt, die den negativen Aspekt bevorzugt. Eine Vereinbarkeit ist dann erreichbar, wenn auf Seiten der EMRK der positive Aspekt stärker hervorgehoben wird und auf Seiten des Schulvertrags die Möglichkeiten hervorgehoben werden, die dieser im Hinblick auf eine angemessene und sachgerechte Anwendung insbesondere durch die Gleitklausel bietet. In dieser Klausel sowie in der völkerrechtlichen Verpflichtung liegen wesentliche Unterschiede zur Rechtslage in Italien - und übrigens auch zu Bayern -, die der EGMR jedenfalls berücksichtigen müsste.

226

 

 

13. Mögliche Anpassungen

 

In der Literatur werden mehrere Verbesserungen der Schulkreuzregelung de lege ferenda vorgeschlagen. Die Hauptanregungen sollen hier kurz vor allem unter Rückbezug auf die Grundrechtsfrage diskutiert werden.

227

(1) Klasse statt Schule: In Bezug auf die österreichische Regelung schlagen einige Autoren vor, die Mehrzahlklausel dahingehend zu verfeinern, dass es nicht auf das Bekenntnis der Mehrzahl der Schüler einer ganzen Schule, sondern nur der jeweiligen Klasse ankommen soll.496 Gewiss würde damit, zumal das Kreuz nicht nur an einer Stelle in der Schule, sondern in jeder Klasse hängt, erreicht, dass die Entscheidung in größerer Nähe zu den unmittelbar Betroffenen fällt. Ob die Autoren, die dies befürworten, die grundrechtliche Lage dann wesentlich anders bewerten würden, ist jedoch fraglich. Zudem stößt dieser Vorschlag auf Probleme in der praktischen Durchführung, weil es abgesehen von Fachräumen wie Kunst- und Musiksälen im österreichischen Schulalltag nicht selten vorkommt, dass ein und dasselbe Klassenzimmer im Laufe des Tages von unterschiedlich zusammengesetzten Schülergruppen besucht wird. Ein ständiges Auf- und Abhängen könnte die Folge sein.497 Dies liefe jedoch nicht nur dem Charakter eines religiösen Symbols zuwider, sondern wäre ständiger Anlass für Diskussionen, was gewiss nicht dem Schutz der religiösen bzw. areligiösen Gefühle der Lernenden dienen würde.

228

(2) Widerspruchslösung: In Reaktion auf den Kruzifix-Beschluss des deutschen BVerfG führte der Freistaat Bayern die so genannte Widerspruchslösung ein, die von manchen auch für Österreich498 oder für Italien499 in Erwägung gezogen wird. Das staatlich verpflichtende Anbringen von Kreuzen bleibt dabei grundsätzlich erhalten, doch können die Erziehungsberechtigten und neuerdings auch die Lehrkräfte "aus ernsthaften und einsehbaren Gründen des Glaubens oder der Weltanschauung"500 dem widersprechen. Wenn die Schulleitung keine gütliche Einigung erzielen kann, hat sie nach Unterrichtung der Schulbehörde eine Regelung für den Einzelfall zu treffen. Diese kann auch in der Abnahme des Kreuzes bestehen.

229

Der geschilderten Lösung gelingt es, die positive Religionsfreiheit der Bevölkerungsmehrheit und den Schutz der kulturellen Tradition eines Landes in ein ausgewogenes Verhältnis mit der negativen Religionsfreiheit einzelner Betroffener zu bringen und so flexible, auf den Einzelfall abgestimmte Lösungen zu ermöglichen. Diese werden außerdem im Sinne des Subsidiaritätsprinzips auf möglichst niedriger Ebene mit den unmittelbar Betroffenen gesucht.501

230

Als Haupteinwand wird allerdings immer wieder angeführt, dass der Widersprechende seine religiöse bzw. weltanschauliche Einstellung offenbaren müsse, obwohl die negative Religionsfreiheit auch das Recht einschließe, sich zu seinen Anschauungen nicht bekennen zu müssen.502 Nach der ständigen Judikatur von EKMR und EGMR verletzt ein Offenbarenmüssen in derartigen Fällen das Grundrecht jedoch nicht.503 In den Urteilen Folgerø, Alexandridis und Dimitrias504 scheinen strengere Kriterien angelegt worden zu sein, doch kam es hier bei näherem Hinsehen nur deshalb zu einer Verletzung, weil noch weitere Umstände hinzutraten.505 Wer von einer Befreiungsmöglichkeit Gebrauch machen möchte, die ihm das Gesetz gerade zum Schutze seiner Religionsfreiheit einräumt - z. B. die Abmeldung vom Religionsunterricht oder die Arbeitsfreistellung für einen Gottesdienstbesuch - kommt selbstverständlich nicht umhin, sein Ansinnen zu äußern. Einen anderen Weg gibt es nicht.506 Brächte man Schulkreuze von vornherein nicht an, damit ein potentiell Widersprechender seine Ansicht nicht äußern muss, so käme dies aber einer doppelten Privilegierung der negativen Religionsfreiheit gleich. Der Wunsch des Widersprechenden würde sich nämlich nicht nur gegen die positive Religionsfreiheit all jener durchsetzen, die das Kreuz befürworten, sondern es gäbe bereits im Vorfeld eine "Vermutung" zu seinen Gunsten, die von allen widerlegt werden müsste, die das Kreuz wollen. Folglich träfe diese wiederum die Äußerungslast.

231

Um die Last des Widersprechenden möglichst gering zu halten, sollte sein Anliegen jedoch mit größter Diskretion entgegengenommen und die Anforderungen an die "ernsthaften und einsehbaren Gründe" möglichst gering gehalten werden. Dies führt allerdings umgekehrt wiederum dazu, dass Einzelne es in der Hand haben, eine Abnahme des Kreuzes zu erwirken.

232

(3) Mehrere religiöse bzw. weltanschauliche Symbole: Bisweilen wird vorgeschlagen, neben dem Kreuz andere Symbole anzubringen.507 Damit würde das Gleichheitsprinzip besser verwirklicht und der Pluralismus gefördert werden.508 Zugleich könnte der positiven Religions- bzw. Weltanschauungsfreiheit sämtlicher Schüler Rechnung getragen werden. Auch die Religionen und Weltanschauungen von Minderheiten könnten damit sichtbar werden.

233

Es müsste jedoch ein Kriterium dafür gefunden werden, welche Religionen und Weltanschauungen ausgewählt werden. Die Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften müssten dabei auf jeden Fall selbst einbezogen werden.509 Es steht nämlich nicht von vornherein fest, dass jede dieser Gemeinschaften über ein Symbol verfügt, das der Rolle und dem Stellenwert des christlichen Kreuzes entspricht, und ferner, ob die Präsenz im Klassenzimmer überhaupt gewünscht wird. So zeigt sich, dass die Frage nach religiösen Symbolen in der Schule nicht nur eine Frage individueller Grundrechte, sondern auch der korporativen Religionsfreiheit der Religionsgemeinschaften ist.510 Die österreichische Schulkreuzregelung enthält keine staatliche Anordnung in dem Sinne, dass der Staat sich eines Symbols bemächtigen würde, das dem religiösen Bereich entstammt, um damit eine "Zwangsbeglückung" der Schüler vorzunehmen. Vielmehr ist die Regelung zumindest mit der katholischen Kirche akkordiert und der Staat wird durch das Anbringen des Kreuzes nicht im eigenen Interesse, sondern vorwiegend für die christlichen Schüler und Eltern tätig. Dasselbe müsste für die anderen Gemeinschaften gelten. Es ist jedoch anzunehmen, dass die meisten Religionsgemeinschaften ein derartiges Modell nicht wollen, da sie es ablehnen, ihr Symbol undifferenziert neben andere zu stellen.511 Mit einem derartigen "Pantheon"512 verschiedenster Symbole wäre der Vermittlung religiöser Werte nach Art. 14 Abs. 5a B-VG wohl kaum gedient. Der EGMR ließ im Urteil Lautsi durchklingen, dass er das Anbringen mehrerer Symbole nicht unbedingt anders bewerten würde (Z. 56). Die Suche nach einem Symbol, das nicht eine bestimmte Religion, sondern die spirituelle Sphäre an sich repräsentiert,513 würde hingegen der Ausübung der positiven Freiheit derjenigen nicht wirklich gerecht,514 die sich zu einem bestimmten Glauben bekennen.515

234

(4) Nur private religiöse Symbole: Würde das staatlich verpflichtende Anbringen von Kreuzen gänzlich entfallen, so hieße das nicht automatisch, dass Klassenzimmer von religiösen Symbolen völlig frei bleiben müssten.516 Vielmehr bliebe es nach der österreichischen Rechtslage weiterhin jedem Schüler zugestanden, selbst religiöse oder weltanschauliche Symbole zu tragen oder mitzubringen. Einige Autoren erblicken in diesem rein privaten Anbringen religiöser Symbole die den Grundrechten und Freiheiten am besten entsprechende Lösung.517 Eine Variante zu diesem Modell besteht darin, die Schüler zu befragen oder darüber abstimmen zu lassen, welche Symbole sie wollen.518

235

Im Hinblick auf die Bewertung des Grundrechtseingriffes ist zu bemerken, dass bei dieser Lösung der Staat nicht als Urheber der religiösen Symbole auftritt.519 Der Anschein der "staatlichen Identifikation" könnte hier von vornherein nicht entstehen. Das Gleichheitsprinzip würde dadurch verwirklicht, weil jeder Schüler dieselben Mitwirkungsmöglichkeiten hat, ohne dass zunächst ein bestimmtes Symbol favorisiert würde. Die angebrachten Symbole entsprächen direkt den Wünschen der betroffenen Schüler und entsprängen unmittelbar ihrer Religions- und Weltanschauungsfreiheit. Aufgrund der Freiwilligkeit scheinen sich bei diesem Modell selbst minimale Zwangselemente zu verflüchtigen.

236

Allerdings darf die Drittwirkung von Grundrechten zwischen den privaten Grundrechtsträgern nicht außer Acht gelassen werden.520 Wie der Schutz Andersgesinnter gestaltet sein könnte, dem die Widerspruchslösung große Aufmerksamkeit schenkt, wird bei diesem Modell nicht deutlich.521 Die Widerspruchslösung beruht auf dem Prinzip von Regel und Ausnahme. Diejenige Lösung, von der aufgrund der Tradition und der Bevölkerungsmehrheit vermutet werden kann, dass sie die größte Verbreitung findet, wird zur Regel gemacht; für anders geartete Fälle werden Ausnahmen bereitgestellt.522 Dieses Modell kann zwar in den Ausnahmefällen ein "Sich-Offenbaren-Müssen" Einzelner nicht verhindern, begrenzt es jedoch auf das unbedingt erforderliche Maß. Wird die Entscheidung hingegen völlig den Schülern überlassen und sogar von einer Befragung oder Abstimmung abhängig gemacht, so ist jeder zu einer Stellungnahme aufgefordert.523 Während das bloße Vorhandensein eines Kreuzes niemanden zu einer Erklärung herausfordert,524 würde das zu diskutierende Modell genau dies bewirken. Das erscheint umso problematischer, als der EGMR im Urteil Lautsi betont hat, dass gerade junge Schüler in diesen Fragen besonders sensibel und beeinflussbar sind (Z. 48). Dazu kommt die Gruppendynamik in der Klasse, die die Seriosität und Freiheit der Entscheidung von Individuen, die in ihrer Selbstständigkeit noch nicht völlig reif sind, leicht untergraben kann. Ein gewisses Maß an staatlichen Vorgaben und Koordinierung, das freilich keine staatliche Identifizierung oder Auferlegung bedeutet, erscheint gerade zum Schutz der Grundrechtsträger erforderlich, um einen modus vivendi zu finden. Zudem ist auch dieses Modell vor einer "Pantheon-Wirkung" nicht gefeit und könnte zu einem unerwünschten Wetteifern oder aber zu völliger Gleichgültigkeit unter den Schülern führen. In Endeffekt dürfte dieses Modell an der konkreten Praxis scheitern.

237

(5) Entscheidung durch den Schulgemeinschaftsausschuss: Die Entscheidung, ob und welche religiösen Symbole angebracht werden, könnte dem Schulgemeinschaftsausschuss überlassen werden.525 Da in diesem schuleigenen Gremium Eltern-, Lehrer- und Schülervertreter zusammenwirken, würde eine Beteiligung aller Betroffenen, die auch Grundrechtsträger sind, erreicht, wie sie Art. 14 Abs. 5a B-VG unter anderem im Hinblick auf die sozialen, religiösen und moralischen Werte anstrebt.526 Die Entscheidung würde der unmittelbaren Diskussion zwischen den Schülern einer Klasse mit all ihren Sensibilitäten enthoben und dennoch auf einer möglichst niederen Ebene getroffen, so dass den Besonderheiten und dem Profil einer bestimmten Schule Rechnung getragen werden könnte.527 Die Entscheidung wäre demokratisch begründet und würde den Pluralismus fördern.

238

Allerdings riefe die gremiale Entscheidung Konflikte zu diesem heiklen und persönlichen Thema innerhalb der Schule erst recht hervor. Wie die unterlegene Minderheit, deren Rechte ebenfalls zu beachten sind, in diesem Modell behandelt wird, bleibt außerdem ungeklärt.528 Die Beteiligung der drei Interessensgruppen ist zwar zu begrüßen, aber keineswegs ausreichend, da ein schulisches Gremium ohne Einvernehmen mit der jeweiligen Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft nicht einfach deren Symbol verwenden sollte. Dem Charakter derartiger Symbole widerspräche es außerdem, wenn es etwa aufgrund jährlich wechselnder Entscheidungen zu einem ständigen Auf- und Abhängen käme, auch wenn dies hier nicht so intensiv ausfiele wie im ersten Lösungsvorschlag.

239

(6) Öffnung der Mehrheitsklausel für andere Religionen: Mehrere Vorteile der bisher diskutierten Modelle ließen sich verbinden, wenn man die bestehende österreichische Schulkreuzregelung relativ geringfügig modifiziert. Sie besagt bekanntlich, dass Kreuze dann in den Klassenzimmern anzubringen sind, wenn die Mehrzahl der Schüler der betreffenden Schule einem christlichen Bekenntnis angehört. Dies ließe sich dadurch ergänzen, dass dann wenn die Mehrzahl einem anderen Bekenntnis angehört, dessen Symbol anzubringen ist. Im Unterschied zu den bisher diskutierten Vorschlägen (1-5) bedürfte diese Regelung keiner Änderung des Schulvertrags, da sich bei einer Mehrheit christlicher Schüler - und nur auf diesen Fall bezieht sich der Schulvertrag - nichts ändert. Im Übrigen wäre es im österreichischen System nichts Neues, wenn andere Religionsgemeinschaften, vermittelt durch den Paritätsgrundsatz, an Rechten partizipieren, die der katholischen Kirche völkervertraglich zugesichert sind.

240

Mit dieser Regelung würde noch deutlicher als bisher zum Ausdruck kommen, dass sich der Staat nicht mit einer bestimmten Religion identifiziert, sie als befolgungswürdig darstellt oder jemandem deren Symbol aufzwingen möchte, sondern dass er lediglich koordinierend im Sinne einer Grundrechtsofferte zu Gunsten der positiven Religionsfreiheit der Angehörigen der jeweiligen Religion tätig wird.529 Allerdings würde bei dieser Lösung als objektives Abwägungskriterium bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung nur das der Mehrzahl der Schüler in Frage kommen, während die Kriterien der Verbreitung in der Bevölkerung und der religiösen Tradition des Landes außer Acht blieben.

241

Bei dieser Lösung könnte hingegen das Gleichheitsprinzip, das die Schwäche der bisherigen Regelung darstellt, gestärkt werden,530 ohne eine "Pantheon-Wirkung" hervorzurufen. Da es nämlich jeweils nur eine Mehrheit geben kann, wäre auch immer nur ein Symbol anzubringen. Kommt keine Mehrheit zustande oder gehört die Mehrzahl der Schüler keinem bestimmten Glauben an, so würde kein Symbol angebracht. Gewiss müssten bei dieser Lösung die Religionsgemeinschaften einbezogen werden. Sie träfe die Bringschuld mitzuteilen, ob und welches Symbol sie wollen, wenn die Mehrzahl der Schüler ihrem Bekenntnis angehört. Um ein Ausufern zu vermeiden, ließe sich der Kreis der in Betracht kommenden Religionsgemeinschaften in Österreich leicht auf die gesetzlich anerkannten Religionsgemeinschaften und die eingetragenen Bekenntnisgemeinschaften beschränken, mit denen der Staat ohnehin bereits in Kontakt steht und die eine hinreichende Organisationsstruktur für das erforderliche Mindestmaß an Kooperation aufweisen.

242

Statistisch gesehen würde hierbei vor allem der Islam zum Zuge kommen. Vertreter des Islam signalisierten aber bereits, keine mit dem christlichen Kreuz vergleichbaren Symbole zur Verfügung zu haben.531 Vielmehr trügen Muslime die Symbole - Beschneidung bzw. Kopftuch - am eigenen Körper.532 Dass das in Österreich nicht verboten und schon unter der bestehenden Rechtslage möglich ist, wurde bereits hinreichend erläutert. Angesichts dieser Tatsachen stellt sich die Frage, ob der österreichische status quo nicht ohnehin bereits eine Regelung darstellt, die nicht wenige rechtliche Probleme, die andere Modelle mit sich bringen, vermeidet und zugleich dem Pluralismus und der Parität in hohem Maße entspricht. Die Diskussion, in welchem Ausmaß die Vielfalt von Religionen und Weltanschauungen in der Schule berücksichtigt wird, darf nämlich nicht isoliert an einem einzigen Aspekt wie dem Schulkreuz festgemacht werden. Vielmehr ist das gesamte Umfeld zu beachten. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass in Österreich allen gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften das Recht gewährt wird, Religionsunterricht anzubieten und damit in der Schule präsent zu sein. Die Angehörigen sämtlicher, auch noch so kleiner Gemeinschaften, können eigene Symbole tragen oder mitbringen, so dass auch ihren Anliegen nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip entsprochen wird. Wie in Bezug auf den Islam deutlich wurde, entspricht dies dem Selbstverständnis mancher Religionsgemeinschaften sogar besser als das Anbringen eines äußerlichen Zeichens.533 Was die Kindergärten in Niederösterreich betrifft, die durch das laufende Verfahren vor dem VfGH in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit geraten sind, ist auf das Modell der "interkulturellen Mitarbeiterinnen" hinzuweisen. Dieses zielt auf ein wechselseitiges Kennenlernen der Kulturen ab, aus denen die Kinder stammen, und wurde von der Europäischen Union mehrmals ausgezeichnet.534

243

Sollte sich in Einzelfällen aufgrund besonderer Umstände erweisen, dass der Anblick eines religiösen Symbols einen nur schwer zu rechtfertigenden Eingriff darstellt, wäre durch eine Variation der Größe des Symbols sowie seiner Platzierung - beim Kreuz eventuell auch durch einen Verzicht auf das Corpus - Abhilfe zu schaffen.535 Da schon die bestehende Regelung nichts über die Größe, die Beschaffenheit und den Ort innerhalb des Klassenzimmers aussagt, bedürfte eine derartige flexible Handhabung keiner Rechtsänderung.536 Sollte man auch das nicht ausreichen, wäre eine Ergänzung durch die Widerspruchslösung denkbar, die allerdings eine Rechtsänderung voraussetzt. Sie ist das einzige der besprochenen Modelle, in dem berechtigte Positionen von Minderheiten und sogar von einzelnen Betroffenen zum Durchbruch kommen können.

244

Wie sich zeigt, ist es nicht leicht, eine angemessene Lösung zu finden, mit der sich jede einzelne der verschiedenen, teilweise sogar divergierenden (Grund-)Rechtspositionen in möglichst hohem Maße verwirklichen lässt und die zugleich mit der Verfassung und Tradition des betreffenden Landes in Einklang steht. Am Beispiel des Konflikts um das Schulkreuz zeigt sich deutlich, wie stark der Pluralismus in der Gesellschaft zunimmt und wie schwer es dadurch wird, grundsätzliche Verständigungen zu finden, zu denen alle Seiten einen Beitrag leisten müssten. In der Schule bündelt sich die Vielfalt verschiedenster Lebensentwürfe und gleichzeitig kommt gerade die Schule, in der eine Vielzahl von Menschen tagtäglich auf engstem Raum zusammen lebt und arbeitet, ohne einen gewissen Grundkonsens nicht aus, wenn sie die Vermittlung von Werten als Erziehungsauftrag nicht preisgeben will. Angesichts dieser Lage eine angemessene Regelung zu finden, ist unter demokratischer Einbindung der direkt betroffenen Gruppen vor allem die Aufgabe des Gesetzgebers und nicht so sehr der Rechtsprechungsorgane. Außerdem muss die Regelung nicht für alle europäischen Staaten gleich ausfallen. Stattdessen kann sie durchaus besondere Traditionen und Anliegen der Bevölkerung reflektieren, solange sie sich in einem gemeinsamen grundrechtlichen Rahmen bewegt.

245

 

 

14. Quellenverzeichnis

 

14.1. Rechtsprechung des EGMR

 

EGMR, Nr. 1474/62 u.a., "Belgischer Sprachenfall", 23.7.1968.

246

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-, Nr. 5856/72, Tyrer / Vereinigtes Königreich, 25.4.1978.

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-, Nr. 7806/77 Young, James und Webster / Vereinigtes Königreich, 13.8.1981.

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-, Nr. 7511/76 und 7743/76, Campbell and Cosans / Vereinigtes Königreich, 25.2.1982.

250

-, Nr. 10737/84, Müller / Schweiz, vom 24.5.1988.

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-, Nr. 13134/87, Costello-Roberts / Vereinigtes Königreich, 25.3.1993.

252

-, Nr. 13470/87, Otto-Preminger-Institut / Österreich, 20.9.1994.

253

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254

-, Nr. 24095/94, Efstratiou / Griechenland, 18.12.1996.

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-, Nr. 21787/93, Valsamis / Griechenland, 18.12.1996.

256

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258

-, Nr. 38178/97, Serif / Griechenland, 14.12.1999.

259

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260

-, Nr. 42393/98, Dahlab / Schweiz, 15.2.2001.

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-, Nr. 40319/98, Saniewski / Polen, 26.6.2001.

262

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-, Nr. 44179/98, Murphy / Irland, 10.7.2003.

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277

-, Nr. 15472/02, Folgerø / Norwegen, 29.6.2007.

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-, Nr. 1448/04, Zengin / Türkei, 9.10.2007.

279

-, Nr. 19516/06, Alexandridis / Griechenland, 21.2.2008.

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-, Nr. 15585/06, El Morsli / Frankreich, 4.3.2008.

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-, Nr. 41296/04 und 41298, Karaduman et Tandoğan / Türkei, 3.6.2008.

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283

-, Nr. 27058/05, Dogru / Frankreich, 4.12.2008.

284

-, Nr. 31645/04, Kervanci / Frankreich, 4.12.2008.

285

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-, Nr. 41135/98, Arslan / Türkei, 23.2.2010.

287

-, Nr. 42837/06 u.a., Dimitrias u.a. / Griechenland, 3.6.2010.

288

-, Nr. 7710/02, Grzelak / Polen, 15.6.2010.

289

 

 

14.2. Rechtsprechung der EKMR

 

EKMR, Nr. 2413/65, X. / Deutschland, 16.12.1966.

290

-, Nr. 2648/65, X / Niederlande, 6.2.1968.

291

-, Nr. 5947/72, X / Vereinigtes Königreich, 5.3.1976

292

-, Nr. 6886/75, X / Vereinigtes Königreich, 18.5.1976.

293

-, Nr. 7527/76, X und Y / Vereinigtes Königreich, 5.7.1977.

294

-, Nr. 6853/74, 40 mothers / Schweden, 9.3.1977

295

-, Nr. 8010/77, X / Vereinigtes Königreich, 1.3.1979

296

-, Nr. 8160/78, X / Vereinigtes Königreich, 12.3.1981.

297

-, Nr. 8231/78, X /Vereinigtes Königreich, 6.3.1982.

298

-, Nr. 8566/79, X, Y, Z / Vereinigtes Königreich, 13.10.1982

299

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300

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1 EGMR, Nr. 30814/06, Lautsi / Italien, 3.11.2009.

2 Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, 4.11.1950, in: ETS Nr. 5.

3 1. Zusatzprotokoll zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, 20.3.1952, in: ETS Nr. 9.

4 Repubblica Italiana, Ministero degli Affari Esteri, Cour européenne des droits de l'homme, Requête n° 30814/06 - arrêt du 3 novembre 2009, Saisine de la Grande Chambre, at: http://www.olir.it/areetematiche/news/documents/news2658_lautsi_ricorso_italia.pdf [17.7.2010]. Vgl. auch: Gouvernement Italien, Memoire pour l'audience devant la grande chambre de la Cour européenne des droits de l'homme du 30 juin 2010, at: http://www.olir.it/areetematiche/news/documents/news_2658_memoria_rappresentanza_lautsi_grande_camera.pdf [17.7.2010]. Da es sich um eine bedeutende Frage handelt, hätte die Rechtssache gleich an die Große Kammer gehen können (vgl. Steiner, Elisabeth in: Stoiber, Gerald, Überlastung ist die Kehrseite des Erfolgs, in: Salzburger Nachrichten, 9.7.2010.)

5 Vgl. Moreno Botella, Gloria, Libertad religiosa y neutralidad escolar (a propósito del crucifijo y otros símbolos de carácter confesional), in: REDC 58 (2001) 173-218, 185-198; Rees, Wilhelm, "Den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit" - und den Menschen von heute? Schulkreuze, religiöse Übungen und Schulgebet in Geschichte und Gegenwart, in: Rinnerthaler, Alfred (Hg.), Historische und rechtliche Aspekte des Religionsunterrichts, Frankfurt 2004, 259-295, 268-270; Robbers, Gerhard, Das Verhältnis von Staat und Kirche in rechtsvergleichender Sicht, in: Brugger, Winfried / Huster, Stefan (Hg.), Der Streit um das Kreuz in der Schule. Zur religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staates. Baden-Baden 1998, 59-68, 63-68.

6 So z. B. in den deutschen Bundesländern, vgl. Vonnahme, Peter, Das Kreuz des Südens. Eine kritische Nachbetrachtung zum sog Kruzifix-Urteil und zu dessen Folgen, in: WR 1996 H 34, 18-24.

7 Vgl. Pabel, Katharina / Holzinger, Kerstin, Rechtsprechungsübersicht Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, in: ecolex 21 (2010) 302-304, 303.

8 Niederösterreichisches Kindergartengesetz, LGBl. 2006/49 i.d.F. LGBl. 2009/87.

9 Art. 27 Abs. 3 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 29. Mai 1874: Die öffentlichen Schulen sollen von den Angehörigen aller Bekenntnisse ohne Beeinträchtigung ihrer Glaubens- und Gewissensfreiheit besucht werden können.

10 BGer Comune di Cadro / Bernasconi, 26.9.1990, BGE 116 Ia 252, vgl. Wildhaber, Luzius, Artikel 2 1. ZPMRK, in: Golsong / Heribert u.a. (Hg.), Internationaler Kommentar zur Europäischen Menschenrechtskonvention, 3. Lfg. Januar 1995, Rz. 89f.

11 Kraus, Dieter, Schweizerisches Staatskirchenrecht. Hauptlinien des Verhältnisses von Staat und Kirche auf eidgenössischer und kantonaler Ebene, Tübingen 1993, 352.

12 Winzeler, Christoph, Einführung in das Religionsverfassungsrecht der Schweiz, Freiburg 2005, 8.

13 Vgl. Maurer, Hartmut, Ein schweizerisches Kruzifix-Urteil, in: Isensee, Josef / Rees, Wilhelm (Hg.), Dem Staate, was des Staates - der Kirche, was der Kirche ist. Festschrift für Joseph Listl zum 70. Geburtstag, Berlin 1999, 299-307, 305; Pacillo, Vincenzo, Decisioni elvetiche in tema di crocifisso e velo islamico nella scuola pubblica: spunti di comparazione, in: DirEccl 110 (1999) 210-229, 218. Eine umfassende Kritik des Entscheides legte Gut vor: Gut, Walter, Kruzifix in öffentlichen Räumen. Eine Auseinandersetzung mit Gerichtsentscheiden über Kreuze und Kruzifixe in kommunalen Schulzimmern, Zürich 1997, 49 und 79f.

14 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, SR 101, BBl. 1999 162, 18.4.1999 i.d.F. 27.9.2009

15 BVerfGE 93, 1.

16 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, BGBl. I 1, 23.5.1949.

17 Bayerisches Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen i.d.F. GVBl 2000, 414, 31.5.2000.

18 Ausführlich dazu der geistige "Vater" dieser Regelung: Badura, Peter, Das Kreuz im Schulzimmer - Inhalt und rechtliche Tragweite des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Mai 1995. Rechtsgutachten erstattet im Auftrag der Bayerischen Staatsregierung, in: Streithofen, Basilius Heinrich, Das Kruzifix Urteil. Deutschland vor einem neuen Kulturkampf? Frankfurt am Main 1995, 230-287.

19 Bay VerfGH 50, 156, 1.8.1997.

20 BVerwG 6 C 18.98, 21.4.1999. Vgl. dazu Häußler, Ulf, "Schulkreuze" im säkularen Staat. Zum Verhältnis von Grundrechtsschutz und Neutralitätsprinzip, in: ZevKR 43 (1998) 461-492, 277; Link, Christoph, Der Streit um das Kreuz - Trendwende in der Rechtsprechung? in: KuR 110, 157-170 = 2002, 101-114, 104=161.

21 Vgl. Pree, Helmuth, Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Kommentar, in: öarr 49 (2002) 85-88. Der bayerische Verwaltungsgerichtshof entschied am 2.1.2002 (3 B 98.563) in einem besonders gelagerten Fall, dass das Kreuz in den Klassenzimmern, in denen der klagende Lehrer unterrichtet, abzunehmen sei. In einem anderen Fall hielt das Verwaltungsgericht Augsburg die Belastung für einen Lehrer nicht für hinreichend schwer (14.8.2008, Au 2 K 07.347).

22 Regio Decreto n. 1297, 26.4.1928, Regolamento generale sui servizi dell'istruzione elementare", Art. 119.

23 Regio Decreto n. 965, 30.40.1924, Ordinamento interno delle giunte e dei regi istituti di istruzione media" (Art. 118).

24 Legge n. 641, 28.7.1967, Nuove norme per l'edilizia scolastica e universitaria, Art. 30.

25 Ministero della Pubblica Istruzione, Circolare n. 367/2527, 19.10.1967, Edilizia e arredamento di scuole dell'obbligo.

26 Decreto legislativo n. 297, 16.4.1994, Testo Unico delle disposizioni legislative vigenti in materia di istruzione, relative alle scuole di ogni ordine e grado.

27 Consiglio di Stato, Parere 27.4.1988, n. 63.

28 Costituzione della Repubblica Italiana (22.12.1947), in: Gazzetta Ufficiale n. 298 (27.12.1947).

29 Vgl. dazu Robbers, Verhältnis, 63f.; Zannotti, Luciano, Il crocifisso nelle aule scolastiche, in: DirEccl 101 (1990) 324-344.

30 Corte costituzionale, 15.12.2004, n. 389. Dazu: Casuscelli, Giuseppe, Il crocifisso nelle scuole: neutralità dello Stato et "regola della precauzione", in: DirEccl 116 (2005) 504-535, 516; Madonna, Michele, Simboli e segni. La questione del crocifisso dopo la sentenza 556/2006 del Consiglio di Stato e l'ordinanza 127/2006 della Corte Costituzionale, in: DirEccl 118 (2007) 325-328, 325.

31 Tribunale Amministrativo Regionale del Veneto, Sentenza 17.3.2005, n. 1110. Dazu: Casuscelli, Crocifisso, 513; Madonna, Simboli, 325f.

32 Consiglio di Stato, Parere 13.2.2006, Esposizione del crocifisso nelle aule scolastiche.

33 Zur Bedeutung des EGMR-Urteils für Italien: Ricca, Mario, Chi vuole il crocifisso? Domande semplici, democrazia interculturale, fede personale, in: Stato, Chiese e pluralismo confessionale, novembre 2009, 1-38.

34 Tribunale di L'Aquila (22.10.2003).

35 Tribunale di L'Aquila, ordinanza 19.11.2003. Revoca dell'ordinanza pronunciata dal Tribunale di L'Aquila del 22.10.2003. Dazu: Canonico, Marco, Il crocifisso nelle aule scolastiche: una questione ancora aperta, in: DirEccl 115 (2004) 259-286, 259.

36 Suprema Corte di Cassazione, Ordinanza 10.7.2006, n. 15614.

37 Allgemein zur Rechtslage in Italien im Vergleich zur Schweiz: Pacillo, Decisioni.

38 Tribunale Regionale Amministrativo per la Sicilia, Sentenza n. 4958 (13.4.2010).

39 Vgl. Grabenwarter, Christoph, Europäische Menschenrechtskonvention. Ein Studienbuch, München 42009, § 14, Rz. 5.

40 Dies wäre beispielsweise dann nicht der Fall, wenn der Betrachter überhaupt nicht zum Symbolgehalt vordringt, sondern nur an der mangelnden Ästhetik oder Grausamkeit der dargestellten Szene Anstoß nimmt, vgl. Campenhausen, Axel Freiherr von, Zur Kruzifix-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, in: AöR 121 (1996) 448-464, 454; Heckmann, Dirk, Eingriff durch Symbole? Zur Reichweite grundrechtlichen Schutzes vor geistiger Auseinandersetzung, in: JZ 51 (1996) 880-889, 882. Isensee verneint die Berührung des Schutzbereichs, weil die Ausgestaltung von Schulräumen nicht den Grundrechten unterliegt: Isensee, Josef, Bildersturm durch Grundrechtsinterpretation. Der Kruzifix-Beschluss des BVerfG, in: ZRP 29 (1996) 10-15, 13.

41 Ähnliche Argumente wurden auch gegen den Kruzifix-Beschluss des deutschen BVerfG vorgebracht: Geis, Max-Emanuel, Zur Zulässigkeit des Kreuzes in der Schule aus verfassungsrechtlicher Sicht, in: Brugger, Winfried / Huster, Stefan (Hg.), Der Streit um das Kreuz in der Schule. Zur religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staates, Baden-Baden 1998, 41-58, 45 und 47; Heckel, Martin, Das Kreuz im öffentlichen Raum. Zum "Kruzifix-Beschluss" des Bundesverfassungsgerichtes, in: DVBl. 111 (1996) 453-482, 464f.; Müller-Volbehr, Jörg, Positive und negative Religionsfreiheit. Zum Kruzifix-Beschluss des BVerfG, in: JZ 50 (1995) 996-1000, 997.

42 So auch bereits das deutsche BVerfG; zustimmend Czermak, Gerhard, Zur Unzulässigkeit des Kreuzes in der Schule aus verfassungsrechtlicher Sicht, in: Brugger, Winfried / Huster, Stefan (Hg.), Der Streit um das Kreuz in der Schule. Zur religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staates, Baden-Baden 1998, 13-40, 25; Czermak, Gerhard, Religions- und Weltanschauungsrecht. Eine Einführung. In Kooperation mit Prof. Dr. Dr. Eric Hilgendorf, Berlin 2008, Rz. 273.

43 Dieser Vorwurf wurde mehrfach gegen den Kruzifix-Beschluss des deutschen BVerfG erhoben: Campenhausen, Kruzifix, 461; Heckel, Kreuz, 41; Robbers, Gerhard, Neue Probleme im Staat-Kirche-Verhältnis, in: Rauscher, Anton (Hg.), Gesellschaft ohne Grundkonsens? Köln 1997, 13-27, 18.

44 Vgl. Jüngel, Eberhard, Der "Kruzifix-Beschluss" des Bundesverfassungsgerichtes. Kreuz, Staat und Gesellschaft aus theologischer Perspektive, Köln 1997, 9; Evans, Malcolm, Manual on the wearing of religious symbols in public areas, Strasbourg 2009, 64. Evans neigt zu der Auffassung, dass nicht der Staat, sondern nur das Individuum entscheiden könne, welche Bedeutung ein von ihm verwendetes Symbol für ihn hat (ebd. 44).

45 Zu dieser Frage vgl. Evans, Manual, 64 und 66.

46 Zur Bestimmung des Begriffs "religiöses Symbol" im Kontext der EMRK-Judikatur vgl. Evans, Manual, 62-64.

47 Vielfältig sind die Vorschläge in der Literatur, wessen Deutung maßgeblich sein soll. Gegen ein Abstellen auf die Absicht des Kreuzanbringers: Weiß, Dieter, Das Recht der religiösen und weltanschaulichen Kindererziehung - staatliche und kirchliche Regelungen (Linzer kanonistische Beiträge 5), Linz 1995, 90. Gegen eine vom Betrachter abstrahierende allein auf das Selbstverständnis des Christentums abstellende Deutung: Jestaedt, Matthias, Das Kreuz unter dem Grundgesetz. Möglichkeiten und Grenzen für die Anbringung von Kreuzen in Unterrichtsräumen staatlicher Pflichtschulen, in: JRP 3 (1995) 237-262, 246. Für eine rein objektive von den verschiedenen Betrachtern unabhängige Deutung hingegen: Czermak, Unzulässigkeit, 27.

48 Vgl. Berger, Klaus, Das Kreuz als öffentliches Symbol, in: Brugger, Winfried / Huster, Stefan (Hg.), Der Streit um das Kreuz in der Schule. Zur religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staates, Baden-Baden 1998, 165-172, 165; Esser, Sonja, Das Kreuz - ein Symbol kultureller Identität? Der Diskurs über das "Kruzifix-Urteil" (1995) aus kulturwissenschaftlicher Perspektive, Münster 2000., 51; Heckel, Kreuz, 466f.; Kalb, Herbert / Potz, Richard / Schinkele, Brigitte, Das Kreuz in Klassenzimmer und Gerichtssaal, Freistadt 1996, 34 und 67; dies., Religionsrecht, Wien 2003, 373; Würtenberger, Thomas, "Unter dem Kreuz" lernen, in: Merten, Detlef / Schmidt, Reiner / Stettner, Rupert (Hg.), Der Verwaltungsstaat im Wandel. Festschrift für Franz Knöpfle zum 70. Geburtstag, München 1996, 403.

49 Vgl. Heckmann, Eingriff, 882.

50 Z. B. EGMR, Nr. 72881/01, Moscow Branch of the Salvation Army / Russland, 5.10.2006, Z. 92; EGMR, Nr. 15585/06, El Morsli / Frankreich, 4.3.2008, Z. 1; EGMR, Nr. 24479/07, Mann Singh / Frankreich, 13.11.2008; EGMR, Nr. 27058/05 Dogru / Frankreich, 4.12.2008, Z. 47, EGMR, Nr. 31645/04; Kervanci / Frankreich, 4.12.2008, Z. 47. Dabei erstreckt sich der Schutz nicht auf jede religiös motivierte Handlung, sondern nur auf jene, in denen die betreffende Religion oder Weltanschauung deutlich zum Ausdruck kommt, vgl. Grabenwarter, Menschenrechtskonvention, § 22, Rz. 90.

51 Diese Strategie wurde im deutschen Kruzifix-Fall vielfach kritisiert, z. B. Czermak, Unzulässigkeit, 21f.; Esser, Kreuz, 51 und 67; Heckel, Kreuz, 475f.; Pappert, Peter (Hg.), Den Nerv getroffen. Engagierte Stimmen zum Kruzifix-Urteil von Karlsruhe, Aachen 1995, 15; Rozek, Jochen, Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 16.5.1995 - 1 BvR 1087/91. Anbringung von Kreuzen oder Kruzifixen in Schulräumen, in: BayVBl. 42 (1996) 22-25, 23. Kritik an der einseitigen Hervorhebung der kulturellen und allgemein menschlichen Bedeutung durch die italienische Regierung im Fall Lautsi: Mancini, Susanna, The Crucifix Rage: Supranational Constitutionalism Bumps Against the Counter-Majoritarian Difficulty, in: European Constitutional Law Review, 47 (2010) 6-27, 14.

52 Esser (Kreuz, 48) unterstreicht die Bedeutungsoffenheit von Symbolen, vermerkt aber, dass die sekundäre und tertiäre Bedeutung des Kreuzes auf der primären beruht.

53 Grabenwarter, Menschenrechtskonvention, § 22, Rz. 93.

54 Vgl. Strejcek, Gerhard, Grundrechtsdogmatische und rechtspolitische Gedanken zum Kruzifix-Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes, in: JRP 3 (1995) 228-236, 233. Nach Fede / Testa Bappenheim ist die Gewissensfreiheit betroffen: Fede, Fabio / Testa Bappenheim, Stefano, Dalla Laïcité di Parigi alla nominatio Dei di Berlino, passando per Roma, Milano 2007, 89.

55 Z. B. Geis, Zulässigkeit, 44; Relevanz beider Aspekte: Campenhausen, Kruzifix, 452. Grundsätzliche Zweifel am Bestehen negativer Grundrechte hegt: Mayer-Maly, Theo, Negative Glaubensfreiheit? in: Funk, Bernd-Christian u.a. (Hg.), Der Rechtsstaat vor neuen Herausforderungen. Festschrift für Ludwig Adamovich zum 70. Geburtstag, Wien 2002, 443-448, 446.

56 Vgl. Ihli, Stefan, Lernen mit dem Kreuz, Frankfurt am Main 2000, 153.

57 Holoubek, Michael, Der Grundrechtseingriff - Österreichische und konventionsrechtliche Aspekte, in: DVBl. 112 (1997) 1031-1039, 1035.

58 Grabenwarter, Menschenrechtskonvention, § 22, Rz. 95.

59 Ebd. Rz. 97.

60 Vgl. ebd. Rz. 91; Frowein, Jochen, Artikel 9. Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit, in: ders. / Peukert, Wolfgang (Hg.), Europäische Menschenrechtskonvention. EMRK-Kommentar, Kehl 2009, 318-338, Rz. 7f.

61 EGMR, Nr. 24645/94, Buscarini / San Marino, 18.2.1999.

62 EGMR, Nr. 15472/02, Folgerø / Norwegen, 29.6.2007.

63 EGMR, Nr. 19516/06, Alexandridis / Griechenland, 21.2.2008: religiöser Eid bzw. Pflicht zur Kundgabe der Religionszugehörigkeit.

64 Nach Evans ist aus Art. 9 EMRK kein Recht ableitbar, vor Aktionen verschont zu bleiben, die eine Haltung herausfordern: Evans, Malcolm, Religious liberty and international law in Europe, Cambridge 1997, 284.

65 EGMR, Nr. 42393/98, Dahlab / Schweiz, 15.2.2001.

66 Dass die negative Religionsfreiheit der Schüler im Fall Dahlab nicht einschlägig war, unterstreicht auch Ulrich, Silvia, Die Kopftuch-Entscheidungen des EGMR und deren Implikationen für das österreichische Bildungssystem aus der Genderperspektive, in: dies. / Schnedl, Gerhard / Pirstner-Ebner, Renate (Hg.), Funktionen des Rechts in der pluralistischen Wissensgesellschaft. Festschrift für Christian Brünner zum 65. Geburtstag, Wien 2007, 633-662, 658.

67 Z. B. Gut, Kruzifix, 78; Heckmann, Eingriff, 884; Ihli, Lernen, 108; Ipsen, Jörn, Glaubensfreiheit als Beeinflussungsfreiheit? - Anmerkungen zum "Kruzifix-Beschluss" des Bundesverfassungsgerichts, in: Ziemske, Burkhardt u.a. (Hg.), Staatsphilosophie und Rechtspolitik. Festschrift für Martin Kriele zum 65. Geburtstag, München 1997, 301-319, 311-314; Kalb / Potz / Schinkele, Kreuz, 67; Mayer-Maly, Theo, Die Kreuze in den österreichischen Schulklassen, in: Ziemske, Burkhardt u.a. (Hg.), Staatsphilosophie und Rechtspolitik. Festschrift für Martin Kriele zum 65. Geburtstag, München 1997, 1489-1492, 1490; Sydow, Gernot, Religiöse Symbole im öffentlichen Dienst. Eine verfassungs- und europarechtliche Kritik gegenwärtiger Restriktionstendenzen, in: ZG 19 (2004) 313-330, 317; Würtenberger, Kreuz, 399. Zum Kruzifix im Gericht: Heinrich, Klaus-Peter, Die Religionsfreiheit in der Rechtsprechung des österreichischen Verfassungsgerichtshofes und des deutschen Bundesverfassungsgerichts, Frankfurt am Main 1992, 95.

68 Z. B. Berger, Kreuz, 169; Campenhausen, Kruzifix, 450; Fede / Testa Bappenheim, Laïcité, 90 und 112; Grabenwarter, Christoph, Art. 9 EMRK. Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit (6. Lfg 2003), in: Karl Korinek, Michael Holoubek (Hg.), Österreichisches Bundesverfassungsrecht. Textsammlung und Kommentar, Bd. III Grundrechte, Wien 2007, Rz. 22; Isensee, Bildersturm, 12; Jestaedt, Kreuz, 260; Listl, Joseph für das Sekretariat der DBK, Das Kruzifix in der Gemeinschaftsschule. Stellungnahme zu einer Verfassungsbeschwerde, in: Isensee, Josef / Rees, Wilhelm (Hg.), Dem Staate, was des Staates - der Kirche, was der Kirche ist. Festschrift für Joseph Listl zum 70. Geburtstag (Staatskirchenrechtliche Abhandlungen 33), Berlin 1999, 158-175, 171; Pirson, Dietrich, Anmerkung, in: BayVBl. 41 (1995) 755-758, 757; Ulrich, Kopftuch, 658.

69 Czermak (Unzulässigkeit, 30) und Rozek (Bundesverfassungsgericht, 23) verweisen auf subtile Beeinflussungsmöglichkeiten des modernen Staates.

70 Eine nähere Erläuterung unterbleibt. Die Begründung des gesamten Urteils ist sehr knapp und bisweilen apodiktisch gehalten. Die schulische Realität scheint eher darauf hinzudeuten, dass viele Schüler religiösen Symbolen gleichgültig gegenüberstehen. Wozu durch das Schulkreuz Druck auf Schüler ausgeübt wird, sagt das Urteil nicht, vgl. Kriele, Martin, Europäisches Kruzifixurteil. Ein Menschenrecht auf Säkularisierung? In: FAZ, 25.2.2010.

71 Dazu Evans, Manual, 105.

72 Außerdem räumte der EGMR an dieser Stelle ein, dass es schwierig sei, den Einfluss eines äußeren Zeichens auf die Religionsfreiheit von Kindern einzuschätzen.

73 EGMR, Nr. 44774/98, Şahin / Türkei, 10.11.2005.

74 EGMR, Nr. 65500/01, Kurtulmuş / Türkei, 24.1.2006.

75 Diese wurden jedoch, wie Pabel bemerkt, eher angedeutet als ausgeführt: Pabel, Katharina, Islamisches Kopftuch und Prinzip des Laizismus. Besprechung des EGMR-Urteils im Fall Leyla Şahin, in: EuGRZ 32 (2005) 12-17, 14.

76 Vgl. Schinkele, Brigitte, Kommentar zu EGMR, Beschluss Dahlab in: öarr 49 (2002) 311-320, 317.

77 Wie Taylor bemerkt, wurde die Eingriffsschwelle im Fall Dahlab zu niedrig angesetzt und der potentielle Schaden für Kinder zu hoch bewertet: Taylor, Paul, Freedom of Religion. UN and European Human Rights Law and Practice, Cambridge 2005, 172.

78 Wohl zu Recht hat Würtenberger (Kreuz, 401) dem deutschen BVerfG vorgeworfen, psychologische Kenntnisse in Anspruch zu nehmen, für die es auf eine Studie der Rechtstatsachenforschung zurückgreifen hätte sollen. Zur Wirkung von Symbolen allgemein: Heckmann, Eingriff, 882. Für Pirson (Kommentar, 757) ist der Eingriffscharakter insbesondere dann zweifelhaft, wenn die vermutete belastende Einwirkung gar nicht objektiv feststellbar und daher nicht notwendig mit der Maßnahme verbunden ist. Bülow kritisierte bereits am EGMR-Urteil Dahlab, dass der Gerichtshof die Suggestivwirkung des Kopftuchs auf die Kinder rein hypothetisch angenommen hatte: Bülow, Evelin von, Das Kopftuchurteil des EGMR (Linzer Schriften zur Frauenforschung 39), Linz 2008, 102.

79 Spilka, Bernard / Hood, Ralph / Hunsberger Bruce / Gorsuch, Richard, The Psychology of Religion, New York 32003, 83-91.

80 Paloutzian, Raymond, Invitation to the psychology of religion, Needham Heights 21996, 86.

81 Grom, Bernhard, Religionspsychologie, München 32007, 264; eine - inzwischen allerdings nicht mehr aktuelle - Umfrage zu Assoziationen von Schulkindern mit dem Kreuz präsentiert Pohl, Rudolf, Die religiöse Gedankenwelt bei Volks- und Hilfsschulkindern, München 1968, 92f.

82 Grom, Religionspsychologie, 193.

83 Z. B. Heckel, Kreuz, 41; Heckmann, Eingriff, 888; Kalb / Potz / Schinkele, Kreuz, 67f.; Listl, Kruzifix, 172; Müller-Volbehr, Kruzifix-Beschluss, 998; Schwendenwein, Hugo, Das österreichische Katechetenrecht. Religionsunterricht in der österreichischen Schule. Eine Handreichung für Religionslehrerinnen und -lehrer, Wien 2009, 150; Sydow, Symbole, 317f.; Würtenberger, Kreuz, 401.

84 Kritisiert von Heckel, Kreuz, 477; Isensee, Bildersturm, 14; Link, Christoph, Stat Crux? Die "Kruzifix"-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, in: NJW 48 (1995) 3353-3357, 3355; Listl, Kruzifix, 171; Rees, Juden, 294; Würtenberger, Kreuz, 401. Zustimmend jedoch Rozek, Bundesverfassungsgericht, 24.

85 Kritisiert von Ulrich, Kopftuch, 658; grundsätzlich skeptisch zu proselytischen Einflüssen in der Schule Taylor, Freedom, 168.

86 Vgl. Campenhausen, Axel Freiherr von, Gutachtliche Stellungnahme des kirchenrechtlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland zur Verwendung religiöser Symbole in einer öffentlichen Schule, in: Streithofen, Basilius Heinrich, Das Kruzifix Urteil. Deutschland vor einem neuen Kulturkampf? Frankfurt am Main 1995, 135-154, 143=9; Geis, Zulässigkeit, 49f.; Heckel, Kreuz, 481; Kalb / Potz / Schinkele, Kreuz, 99f.

87 Starck weist darauf hin, dass das Anbringen des Kruzifixes in Klassenräumen auf Grund staatlicher Anordnung inhaltlich keine staatliche Veranstaltung ist, sondern eine organisatorische Maßnahme im Hinblick auf die Mehrheit der Schüler und ihrer Eltern: Starck, Christian, Zum Verhältnis von positiver und negativer Religionsfreiheit in der Schule, in: KuR 710, 1-6 = 1991, 131-136, 3=134. Heckel (Kreuz, 463) spricht von "neutralen Intendanturfunktionen" des Staates im Klassenzimmer. Listl (Kruzifix, 160) betont, dass das Kreuz keine inhaltliche Verbindung zum Unterricht impliziert, sondern nur die Eltern bei der religiösen Erziehung der Kinder unterstützt.

88 Für Strejcek (Gedanken, 232f.) ist nach dem Normzweck zu fragen.

89 Vgl. Kalb / Potz / Schinkele, Kreuz, 67; zur Deutung des Kopftuchs Schinkele, Kommentar, 314f. Als der EGMR zu prüfen hatte, ob ein bestimmtes islamkritisches Werk blasphemisch ist, ließ er es nicht gelten, dass einzelne Gläubige sich subjektiv beleidigt fühlen könnten, sondern stellte objektiv fest, dass der Ton nicht beleidigend ist (EGMR, Nr. 50692/99, Tatlav / Türkei, 2.8.2006, Z. 28). Auch nach deutscher und österreichischer Lehre richtet sich die Prüfung, ob ein Kunstwerk als blasphemisch gelten kann, nicht nach der Einschätzung besonders sensibler Menschen, sondern nach den Empfindungen des Durchschnittsbürgers, z. B. Geis, Zulässigkeit, 51; Strejcek, Gedanken, 236; Würtenberger, Kreuz, 403.

90 In den Blasphemie-Urteilen wiederholte der EGMR, dass grundsätzlich selbst schockierende, beunruhigende und verletzende Äußerungen, die religiöse Empfindungen stören, von den Gläubigen zu tolerieren sind, z.B.: EGMR, Nr. 10737/84, Müller / Schweiz, vom 24.5.1988, Z. 33; EGMR, Nr. 13470/87, Otto-Preminger-Institut / Österreich, 20.9.1994, Z. 49; EGMR, Nr. 44179/98, Murphy / Irland, 10.7.2003, Z. 61. Das müsste dann umgekehrt ebenso für nichtreligiöse Menschen gelten.

91 Ähnliche Schlüsse ziehen Czermak, Gerhard, Religions- und Weltanschauungsrecht. Eine Einführung. In Kooperation mit Prof. Dr. Dr. Eric Hilgendorf, Berlin 2008, Rz. 273; Mayer, Heinz, Das Schulkreuz und die Grundrechte, in: JRP 3 (1995) 222-227, 225.

92 Vgl. Berger, Kreuz, 172.

93 EKMR, Nr. 10491/83, Angeleni / Schweden, 3.12.1986; EKMR, Nr. 17187/90, Bernard / Luxemburg, 8.9.1993; EGMR, Nr. 21787/93, Valsamis / Griechenland, 18.12.1996, Z. 37; EGMR, Nr. 24095/94, Efstratiou / Griechenland, 18.12.1996, Z. 38; EGMR, Nr. 1448/04, Zengin / Türkei, 9.10.2007, Z. 74f.; zur Meinungsfreiheit: EKMR, Nr. 8010/77, X / Vereinigtes Königreich, 1.3.1979. Eine gegen verpflichtenden Religionsunterricht und Schulgebet in Italien gerichtete Beschwerde wurde schon aus formalen Gründen als unzulässig zurückgewiesen (EKMR, Nr. 12414/86, A., B. und C. / Italien, 14.1.1992). Dieser Beschluss der EKMR erwähnt, dass die Verpflichtung bereits vor Erhebung der Beschwerde aufgehoben wurde, so dass indirekt geschlossen werden kann, dass diese Übungen zulässig sind, solange keine Verpflichtung besteht.

94 Die bisherige Rechtsprechung ist jedoch selbst beim Religionsunterricht großzügig, was die Bewertung von Ausnahmemöglichkeiten anbelangt: eine kurze vorübergehende Versagung der Dispensierung bzw. das Fehlen einer gesetzlichen Grundlage für die Dispensierung stellen noch keine Verletzung dar (Angeleni); ein gewisser psychischer Druck auf die vom Religionsunterricht abgemeldete Schülerin, der sich aus dem schulischen Umfeld ergibt, tut der Abmeldemöglichkeit keinen Abbruch (EKMR, Nr. 23380/94, C.J., J.J. und E. J. / Polen, 16.1.1996, Z. 1 und 3). Ebenso wenig verletzt es die Religionsfreiheit, wenn im Schulzeugnis ersichtlich ist, dass der Schüler keinen Religionsunterricht besucht hat (EGMR, Nr. 40319/98, Saniewski / Polen, 26.6.2001). Im Urteil Grzelak scheint der EGMR nun strengere Kriterien anzuwenden (EGMR, Nr. 7710/02, Grzelak / Polen, 15.6.2010). Für eine Vereinbarkeit mit Art. 9 i.V.m. Art. 14 EMRK sei es erforderlich, dass Schüler, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen, einen Ethikunterricht besuchen können, und dass aus dem Schulzeugnis nicht hervorgeht, welche Wahl sie getroffen haben (Z. 92). Dieses Urteil könnte in Österreich Auswirkungen auf die generelle Einführung eines verpflichtenden Ethikunterrichts für alle vom Religionsunterricht abgemeldeten Schüler haben. Der EGMR betont jedoch, dass es sich um eine Einzelfallentscheidung handelt, die keine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung insbesondere im Fall Saniewski bedeutet (Z. 98). Bei der Prüfung von Art. 2 1. ZPMRK hält er unter Relativierung des zuvor zu Art. 9 EMRK Gesagten fest, dass der Staat nicht verpflichtet ist, einen Ethikunterricht einzuführen (Z. 105), und die Ausgestaltung des Religionsunterrichts in den Beurteilungsspielraum der Staaten fällt, solange es nicht zur Indoktrination kommt (Z. 104).

95 Vgl. Campenhausen, Stellungnahme, 140=10; Heckel, Kreuz, 481.

96 Vgl. Isensee, Bildersturm, 14; Jestaedt, Kreuz, 260.

97 Campenhausen, Axel Freiherr von, Der heutige Verfassungsstaat und die Religion, in: Listl, Joseph / Pirson, Dietrich (Hg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, Berlin 21995, 45-84, 61; Ihli, Lernen, 157.

98 Heckel, Kreuz, 482; Isensee, Bildersturm, 14; Müller-Volbehr, Kruzifix-Beschluss, 998.

99 EGMR, Nr. 5095/71 u.a., Kjeldsen u.a. / Dänemark, 7.12.1976.

100 EKMR, Nr. 17678/91, B.N. und S.N. / Schweden, 30.6.1993.

101 EKMR, Nr. 6853/74, 40 Mothers / Schweden, 9.3.1977, Z. 2b.

102 Vgl. Bülow, Kopftuchurteil, 91 und 100. Der EGMR nahm daran keinen Anstoß. Die Beschwerdeführerin Şahin musste ihr Medizinstudium im Ausland fortführen. Sie schloss es samt Kopftuch in Wien ab (ebd.).

103 EKMR, Nr. 16278/90, Karaduman / Türkei, 3.5.1993, Z. 2; EKMR, Nr. 18783/91, Bulut / Türkei, 3.5.1993, Z. 2.

104 Auch in Fällen, die außerhalb des schulischen Bereichs liegen und die nach Art. 9 EMRK zu prüfen waren, stellte der EGMR keine Verletzung der Religionsfreiheit fest, weil er äußerst großzügig Ausweichmöglichkeiten annahm: Anhänger einer jüdischen Gemeinschaft, denen es verboten war, Tiere nach ihren rituellen Vorschriften zu schlachten, verwies er auf die Möglichkeit, entsprechendes Fleisch aus dem Ausland zu importieren (EGMR, Nr. 27417/95, Cha'are Shalom Ve Tsedek / Frankreich, 27.6.2000, Z. 81).

105 Hervorhebungen jeweils durch den Autor.

106 Vgl. Ulrich, Kopftuch, 644.

107 Z. B. Bülow, Kopftuchurteil, 84f.; Schinkele, Kommentar, 319; Ulrich, Kopftuch, 644 und 653. Abwägend zur deutschen Rechtslage: Sydow, Symbole, 323-325.

108 EGMR, Nr. 52435/99, Ivanova / Bulgarien, 12.4.2007.

109 Heinrich (Religionsfreiheit, 95) betonte in Hinblick auf das Kruzifix-Urteil des deutschen BVerfG, dass es Voraussetzung für eine erfolgreiche Beschwerde ist, in einem Grundrecht tatsächlich verletzt zu sein, und nicht dass sich jemand verletzt fühlen könnte.

110 Zum selben Ergebnis kommt Hillgruber, Christian, Können Minderheiten Mehrheiten blockieren? Religionsbezüge staatlicher Ordnung zwischen individueller Religionsfreiheit und demokratischer Mehrheitsentscheidung, in: KuR 110 (2010) 8-25, 22f.

111 Vgl. Evans, Religious liberty, 284; Frowein, Artikel 9, Rz. 1 und 29.

112 Grabenwarter, Menschenrechtskonvention, § 22, Rz. 99; ders., Artikel 9, Rz. 34. Thienel hält diese Argumente für gewichtig: Thienel, Rudolf, Religionsfreiheit in Österreich, in: Manssen, Gerrit / Banaszak, Boguslaw (Hg.), Religionsfreiheit in Mittel- und Osteuropa zwischen Tradition und Europäisierung, Frankfurt 2006, 35-75, 50.

113 So wird die Religionsfreiheit auch im Rechtskreis der UNO und der KSZE/OSZE gesehen. Vgl. Human Rights Committee, General Comment Nr. 22: The right to freedom of thought, conscience and religion (Art. 18), vom 30.7.1993 (CCPR/C/21/Rev.1/Add.4), Nr. 4; KSZE, Schlussdokument der KSZE-Folgekonferenz von Wien (Concluding document of the Vienna CSCE Meeting), vom 15.1.1989, at: http://www.osce.org/documents/mcs/1986/11/4224_en.pdf [17.7.2010]. Deutsch in: EuGRZ 16 (1989) 85-99, Nr. 16.9. Danach gehören Besitz und Verwendung religiöser Gegenstände zum Inhalt der Religionsfreiheit.

114 Z. B. EGMR, Nr. 76900/01, Öllinger / Österreich, 29.6.2006, Z. 34. Gerade die Straßburger Instanzen trugen zur Weiterentwicklung vom Abwehrrecht zum Leistungsrecht bei, vgl. Blum, Nikolaus, Die Gedanken-, Gewissens. und Religionsfreiheit nach Art. 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention, Berlin 1990, 103; Kalb / Potz / Schinkele, Kreuz, 58.

115 Vgl. Blum, Religionsfreiheit, 105; Frowein, Artikel 9, Rz. 28; Grabenwarter, Menschenrechtskonvention, § 22, Rz. 107; ders., Art. 9 EMRK, Rz. 48.

116 Z. B. EKMR, Nr. 2413/65, X. / Deutschland, 16.12.1966 (Verfügbarkeit eines protestantischen Pastors genügt für einen anglikanischen Strafgefangenen.); EGMR, Nr. 38812/97, Poltoratskiy / Ukraine, 29.4.2003, Z. 166 (Verletzung der Religionsfreiheit eines Häftlings, der am wöchentlichen Gefängnisgottesdienst nicht teilnehmen und den Gefängnisseelsorger nicht kontaktieren durfte.). Frowein (Artikel 9, Rz. 30) beobachtet in der Entwicklung der Judikatur eine Stärkung der Rechte von Häftlingen.

117 Vgl. Keast, John, Religious diversity and intercultural education: a reference book for schools, Straßburg 2007, 22; Robbers, Probleme, 22; Pabel, Katharina, Religion im öffentlichen Schulwesen, in: Prisching, Manfred / Lenz, Werner / Hauser, Werner (Hg.), Bildung und Religion, Wien 2006, 37-76, 51.

118 Bemerkenswert ist, dass der EGMR gerade im Urteil Şahin (Z. 118) würdigend hervorhob, dass an der staatlichen Universität Möglichkeiten zur Religionsausübung zur Verfügung stehen.

119 Vgl. Jestaedt, Kreuz, 258; Kalb / Potz / Schinkele, Kreuz, 67; dies., Religionsrecht, 374; Starck, Verhältnis, 3=133; Thienel (Religionsfreiheit, 73) hegt Bedenken gegen die Deutung als Grundrechtsofferte, falls mit dem Anbringen des Kreuzes auch eine appellative Wirkung verbunden sein sollte.

120 In Hinblick auf den Kruzifix-Beschluss des deutschen BVerfG spielte die Frage eine Rolle, ob es zu einer Grundrechtskollision zwischen der negativen und der positiven Religionsfreiheit kommt, was von einzelnen Autoren verneint wurde. Aus der positiven Religionsfreiheit könne nämlich kein Anspruch auf das Schulkreuz abgeleitet werden, z. B. Czermak, Weltanschauungsrecht, Rz. 267; ders., Unzulässigkeit, 33; Czermak, Gerhard, Der Kruzifix-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, seine Ursachen und seine Bedeutung, in: NJW 48 (1995) 3348-3353, 3350f.; Jeand'Heur, Bernd / Korioth, Stefan, Grundzüge des Staatskirchenrechts, Stuttgart 2000, Rz. 116; Rozek, Bundesverfassungsgericht, 22; dagegen Link, Crux, 3356.

121 Z. B. EGMR, Preminger Z. 47; EGMR, Nr. 17419/90, Wingrove / Vereinigtes Königreich, 25.11.1996, Z. 48; EGMR, Nr. 44179/98, Murphy / Irland, 10.7.2003, Z. 63; Nr. 64016/00, Giniewski / Frankreich, 31.1.2006, Z. 40; Nr. 50692/99, Tatlav / Türkei, 2.8.2006, Z. 25.

122 Vgl. Şahin Z. 99 und 115; Kurtulmuş Z. A; EGMR, Nr. 26625/02, Köse /Türkei, 2.5.2006; Dogru Z. 60; Kervanci Z. 60.

123 Ein regelrechter Anspruch aufgrund der positiven Religionsfreiheit wäre dann gegeben, wenn der Staat jede Form von Religionsausübung in der Schule von vornherein unterbinden würde. Umgekehrt wäre ein Anspruch aus der negativen Religionsfreiheit gegeben, wenn der Staat Schüler gegen ihren Willen zu religiösen Bekenntnisakten oder sonstigen Verhaltensweisen zwingen würde. Zwischen diesen beiden extremen Polen, die jeweils ein Grundrecht verletzen, bewegt sich der Handlungsspielraum des Staates. Letztlich ist es seine Entscheidung, ob er mehr die positive oder die negative Religionsfreiheit unterstützt, solange er das andere Grundrecht dabei nicht verletzt.

124 Im Hinblick auf den deutschen Kruzifix-Beschluss wurde die Frage diskutiert, ob nicht auch auf Seiten jener, die das Kreuz ablehnen, die positive Religionsfreiheit einschlägig wäre, da diese nicht-religiöse Weltanschauungen ebenso umfasst und die Beschwerdeführer sich auf eben diese berufen (vgl. Czermak, Unzulässigkeit, 33; Ipsen, Glaubensfreiheit. 307f.). Bei der Prüfung des Falls Lautsi kann diese Frage unberücksichtigt bleiben. Zwar umfasst auch das Grundrecht der EMRK die Weltanschauungsfreiheit, doch führte diese, da positive Weltanschauungsfreiheit und negative Religionsfreiheit auf derselben Ebene stehen, zu keinem anderen Ergebnis. Die Beschwerdeführerin begehrte nicht positiv das Anbringen eines ihrer persönlichen Weltanschauung entsprechenden Symbols, sondern negativ die Abnahme eines ihrer Überzeugung fremden religiösen Symbols. So geht der EGMR in seinem Urteil selbstverständlich von der negativen Freiheit aus.

125 Vgl. Campenhausen, Stellungnahme, 142=8; Gut, Kruzifix, 78f.; Kalb / Potz / Schinkele, Kreuz, 66 und 70; dies., Religionsrecht, 46; Rauscher, Anton, Die gesellschaftliche Dimension der Religionsfreiheit, in: Rauscher, Anton (Hg.), Gesellschaft ohne Grundkonsens? Köln 1997, 59-80, 77; Schinkele, Kommentar, 316.

126 Vgl. EGMR, Nr. 71156/01, Gldani / Georgien, 3.5.2007, Z. 134; Zengin, Z. 49. Vgl. Evans, Manual, 45 und 50; Blum, Religionsfreiheit, 103: Die Religionsfreiheit bedeutet nicht, dass der Staat eine indifferente Haltung einnehmen müsste.

127 Der EGMR würde damit das "Glaubenssystem des Säkularismus" privilegieren und somit in Konflikt mit seiner eigenen Rechtsprechung geraten (vgl. Evans, Manual, 55). Robbers (Verhältnis, 63) bringt das Problem auf den Punkt: "Geht es um den Konflikt zwischen zwei unterschiedlichen Religionen oder Konfessionen so wäre der völlige Verzicht auf jede Religionssymbolik ein Akt der Neutralität gegenüber diesen konkurrierenden Gruppen. Geht es dagegen um einen Konflikt zwischen einer Gruppe, die religiöse Symbole wünscht, und einer Gruppe, die keine religiösen Symbole wünscht, so ist der Verzicht auf jede religiöse Symbolik kein Akt der Neutralität, sondern die klare Stellungnahme für die Letztere." Vgl. auch Berger, Kreuz, 170; Rauscher, Dimension, 77f.

128 Kritik an der Dominanz der negativen gegenüber der positiven Religionsfreiheit in Bezug auf den deutschen Kruzifix-Beschluss: Campenhausen, Kruzifix, 451; Heckel, Kreuz, 479f.; Hollerbach, Alexander, "Der Staat ist kein Neutrum", in: Maier, Hans, Das Kreuz im Widerspruch. Der Kruzifix-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts in der Kontroverse (Quaestiones disputatae 162), Freiburg 1996, 28-39, 28; Müller-Volbehr, Kruzifix-Beschluss, 999; Rees, Juden, 288.

129 Genau das kritisieren Annicchino und Mazurkiewicz am Urteil Lautsi: Annicchino, Pasquale, Is the glass half empty or half full? Lautsi v Italy before the European Court of Human Rights, in: Stato, Chiese e pluralismo confessionale, maggio 2010, 1-19, 17f.; Mazurkiewicz, Piotr, Frei von oder frei für Religion? in: Europe Infos 129 (2010) 1.

130 Vgl. D'Angelo, Giuseppe, Neutralità delle istituzioni e neutralizzazione dello spazio pubblico nel caso dei simboli religiosi. Frammenti ricostruttivi nella prospettiva del diritto ecclesiastico comparato, in: DirEccl 119 (2008) 489-523, 522.

131 In der Entscheidung Dogru (Z. 72) scheint der EGMR vom Kanton Genf auf die gesamte Schweiz zu schließen. In Wirklichkeit divergieren die religionsrechtlichen Systeme zwischen den Schweizer Kantonen aber sehr stark.

132 Vor diesem Fehlschluss warnt Evans, Manual, 55. Vgl. auch Bülow, Kopftuchurteil, 84; Pabel, Kopftuch, 15.

133 Diesen Eindruck könnte man im Urteil Şahin Z. 114 gewinnen.

134 Das Prinzip der religiösen und weltanschaulichen Neutralität heißt weder Indifferenz oder laizistische Unduldsamkeit (Müller-Volbehr, Kruzifix-Beschluss, 998) noch staatlich verordnete Standpunktlosigkeit (Campenhausen, Stellungnahme, 148=14).

135 Vgl. Kalb / Potz / Schinkele, Kreuz, 40f.; Schinkele, Kommentar, 317; Ulrich, Kopftuch, 651f. Eine ähnliche Unterscheidung nehmen Campenhausen (Kruzifix, 458) und Heckel (Kreuz, 472f.) vor. Link (Crux, 3356) folgt Böckenförde mit der Unterscheidung von "distanzierender" und "offen übergreifender" Neutralität. Interessant ist, dass der EGMR im Urteil Lautsi unter den allgemeinen Prinzipien (Z. 47) selbst anführt, dass die Schule nicht ausgrenzend, sondern einbeziehend zu sein hat.

136 Vgl. Gut, Kruzifix, 80.

137 Vgl. Kalb / Potz / Schinkele (Kreuz, 40), die eine ähnliche Unterscheidung anstellen.

138 EGMR, Nr. 41135/98, Arslan / Türkei, 23.2.2010, Z. 48.

139 Aber selbst hier können sie nicht generell, ohne den Kontext zu berücksichtigen, verboten werden. Evans (Manual, 76f.) bringt das Beispiel eines Geistlichen in einem staatskirchlichen System, der zugleich Staatsbeamter ist und dabei Hoheitsfunktionen ausübt. Es wäre absurd, ihm das Tragen und Verwenden religiöser Symbole untersagen zu wollen.

140 Vgl. Kalb / Potz / Schinkele, Kreuz, 41.

141 Böckenförde, Ernst-Wolfgang, Kreuze (Kruzifixe) in Gerichtssälen? Zum Verhältnis von staatlicher Selbstdarstellung und religiös weltanschaulicher Neutralität des Staates, in: ZevKR 20 (1975) 119-147, 131.

142 Kalb / Potz / Schinkele, Kreuz, 42.

143 In diese Richtung geht auch Evans, Manual, 75. Für ihn umfasst "Öffentlichkeit" im Sinne des Art. 9 EMRK nicht nur die Öffentlichkeit in der dritten hier genannten Bedeutung, sondern das "öffentliche Leben" insgesamt, d.h. die Felder des öffentlichen Engagements, die vom Staat geleitet werden.

144 Santa Sede, Repubblica Italiana, Accordo con protocollo addizionale, che apporta modificazioni al Concordato lateranense (18.2.1984).

145 Vgl. Fede / Testa Bappenheim (Laïcité, 85), die zwischen Laizität und Laizismus unterscheiden. Das Kreuz ist in Italien erlaubt, weil der Staat nicht laizistisch, sondern laikal ist, vgl. Cardia, Carlo, Laicità dello stato, appartenenze religiose e ordinamento giuridico: prospettiva secolare, in: Annuario DiReCom 7 (2008) 21-38, 21: Er stellt der "laicità che emargina" die "laicità che accoglie" gegenüber. Gegen die Unterscheidung verschiedener Formen von Laizität hingegen Toscano, Marcello, Nouvi segnali di crisi: i casi Lombardi Vallauri e Lautsi davanti alla Corte europea dei diritti dell'uomo, in: Stato, Chiese e pluralism confessionale, maggio 2010, 1-82, 69.

146 So ein Hauptargument Cardias gegen das Urteil Lautsi: Cardia, Carlo, Identità religiosa e culturale d'Europa. La questione del Crocifisso, Torino 2010.

147 Vgl. Gut, Kruzifix, 83.

148 Vgl. Leb, Maria, Französische Republik, in: Rees, Wilhelm (Hg.), Katholische Kirche im neuen Europa. Religionsunterricht, Finanzierung und Ehe in kirchlichem und staatlichem Recht - mit einem Ausblick auf zwei afrikanische Länder, Wien 2007, 211-253, 227.

149 Vgl. dazu Bospflug, François, Culture religieuse et enseignement public: les enjeux du " rapport Debray ", in: RDC 52 (2002) 443-476; Willaime, Jean-Paul, Enseigner les faits religieux à l'école. Le débat français et sa mise en perspective européenne, in: Borne, Dominique / Willaime, Jean-Paul (Hg.), Enseigner les faits religieux. Quels enjeux? Paris 2007, 59-96, 64 und 69.

150 In diesem Zusammenhang skizziert Saint-Martin einen möglichen Unterricht über religiöse Symbole und Kunstwerke, die zum französischen Kulturerbe gehören, aber von der jungen Generation ohne Hintergrundwissen immer weniger verstanden werden. Dabei stellt sie fest, dass es absurd wäre, ein Te Deum oder ein Kruzifix losgelöst von ihrer religiösen Einbettung zu betrachten: Saint-Martin, Isabelle, Approche par les oeuvres (textes et images), in: Borne, Dominique / Willaime, Jean-Paul (Hg.), Enseigner les faits religieux. Quels enjeux? Paris 2007, 139-172, 169.

151 Vgl. Sarkozy, Nicolas, Der Staat und die Religionen, Hannover 2008, 148-150.

152 So schließt die EMRK beispielsweise das Bestehen einer Staatskirche nicht aus, vgl. Frowein, Artikel 9, Rz. 2; Grabenwarter, Menschenrechtskonvention, § 22, Rz. 83; Pabel, Kopftuch, 15. Wenn der EGMR im Urteil Supreme Holy Council, Druck auf eine bestimmte Religionsgemeinschaft für unzulässig hielt, so heißt das für Evans (Manual, 49) nicht, dass der Staat überhaupt von Religionsgemeinschaften Abstand nehmen müsste, sondern legt im Gegenteil sogar nahe, dass er mit ihnen auf einer nicht vereinnahmenden Basis kooperiert (EGMR, Nr. 39023/97, Supreme Holy Council of the Muslim Community / Bulgarien, 16.12.2004, Z. 77).

153 Nachdem Willaime (Enseigner, 80) Perspektiven für einen Religionskundeunterricht in Frankreich entwickelt hat, weitet er den Blick auf Europa und stellt fest, dass die schulische Laizität auf europäischer Ebene gegenüber der Religion nicht ausschließend, sondern einschließend ist und dass innerhalb der Schule eine größere Akzeptanz religiösen Ausdrucks gepflegt wird.

154 Dies gelte insbesondere beim Tragen religiöser Symbole in Bildungseinrichtungen, z. B. Şahin Z. 109f., Kurtulmuş Z. A, Dogru Z. 63, Kervanci Z. 63.

155 So zum Urteil Lautsi: Annicchino, glass, 17f.; zur Kopftuchfrage: Schinkele, Kommentar, 319. Nicht die Verbannung religiöser Symbole, sondern die offene Auseinandersetzung mit ihnen hilft, Toleranz einzuüben (Sydow, Symbole, 314).

156 Z. B. EGMR, Nr. 38178/97, Serif / Griechenland, 14.12.1999, Z. 53; Supreme holy council Z.96; Gldani Z. 132. Vgl. Evans, Manual, 50; Ulrich, Kopftuch, 660f.

157 Z. B. Şahin Z. 115; Köse. Befürwortend Frowein, Artikel 9, Rz. 34. Kritisch dazu Pabel, Kopftuch, 13 und Ulrich, Kopftuch, 660.

158 Z. B. Dahlab Z. 1; Sahin Z. 106; Dogru Z. 62; Kervanci Z. 62. Dieses Prinzip findet sich auch in anderen Entscheidungen wieder: EGMR, Nr. 14307/88, Kokkinakis / Griechenland, vom 25.5.1993, Z. 33; Ivanova Z. 79.

159 Außerdem forderte er von den Beschwerdeführerinnen Kompromissbereitschaft (z.B. Sahin Z. 108; Dogru Z. 62; Kervanci Z. 62). Im Fall Lautsi hat er diese Forderung hingegen nicht erhoben.

160 Auf dieses Urteil berufen sich Fede / Testa Bappenheim (Laïcité, 86) bezüglich der italienischen Kruzifix-Frage.

161 Vgl. EKMR, Nr. 8160/78, X / Vereinigtes Königreich, 12.3.1981, Z. 28.

162 Vgl. EGMR, Nr. 65501/01, Vergos / Griechenland, 24.6.2004, Z. 36 und 40f.

163 Evans (Manual, 70f.) schließt aus dem Urteil Zengin, dass es eigenartig wäre, über das Tragen religiöser Symbole durch Lehrer und Schüler übermäßig besorgt zu sein, wenn der Lehrplan, der in diesem Klassenzimmer gelehrt wird, berechtigterweise der dominierenden Glaubensrichtung den Vorrang einräumt. Wenn Kreuze in Klassenzimmern präsent sind, könne es denen, die sich darin aufhalten, nicht verboten sein, sie selbst zu tragen. Ob beides verboten werden sollte, müsse im weiteren Kontext beurteilt werden.

164 Ähnliche Überlegungen zum deutschen Kruzifix-Beschluss: vgl. Gut, Kruzifix, 79; Müller-Volbehr, Kruzifix-Beschluss, 1000.

165 Jedoch ist fraglich, wie ernst es dem EGMR mit dem Minderheitenschutz bei religiösen Symbolen wirklich ist. In Entscheidungen, die die Türkei betreffen, hielt er Kopftuchverbote für zulässig, weil damit Druck von Minderheiten, die kein Kopftuch tragen wollen, abgewendet wird (z.B. Karaduman Z. 2; Şahin Z. 115; Köse). In Frankreich, wo der Islam selbst eine Minderheitsreligion darstellt, hielt er Kopftuchverbote dennoch für gerechtfertigt (vgl. die Urteile Dogru und Kervanci). Was dort dem Schutz von Minderheiten diente, wird hier zum Argument gegen Minderheitenrechte (zu diesem Problem in Bezug auf Deutschland vgl. Esser, Kreuz, 75). So könnte man den Eindruck gewinnen, der Gerichtshof sei grundsätzlich gegen religiöse Symbole in Bildungseinrichtungen eingestellt und es gehe ihm in Wirklichkeit um die negative Religionsfreiheit und die Laizität des Staates. Denkt man das Argument, dass Druck von Minderheiten abgewendet werden soll, konsequent weiter, so kommt man zu dem Schluss, dass das Kreuz nur in Klassenräumen jener Staaten hängen dürfte, die keine christliche Mehrheit haben, was aber absurd ist.

166 Vgl. Czermak, Unzulässigkeit, 33; Jeand'Heur / Korioth, Grundzüge, Rz. 116; Mayer, Schulkreuz, 225; Renck, Ludwig, Zum rechtlichen Gehalt der Kruzifix-Debatte, in: ZRP 29 (1996) 16-20, 18; Strejcek, Gedanken, 233f.; Zuck, Rüdiger, Kreuz-Züge, in: NJW 48 (1995) 2903-2904, 2903.

167 Vgl. Kalb / Potz / Schinkele, Kreuz, 71.

168 Unter Zugrundelegung der Argumentation des EGMR im Urteil Lautsi müsste es Eltern und Schülern hingegen auch möglich sein, die Bilder der Staatsoberhäupter, die in vielen europäischen Schulklassen hängen, zu bekämpfen, indem sie diesen Bildern unterstellen, die jeweilige Person als vorbildhaft darzustellen. Das Staatsoberhaupt kann leicht mit einer Weltanschauung in Verbindung gebracht werden, die der eigenen widerspricht, obwohl dieses Amt in den meisten Europaratsstaaten durch eine demokratische Mehrheitsentscheidung verliehen wird.

169 Vgl. Sahin Z. 108f. In diese Richtung weist bereits das Urteil EGMR Nr. 7601/76; Nr. 7806/77 Young, James und Webster / Vereinigtes Königreich, 13.8.1981, das zu Art. 11 EMRK unter Mitberücksichtigung von Art. 9 und 10 erging. Danach muss zwischen der Minderheits- und der Mehrheitsposition eine faire Balance gefunden werden (Z. 63).

170 In der Regel ist der EGMR auf Rücksichtnahme und Ausgleich bedacht, vgl. Evans, Religious liberty, 334; Pernthaler, Peter, Österreichisches Bundesstaatsrecht. Lehr- und Handbuch, Wien 2004, 729.

171 Vgl. Streinz, Rudolf, Kruzifixe in Schulen - ein Verstoß gegen die Menschenwürde? Zum Kruzifix-Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 3. November 2009, in: Zur Debatte 1 (2010) 1-3, 2.

172 Evans (Manual, 50) betont, dass die Toleranz gegenüber unangenehmen Ansichten für beide Seiten gilt und gleichermaßen auf Nicht-Gläubige anzuwenden ist, die verschiedenen Formen des Ausdrucks von Religion gegenüberstehen, die sie für störend haltend und zu denen auch die Präsenz religiöser Symbole in der Öffentlichkeit gehört. Das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten, das die Europaratsstaaten abgeschlossen haben, legt fest, dass die Angehörigen einer Minderheit bei der Ausübung ihrer Rechte die Rechte anderer, insbesondere der Mehrheit und anderer Minderheiten, zu respektieren haben [Framework Convention for the Protection of National Minorities (1.2.1995), in: ETS Nr. 157, Art. 20]. Auch wenn es hier um nationale Minderheiten geht, berücksichtigt das Übereinkommen doch durchgehend die religiöse Identität mit. Insofern gilt dasselbe für religiöse bzw. weltanschauliche Minderheiten. Eine Minderheitenposition darf ebenso wenig missbraucht werden wie eine Mehrheitsposition.

173 Vgl. Jestaedt, Matthias, Die Grundrechtsrevolution frisst ihre Kinder. Bedachtes und Bedenkliches aus fünf Jahrzehnten Grundrechtsordnung, in: JRP 8 (2000) 99-113, 108; Kalb / Potz / Schinkele, Kreuz, 47; Schinkele, Kommentar, 316.

174 Vgl. Pree, Helmuth, Österreichisches Staatskirchenrecht, Wien 1984, 15; Rees, Juden, 288; Sydow, Symbole, 317.

175 Vgl. Campenhausen, Kruzifix, 453; Kalb / Potz / Schinkele, Religionsrecht, 47; Müller-Volbehr, Kruzifix-Beschluss, 998. In Italien wird von einer "pratica ponderazione" zwischen positiver und negativer Religionsfreiheit gesprochen (vgl. Fede / Testa Bappenheim, Laïcité, 82)

176 Nach Evans (Manual, 30) bildet die Toleranz das Leitprinzip bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach Art. 9 EMRK.

177 Kalb / Potz / Schinkele, Kreuz, 76.

178 Listl, Kruzifix, 176; Listl, Joseph, Glaubens-, Bekenntnis- und Kirchenfreiheit, in: Listl, Joseph / Pirson, Dietrich (Hg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, Berlin 21995, 441-445, 443.

179 Vgl. Pernthaler, Bundesstaatsrecht, 725.

180 Czermak (Weltanschauungsrecht, Rz. 267) bezeichnet die Toleranz zutreffend als "bürgerliche Tugend". Gegen eine juristische Argumentation mit dem Toleranzbegriff auch Renck, Gehalt, 17.

181 Vgl. Hassemer, Winfried, Religiöse Toleranz im Rechtsstaat, in: Simon, Lutz / Lauda, Rudolf (Hg.), Der Einfluss der Weltreligionen auf die Rechtssysteme der Länder. Vorträge und Beiträge zur Internationalen Konferenz 28.-31.10.2009 in Frankfurt am Main, Frankfurt am Main 2009, 81-92, 89f.

182 Vgl. Köchler, Hans, Philosophie, Recht, Politik. Abhandlungen zur politischen Philosophie und zur Rechtsphilosophie, Wien 1985, 105.

183 Vgl. EKMR, Nr. 24949/94, Konttinen / Finnland, 3.12.1996; EGMR, Nr. 55170/00, Kosteski / FYROM, 13.4.2006.

184 Der EGMR spricht in der Entscheidung Köse von impliziten Schranken. Zu inhärenten Schranken und einer Analogie mit Art. 8-11 Abs. 2 EMRK vgl. Wildhaber, Artikel 2 1. ZPMRK, Rz. 110.

185 Vgl. Kucsko-Stadlmayer, Gabriele, Die Rechtsprechung des österreichischen Verfassungsgerichtshofs auf dem Gebiet der Glaubensfreiheit, in: EuGRZ 26 (1999) 505-525, 511; Pree, Staatskirchenrecht, 28; Weiß, Kindererziehung, 82; anderer Ansicht Wildhaber, Artikel 2 1. ZPMRK, Rz. 9; ihm folgend Hornyik, Brigitte, Artikel 2 1. ZPMRK, in: Ermacora, Felix / Nowak, Manfred / Tretter, Hannes (Hg.), Die Europäische Menschenrechtskonvention in der Rechtsprechung der österreichischen Höchstgerichte, Wien 1983, 631-648, 639.

186 Vgl. die Entscheidungen Valsamis Z. 25; Efstratiou Z. 26; Zengin Z. 49.

187 Vgl. EGMR, Nr. 7511/76 und 7743/76, Campbell and Cosans / Vereinigtes Königreich, 25.2.1982, Z. 37a.

188 Vgl. EGMR, Kjeldsen Z. 51; Efstratiou Z. 28; Valsamis Z. 27; Köse; Zengin Z. 49; EKMR, 40 Mothers Z. 2a.

189 Vgl. EGMR, Kjeldsen Z. 53; Valsamis Z. 28; Efstratiou Z. 29; Köse; Zengin Z. 51; EKMR, Nr. 25212/94, Klerks / Niederlande, 4.7.1995.

190 Z. B. Campbell and Cosans Z. 37a, Valsamis Z. 27, Efstratiou Z. 28, Zengin Z. 49; vgl. Grabenwarter, Menschenrechtskonvention, Rz. 72; Gutknecht, Brigitte, Artikel 2 1.ZPEMRK, 7. Lfg. 2005, in: Korinek, Karl / Holoubek, Michael (Hg.), Österreichisches Bundesverfassungsrecht. Textsammlung und Kommentar, Bd. III Grundrechte, Wien 2007, Rz. 45; Taylor, Freedom, 166; Weiß, Kindererziehung, 90.

191 Vgl. EKMR, Nr. 10233/83, H / Vereinigtes Königreich, 6.3.1984.

192 Evans, Religious liberty, 354f.

193 EGMR, Nr. 1474/62 u.a., "Belgischer Sprachenfall", 23.7.1968, Z. 3; Campbell and Cosans Z. 37a; EKMR, Nr. 7527/76, X und Y / Vereinigtes Königreich, 5.7.1977; EKMR, Nr. 9461/81, X und Y / Vereinigtes Königreich, 7.12.1982; EKMR, Nr. 14135/88, P. und L.D. / Vereinigtes Königreich, 2.10.1989; EKMR, Nr. 14138/88 Connolley / Vereinigtes Königreich, 2.10.1989; EKMR, Nr. 13975/88, Jordebo / Schweden, 2.12.1992.

194 Vgl. Heckmann, Eingriff, 889; Taylor, Freedom, 72.

195 Z. B. Kjeldsen Z. 53f.; Zengin Z. 51; EKMR Angeleni Z. 4. Vgl. Grabenwarter, Menschenrechtskonvention, § 22, Rz. 72; Gutknecht, Art. 2 1. ZPMRK, Rz. 53; Kalb / Potz / Schinkele, Kreuz, 81; Keast, Diversitiy, 22f.

196 Z. B. EGMR, Kjeldsen Z. 53; Köse; Valsamis Z. 28; Efstratiou Z. 29; Zengin Z. 52f.; EKMR, Bernard; ähnlich ein View des Menschenrechtsausschusses der UNO: CCPR/C/12/D/40/1978 Hartikkainen / Finnland, 9.4.1981, Z. 10.4. Vgl. Kalb / Potz / Schinkele, Kreuz, 82; Frowein, Jochen, Artikel 2 des 1.ZP. Recht auf Bildung, in: Frowein, Jochen / Peukert, Wolfgang (Hg.), Europäische Menschenrechtskonvention. EMRK-Kommentar, Kehl 2009, 671-679, Rz. 2. Für Zeizinger zeigt das Urteil Kjeldsen, dass die Grenzen einer Nichtachtung des Elternrechts "weit draußen" liegen: Zeizinger, Herbert, Das Recht auf Bildung in der österreichischen Verfassungsordnung, in: Adamovich, Ludwig / Pernthaler, Peter (Hg.), Auf dem Weg zur Menschenwürde und Gerechtigkeit. Festschrift für Hans Richard Klecatsky zum 60. Lebensjahr, Bd. 2, Wien 1980, 1079-1099, 1097.

197 Z. B. EGMR, Kjeldsen Z. 56 e contrario; Zengin Z. 71f.; EKMR, Bernard; 40 Mothers Z. 2c (Vorschule ist nicht verpflichtend). Vgl. Evans, Manual, 23f.; Frowein, Artikel 2 1.ZP, Rz. 10; Grabenwarter, Menschenrechtskonvention, § 22, Rz. 73; Walter, Robert / Mayer, Heinz / Kucsko-Stadlmayer, Gabriele, Grundriss des österreichischen Bundesverfassungsrechts, Wien 102007, Rz. 1493.

198 In diesem Sinne auch die Stellungnahmen des Alliance Defense Fund (lit. b) und des European Centre for Law and Justice zum Urteil Lautsi: Alliance Defense Fund, Memorandum Lautsi v. Italy, at: http://www.telladf.org/UserDocs/Italy-LautsiLegalMemo.pdf [17.7.2010]; European Centre for Law and Justice, Legal Memorandum Lautsi v. Italy, April 2010, at: http://www.eclj.org/pdf/ECLJ-MEMO-LAUTSI-ITALY-ECHR-PUPPINCK.pdf [17.7.2010].

199 Vgl. Heckmann, Eingriff, 889.

200 Vgl. Taylor (Freedom, 168) hält es für unwahrscheinlich, dass einzelne Elemente von Proselytismus der Grad einer Indoktrinierung erreichen. Vielmehr müssten dazu mehrere Umstände wie eine dauernde energische Haltung des Lehrers kumulativ vorliegen.

201 Vgl. EKMR, Nr. 10233/83, H / Vereinigtes Königreich, 6.3.1984; EKMR, Nr. 17678/91, B.N. und S.N. / Schweden, 30.6.1993; EGMR, Nr. 35504/03, Konrad / Deutschland, 11.9.2006.

202 Valsamis Z. 30 und 37.

203 Was verboten ist, sofern Ausnahmemöglichkeiten fehlen, ist die verpflichtende Teilnahme an Akten religiöser Verehrung und Schulstunden, die einen Glauben als Glauben lehren: vgl. Evans, Religious Liberty, 358; EGMR, Zengin Z. 60.

204 Vgl. Grabenwarter, Menschenrechtskonvention, § 22, Rz. 78; Wildhaber, Art. 2 1. ZPMRK, Rz. 75; ebenso im deutschen Recht: Jestaedt, Kreuz, 256.

205 Aus diesem Grund rechnete Campenhausen (Stellungnahme, 147=13) damit, dass der EGMR beim Schulkreuz keinen Grundrechtsverstoß feststellen würde. In diesem Sinne konkret zum Urteil Lautsi: Alliance Defense Fund, Memorandum lit. b.

206 Vgl. Link, Crux, 3354.

207 Vgl. Frowein, Artikel 2 1.ZP, Rz. 7; Grabenwarter, Menschenrechtskonvention, § 22, Rz. 68.

208 EKMR, Nr. 19844/92, Leuffen / Deutschland, 9.7.1992, Z. 1; EGMR, Konrad, Z. 1. Vgl. Gutknecht, Art. 2 1. ZPMRK, Rz. 46.

209 Vgl. Campenhausen, Stellungnahme, 138=4; Heckel, Kreuz, 457; Isensee, Bilderstreit, 14; Jestaedt, Kreuz, 255-257; Listl, Kruzifix, 163. Kritisch dazu, weil die Schulkompetenz grundrechtskonform ausgeübt werden muss: Czermak, Unzulässigkeit, 38; Renck, Gehalt, 18.

210 Z. B. EGMR, Kjeldsen Z. 52; Zengin Z. 50. Für einen Vorrang des Elternrechts vor dem staatlichen Erziehungsauftrag bei Weltanschauung und Religion: Blum, Religionsfreiheit, 140; Weiß, Kindererziehung, 156.

211 Vgl. Kalb / Potz / Schinkele, Kreuz, 78.

212 Zu Deutschland vgl. Ihli, Lernen, 117; Listl, Kruzifix, 162.

213 Weber versteht im Urteil Kjeldsen das Elternrecht eher im Sinne seiner negativen Ausprägung: Weber, Hermann, Die individuelle und kollektive Religionsfreiheit im europäischen Recht, in: öarr 49 (2002) 1-21, 5. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass dies durch die Richtung der Beschwerde bedingt war, der EGMR der Beschwerde aber gerade nicht stattgegeben hat:

214 Z. B. EGMR, Kjeldsen Z. 50; Köse.

215 Vgl. Schwendenwein, Katechetenrecht, 150. Sydow (Symbole, 321) stellt fest, dass durch einen Ausschluss von religiösen Symbolen die staatliche Schule zwar von Konflikten entlastet wird, aber auch nichts dazu beitragen kann, dass die in der Gesellschaft vorhandenen Konflikte gelöst werden.

216 Convention on the Rights of the Child (20.11.1989), in: UNTS 1577, 3, Art. 29 Abs. 1 lit. c und d.

217 Vgl. Blum, Religionsfreiheit, 144.

218 Vgl. Isensee, Bilderstreit, 12; Listl, Kruzifix, 163.

219 So aus psychologischer Sicht: Hemminger, Hansjörg, Grundwissen Religionspsychologie. Ein Handbuch für Studium und Praxis, Freiburg 2003, 63.

220 Z. B. Campbell and Cosans Z. 37a, Valsamis Z. 27, Efstratiou Z. 28.

221 Vgl. Öhlinger, Theo, Verfassungsrecht, Wien 82009, Rz. 929; ders., Kulturverfassungsrecht, in: RdS 8 (1986) 47-59, 54.

222 Vgl. in diesem Sinne auch die EKMR-Entscheidung Angeleni zu Art. 9.

223 Sekretariat der DBK, Das Kruzifix in der Gemeinschaftsschule. Stellungnahme zu einer Verfassungsbeschwerde, in: Isensee, Josef / Rees, Wilhelm (Hg.), Dem Staate, was des Staates - der Kirche, was der Kirche ist. Festschrift für Joseph Listl zum 70. Geburtstag (Staatskirchenrechtliche Abhandlungen 33), Berlin 1999, 158-175; Campenhausen, Axel Freiherr von, Gutachtliche Stellungnahme des kirchenrechtlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland zur Verwendung religiöser Symbole in einer öffentlichen Schule, in: Streithofen, Basilius Heinrich, Das Kruzifix Urteil. Deutschland vor einem neuen Kulturkampf? Frankfurt am Main 1995, 135-154.

224 Dies ist eine der Thesen, die Cardia (Identità) gegen das Urteil Lautsi vorbringt. Die Alleanza evangelica Italiana und die Federazione delle chiese evangeliche in Italia haben das Urteil Lautsi hingegen begrüßt, vgl. Platone, Giuseppe, No al crocifisso imposto a tutti. Unanime la posizione degli evangelici italiani, at: http://www.chiesavaldese.org/pages/archivi/index_commenti.php?id=1017 [17.7.2010].

225 Im konfessionsübergreifenden Charakter des Schulkreuzes besteht für Pfefferle der entscheidende Unterschied gegenüber der staatlichen Trauerbeflaggung beim Tod religiöser Oberhäupter: Pfefferle, Thomas, Staatliche Neutralität in Sachen Religion und Weltanschauung und Trauerbeflaggung beim Tod religiöser Oberhäupter, in: NomoK@anon-Webdokument, at: http://www.uni-tuebingen.de/kirchenrecht/nomokanon/aufsaetze/009.htm, Rz. 10.

226 Der Alliance Defense Fund merkt zum Urteil Lautsi an, dass die Abnahme der Kreuze eine radikal säkularistische Stellungnahme wäre, und weist auf vier ehemals kommunistische Konventionsstaaten hin. Diese machten in ihrer jüngsten Geschichte Erfahrungen mit einer ideologisch erzwungenen Entfernung religiöser Symbole und sind im Revisionsverfahren als Drittbeteiligte beigetreten bzw. haben Stellungnahmen zu Gunsten der italienischen Position abgegeben (lit. c).

227 Dies verlangt das Prinzip der praktischen Konkordanz (vgl. oben Abschnitt 3.3.5).

228 Art. 1 12.ZPMRK enthält ein selbstständiges Diskriminierungsverbot (Protokoll Nr. 12 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, 4.11.2000, in: ETS Nr. 177). Daraus ergäben sich im vorliegenden Fall jedoch keine zusätzlichen Konsequenzen, weil ohnehin der Schutzbereich zweier anderer Grundrechte berührt ist. Italien und Österreich haben das 12.ZPMRK zwar unterzeichnet, aber bislang nicht ratifiziert, so dass es für diese beiden Länder nicht gilt.

229 EGMR, Nr. 1474/62 u.a., "Belgischer Sprachenfall", 23.7.1968.

230 Nur die Konventionsstaaten selbst können mittels Beschwerde Gesetze in abstracto überprüfen lassen (Art. 33 EMRK).

231 Die Verpflichtung, die Urteile zu befolgen, erlegten sich die Konventionsstaaten nur für jene Fälle auf, in denen sie selbst Partei sind: Art. 46 Abs. 1 EMRK.

232 Vgl. Flauss, Jean-François, La Cour européenne des droits de l'homme est-elle une cour constitutionnelle ? in: Flauss, Jean-Francois / Salvia, de Michel (Hg.), La Convention européenne des droits de l'homme Développements récents et nouveaux défis, Bruxelles 1997, 69-92, 86.

233 Vgl. Grabenwarter, Menschenrechtskonvention, § 16, Rz. 9.

234 Vgl. Ress, Georg, Supranationaler Menschenrechtsschutz und der Wandel der Staatlichkeit, in: ZaöRV 64 (2004), 621-639, 630.

235 Protokoll Nr. 11 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, über die Umgestaltung des durch die Konvention eingeführten Kontrollmechanismus, 11.5.1994, in: ETS Nr. 155. Vgl. Machacek, Rudolf, Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und vor dem Verwaltungsgerichtshof. Leitfaden für die Praxis mit Darlegungen zur Volksanwaltschaft, für EMRK- und UVS-Beschwerden und für Anträge auf Vorabentscheidung, Wien 52004, 371.

236 Vgl. Grabenwarter, Menschenrechtskonvention, § 2, Rz. 3.

237 Z. B. EGMR, Nr. 5856/72, Tyrer / Vereinigtes Königreich, 25.4.1978, Z. 31; EGMR, Nr. 25803/94, Selmouni / Frankreich, 28.7.1999 Z. 101. Vgl. Berka, Walter, Lehrbuch Grundrechte. Ein Arbeitsbuch für das juristische Studium mit Hinweisen zur grundrechtlichen Fallbearbeitung, Wien 2000, Rz. 52; Evans, Manual, 41.

238 Vor dem Urteil Lautsi erwartete die Lehre, dass der EGMR die Frage von religiösen Symbolen in Schulen, dem Gestaltungsspielraum der Konventionsstaaten anheimstellt, weil unter diesen kein Konsens zu diesem Thema besteht (vgl. Evans, Manual, 103; Kalb / Potz / Schinkele, Kreuz, 82). Im Urteil Şahin gewährte er der Türkei jedenfalls einen weiten Spielraum (vgl. Ulrich, Kopftuch, 646). Umso verwunderlicher ist es, dass er dies im Fall Lautsi nicht tat, obwohl sich Italien deutlich darauf berufen hatte (Z. 38). Nicht einmal ansatzweise stellte er einen Vergleich zwischen den Konventionsstaaten an. Kritik am fehlenden Beurteilungsspielraum im Urteil Lautsi üben die Stellungnahmen des Alliance Defense Fund und des European Centre for Law and Justice zum Urteil Lautsi. Annicchino (Glass, 16) und Mancini (Rage, 21) kritisieren am Urteil Lautsi, dass es den Eindruck erweckt, als gebe der EGMR den judicial self-restraint und das Prinzip des weiten Beurteilungsspielraums auf. Ähnlich Streinz, Kruzifixe, 3. Kein Problem sieht darin hingegen Colaianni, Nicola, Il crocifisso tra Roma e Strasburgo, in: Stato, Chiese e pluralismo confessionale, maggio 2010, 1-8, 5.

239 Dazu kommt, dass der EGMR mit der Flut an Beschwerden hoffnungslos überfordert ist. Nach Machacek (Verfahren, 374) sollte er sich darauf beschränken, die Weichen zu stellen sowie Grundsätzliches zu entscheiden und sich dabei am Beurteilungsspielraum der Staaten orientieren.

240 Flauss (Cour européenne, 87) betont, dass der nationale Verfassungsgeber eine Entscheidung des nationalen Verfassungsgerichts überwinden kann. Der EGMR hingegen sei vor diesem Risiko gefeit. Das widerspreche dem modernen Verfassungsstaat.

241 Vgl. den Dialog zwischen der EMRK und den nationalen Grundrechtsordnungen bei Grabenwarter, Menschenrechtskonvention, § 3, Rz. 9.

242 Für Flauss (Cour européenne, 87) wäre es aus demokratischer Sicht inakzeptabel, wenn der EGMR das letzte Wort hätte.

243 Im Verfahren Lautsi führte der Drittbeteiligte Greek Helsinki Monitor als Argument gegen die Schulkreuze das Toledo-Dokument der OSZE an: OSCE, Office for Democratic Institutions and Human Rights, Toledo guiding principles on teaching about religions and beliefs in public schools, Warsaw 2007. Der EGMR übernahm dies zu Recht nicht in die Urteilsbegründung. Abgesehen davon, dass es nicht rechtlich verbindlich ist und nicht dem Europarat, sondern der OSZE zuzuordnen ist, geht dieses Dokument nicht näher auf die Frage der Schulkreuze ein, sondern erklärt, dass dieses komplexe Thema einer tieferen Erforschung bedürfte, die über das Ziel dieses Dokuments hinausginge (S. 74).

244 Z. B. Rec 1720 (2005)1 "Education and religion", 4.10.2005, Nr. 8 und 14.2; Rec 1804 (2007)1 "State, religion, secularity and human rights", 29.6.2007, Nr. 14 und 24.1.

245 Dabei ist zu begrüßen, dass die Bedeutung der Vermittlung religiöser Kenntnisse angesichts des Wissensschwundes auf diesem Gebiet ernst genommen wird. Die Frage ist jedoch, ob der neutrale Unterricht über Fakten, der gleichsam den Kompromiss zwischen dem konfessionellen Religionsunterricht und dem völligen Fehlen jeglichen religiösen Unterrichts in Staaten mit einer laizistischen Schule bilden soll, wirklich eine sinnvolle und praktikable Lösung darstellt, auf die sich alle Staaten des Europarats zubewegen sollten. Damit verbundene Probleme werden in den Urteilen Folgerø und Zengin sichtbar.

246 Da sich die Hervorhebung einer bestimmten Religion in der Praxis doch nicht ganz vermeiden lässt, erhoben in beiden Fällen Betroffene, die sich nicht zu dieser bekennen, Beschwerde, weil sie zur Teilnahme verpflichtet waren. Ein konfessioneller Religionsunterricht hingegen legt von vornherein seine Ausrichtung klar und gewährt Dissentierenden eine Abmeldemöglichkeit.

247 Wörtlich: "Some countries have banned the wearing of religious symbols in schools. The legislation of ETSeral Council of Europe member states still contains anachronisms dating from times when religion played a more important part in our societies."

248 Satzung des Europarats, 5.5.1949, in: ETS Nr. 1.

249 Rec 1743 (2010) "Islam, Islamism and Islamophobia in Europe", 23.6.2010.

250 26 Mitglieder der Parlamentarischen Versammlung der Europarates, Schriftliche Erklärung Nr. 437: European Court of Human Rights' ruling against crucifixes in Italian classrooms (Doc. 12150, 28.1.2010).

251 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, in: ABl. Nr. C 83, 30.3.2010, 47-199.

252 Charta der Grundrechte der Europäischen Union, in: ABl. Nr. C 83, 30.3.2010, 389-403.

253 Vertrag über die Europäische Union, in: ABl. Nr. C 83, 30.3.2010, 13-45.

254 Vgl. Griss, Irmgard, in: Kommenda, Benedikt, Aufgaben und Aufbau der Justiz überdenken, in: Die Presse, Rechtspanorama 22.2.2010.

255 European Charter of Local Self-Government, 15.10.1985, in: ETS Nr. 122.

256 Committee of Ministers, Rec. Nr. 95/19, on the implementation of the principle of subsidiarity, 12.10.1995.

257 Schriftliche Anfrage E 1586/02, Anbringung von Kruzifixen in allen öffentlichen Räumen der europäischen Institutionen, in: ABl. Nr. C 28 E vom 6.2.2003, S. 123.

258 Vgl. Hummer, Waldemar, Weder Gott noch Weihrauch. Fußnoten eines Europarechtlers, in: Wiener Zeitung, 6.5.2009.

259 KOM(2008) 426 endg., Nr. 3 der Begründung.

260 Einen Missbrauch des Begriffs der Menschenrechte durch das Urteil Lautsi beklagt Kriele, Kruzifixurteil.

261 Jestaedt, Grundrechtsrevolution, 108.

262 Mancini, Rage, 27; ähnlich Hillgruber, Minderheiten, 24.

263 Krimphove, Dieter, Europa und die Religionen, in: KuR 2008, 140, 89-126, 92.

264 Mayer, Schulkreuz, 225 und 227. Zurückhaltender jedoch in: Mayer, Heinz, Das österreichische Bundes-Verfassungsrecht. Kurzkommentar, Wien 42007, Art. 14 StGG, Nr. III. Hier spricht er nur davon, dass die Frage in der Literatur diskutiert wird.

265 Thienel, Religionsfreiheit, 72.

266 Vgl. Mayer-Maly, Theo, Das Kreuz in österreichischen Schulzimmern, in: JRP 3 (1995) 219-221; Mayer-Maly, Theo, Die Kreuze in den österreichischen Schulklassen, in: Ziemske, Burkhardt u.a. (Hg.), Staatsphilosophie und Rechtspolitik. Festschrift für Martin Kriele zum 65. Geburtstag, München 1997, 1489-1492; Mayer-Maly, Theo, Negative Glaubensfreiheit? in: Funk, Bernd-Christian u.a. (Hg.), Der Rechtsstaat vor neuen Herausforderungen. Festschrift für Ludwig Adamovich zum 70. Geburtstag, Wien 2002, 443-448.

267 Insgesamt sei die österreichische Regelung daher als grundrechtskonform zu interpretieren, auch wenn sie noch verbesserungsfähig wäre: Kalb / Potz / Schinkele, Kreuz, 106; dies., Religionsrecht, 372-374.

268 Grabenwarter, Art. 9 EMRK, Rz. 22.

269 Juranek, Markus, Schulverfassung und Schulverwaltung in Österreich und Europa, Bd. I: Das österreichische Schulrecht, Wien 1999, 114.

270 Mantl, Wolfgang, Öffentliches Schulwesen im Spannungsfeld von Staat und Kirche. Länderbericht Österreich, in: Riedel, Eibe (Hg.), Öffentliches Schulwesen im Spannungsfeld von Staat und Kirche. Länderberichte und Generalbericht der 26. Tagung für Rechtsvergleichung vom 24. bis 27. September in der Karl-Franzens-Universität Graz, Baden-Baden 1998, 107-135, 130.

271 Öhlinger, Theo, Verfassungsrecht, Wien 52003, Rz. 938. In der 8. Auflage von 2009 spricht er nur von einer umstrittenen Frage (Rz. 939a).

272 Pabel, Schulwesen, 74.

273 Rees, Juden, 289.

274 Schwendenwein, Katechetenrecht, 151.

275 Ulrich, Kopftuch, 656.

276 Berka, Walter, Grundrechte. Die Grundfreiheiten und Menschenrechte in Österreich, Wien 1999, Rz. 514.

277 Staatsgrundgesetz vom 21. December 1867 über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger für die im Reichsrathe vertretenen Königreiche und Länder, in: RGBl. Nr. 142/1867 i.d.F. BGBl. Nr. 684/1988.

278 Aktuell haben 15 Kirchen und Religionsgesellschaften diesen Status.

279 Vgl. Kalb / Potz / Schinkele, Religionsrecht, 71.

280 Verfassungsgesetz über die Verfassung des Landes Vorarlberg, in: LGBl. Nr. 9/1999 i.d.F. 34/2009.

281 Vgl. Kalb / Potz / Schinkele, Religionsrecht, 73.

282 Gesetz vom 25. Mai 1868, wodurch grundsätzliche Bestimmungen über das Verhältniß der Schule zur Kirche erlassen werden, in: RGBl. Nr. 48/1868, i.d.F. BGBl. Nr. 240/1962.

283 Gesetz vom 14.5.1869, durch welches die Grundsätze des Unterrichtswesens bezüglich der Volksschulen festgestellt werden, in: RGBl. Nr. 1869/62 [außer Kraft getreten].

284 Pabel, Schulwesen, 40.

285 Bundes-Verfassungsgesetz, in: BGBl. Nr. 1/1930 i.d.F. BGBl.Nr. 1013/1994.

286 Öhlinger, Theo, Kulturverfassungsrecht, in: RdS 8 (1986) 47-59, 56f.

287 Vgl. Evers, Hans-Ulrich, Der Bildungs- und Erziehungsauftrag der österreichischen Schule als Rechtsproblem, in: RdS 4 (1982) 33-43, 35; Kalb / Potz / Schinkele, Religionsrecht, 341.

288 Regierungsvorlage SchOG, 733 BlgNR 9. GP, Erläuternde Bemerkungen 23.

289 Schulorganisationsgesetz, in: BGBl. Nr. 242/1962 i.d.F. BGBl. I Nr. 44/2010.

290 Regierungsvorlage SchOG, 733 BlgNR 9. GP, Erläuternde Bemerkungen 25. Der Unterrichtsausschuss des Nationalrates hat zur Verdeutlichung der den Erziehungszielen der österreichischen Schule zugrundeliegenden Wertordnung eine Umformulierung des § 2 Abs. 1 vorgenommen: Bericht des Unterrichtsauschusses, 785 BlgNR 9. GP 1. Vgl. Evers, Erziehungsauftrag, 33.

291 Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights), 19.12.1966.

292 Vgl. Kalb / Potz / Schinkele, Kreuz, 81.

293 Bundesgesetz vom 14.7.1966, mit dem Bestimmungen über die land- und forstwirtschaftlichen Lehranstalten des Bundes getroffen werden, in: BGBl. Nr. 175/1966 i.d.F. BGBl. I Nr. 113/2006.

294 Bundesgesetz vom 29.4.1975 betreffend die Grundsätze für land- und forstwirtschaftliche Berufsschulen, in: BGBl. Nr. 319/1975 i.d.F. BGBl. I Nr. 91/2005.

295 Vgl. Evers, Erziehungsauftrag, 42; Rees, Juden, 293. Kritisch zu dieser undifferenzierten Bestimmung in der letztgenannten Norm: Evers, Erziehungsauftrag, 42; Weiß, Kindererziehung, 162.

296 Vgl. Pabel, Schulwesen, 48. Gampl erblickte darin einen Widerspruch zur Religionsfreiheit: Gampl, Inge, Österreichisches Staatskirchenrecht, Wien 1971, 52. Möglicherweise verfassungswidrig, sofern Privatschulen mit Öffentlichkeitsrecht betroffen sind: Kucsko-Stadlmayer, Gabriele, Die Rechtsprechung des österreichischen Verfassungsgerichtshofs auf dem Gebiet der Glaubensfreiheit, in: EuGRZ 26 (1999) 505-525, 509. Differenzierend nach dem Willen der Schüler und Eltern: Pree, Staatskirchenrecht, 53. im Ergebnis für die Verfassungskonformität: Weiß, Kindererziehung, 160f.

297 Mayer, Bundes-Verfassungsrecht, Art. 14 StGG, Nr. I.

298 Z. B. Pabel, Schulwesen, 49; Ulrich, Kopftuch, 652; ähnlich zu § 2 SchOG: Rinnerthaler, Alfred, Die rechtliche Normierung des Religionsunterrichts, in: RdS 2 (1980) 17-20, 17.

299 Vgl. Jonak, Felix / Kövesi, Leo (Hg.), Das österreichische Schulrecht, Wien 102005, 39.

300 Vgl. Pabel, Schulwesen, 61. Ähnlich zu § 2 SchOG: Kucsko-Stadlmayer, Rechtsprechung, 508; Pree, Staatskirchenrecht, 53. Nach Schwendenwein wäre der Religionsunterricht von § 2 SchOG nicht umfasst, da dieser allein in der Verantwortung der jeweiligen Religionsgemeinschaften steht: Schwendenwein, Hugo, Kirche und Schule im österreichischen Konkordat und im Schulvertrag, in: Paarhammer, Hans (Hg.), 60 Jahre österreichisches Konkordat, München 1994, 505-528, 510.

301 Vgl. Ulrich, Kopftuch, 652 und 661. Bereits zu § 2 SchOG: Evers, Erziehungsauftrag, 38; Kalb / Potz / Schinkele, Kreuz, 80; Weiß, Kindererziehung, 160.

302 Vgl. Kalb / Potz / Schinkele, Kreuz, 23; Schwendenwein, Katechetenrecht, 148.

303 Kalb / Potz / Schinkele, Kreuz, 26.

304 Vgl. ebd. 27.

305 Religionsunterrichtsgesetz, in: BGBl. Nr. 190/1949 i.d.F. BGBl. Nr. 256/1993.

306 Vgl. Regierungsvorlage: Änderung RelUG, 734 BlgNR 9. GP, Erläuternde Bemerkungen 3; ebenso Bericht des Unterrichtsausschusses zum RelUG, 786 BlgNR 9. GP. Vgl. Schwendenwein, Konkordat, 506. Die Novelle zum Pflichtschulerhaltungsgrundsatzgesetz (BGBl. 1963/87), die das Anbringen staatlicher Symbole für Pflichtschulen regelte, ließ die Schulkreuzregelung gemäß Art. III Abs. 1 ausdrücklich unberührt.

307 Kärnten: § 59 Abs. 5 SchulG (LGBl. Nr. 58/2000 i.d.F. LGBl. Nr. 7/2009); Niederösterreich: § 86 Abs. 6 PflichtschulG (LGBl. Nr. 7/73 i.d.F. LGBl. Nr. 52/09); Steiermark: § 49 Abs. 2 PflichtschulerhaltungsG (LGBl. Nr. 71/2004 i.d.F. LGBl. Nr. 94/2008); vgl. auch § 13 Abs. 3 BerufsschulorganisationsG (LGBl. Nr. 74/1979 i.d.F. LGBl. Nr. 81/1999); Wien: § 42 Abs. 7 SchulG (LGBl. Nr. 20/1976 i.d.F. LGBl. Nr. 40/2009).

308 Burgenland: § 39 Abs. 2 PflichtschulG (LGBl. Nr. 36/1995 i.d.F. LGBl. Nr. 76/2008); Oberösterreich: § 55 Abs. 4 PflichtschulorganisationsG (LGBl. Nr. 35/1992 i.d.F. LGBl. Nr. 34/2009); Salzburg: § 16 Abs. 3 Schulorganisations-AusführungsG (LGBl. Nr. 64/1995 i.d.F. LGBl. Nr. 74/2009); vgl. auch die Salzburger Schulbauverordnungen, die ausdrücklich ein "Kruzifix" erwähnen: § 6 Abs. 4 lit. b SchulbauV allgemein bildende Pflichtschulen (LGBl. Nr. 60/1984 i.d.F. LGBl. Nr. 73/2002) und § 6 Abs. 4 lit. b SchulbauV berufsbildende Pflichtschulen (LGBl. Nr. 61/1984 i.d.F. LGBl. Nr. 18/1986); Tirol: § 71 Abs. 2 SchulorganisatsionsG (LGBl. Nr. 84/1991 i.d.F. LGBl. Nr. 57/2008); Vorarlberg: § 13 Abs. 4 Pflichtschulen- und SchülerheimeG (LGBl. Nr. 32/1998, i.d.F. LGBl. Nr. 37/2006); vgl. hier auch: § 5 Abs. 2 lit. a BauV Pflichtschulen (LGBl. Nr. 14/1990).

309 Vgl. Land- und forstwirtschaftliches SchulG (LGBl. Nr. 12/1977 i.d.F. LGBl. Nr. 77/2007).

310 Hier gibt es kein entsprechendes Gesetz.

311 Burgenland: § 76 Abs. 5 Landwirtschaftliches SchulG (LGBl. Nr. 30/1985 i.d.F. LGBl. Nr. 65/2009); Kärnten: § 41 Abs. 3 Landwirtschaftliches SchulG (LGBl. Nr. 67/1993 i.d.F. LGBl Nr 54/2008); Niederösterreich: § 74 Abs. 5 Landwirtschaftliches SchulG (LGBl. Nr. 19/77 i.d.F. Nr. 82/06); Salzburg: § 37 Abs. 3 Landwirtschaftliches SchulG (LGBl. Nr. 57/1976 i.d.F. LGBl. Nr. 111/2006).

312 Oberösterreich: § 72 Abs. 5 Land- und Forstwirtschaftliches SchulG (LGBl. Nr. 60/1997 i.d.F. LGBl. Nr. 140/2009); Tirol: § 30 Abs. 2 Landwirtschaftliches SchulG (LGBl. Nr. 34/1988 i.d.F. LGBl. Nr. 81/1995); Vorarlberg: § 7 Abs. Land- und forstwirtschaftliches Berufs- und FachschulwesenG (LGBl. Nr. 14/1979 i.d.F. LGB. 36/2009).

313 Niederösterreich: § 12 Abs. 2 KindergartenG (LGBl. Nr. 49/06 i.d.F. LGBl. Nr. 87/09); Oberösterreich: § 18 Abs. 2 KinderbetreuungsG (LGBl. Nr. 39/2007 i.d.F. LGBl. Nr. 43/2009).

314 Burgenland: § 19 Abs. 3 Kinderbildungs- und -betreuungsG (LGBl. Nr. 7/2009 i.d.F. LGBl. Nr. 67/2009); Tirol: § 11 Abs. 2 Kindergarten- und HortG (LGBl. Nr. 14/1973 i.d.F. LGBl. Nr. 84/1993).

315 Betreffend Kindergärten: § 27 Abs. 6 Kinderbetreuungsgesetz (LGBl. Nr. 41/2007 i.d.F. LGBl. Nr. 86/2009); betreffend Horte: § 52 Abs. 5 leg. cit.

316 § 6 Kinderbildungs- und -betreuungsG (LGBl. Nr. 22/2000 i.d.F. LGBl. Nr. 105/2008).

317 Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und der Republik Österreich zur Regelung von mit dem Schulwesen zusammenhängenden Fragen samt Schlußprotokoll, 9.7.1962, in: BGBl. Nr. 273/1962, i.d.F. BGBl. Nr. 289/1972.

318 Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhl und der Republik Österreich, 5.6.1933, in: BGBl. II 2/1934.

319 In dieser Völkerrechtlichen Verankerung liegt ein wesentlicher Unterschied zur Rechtslage in Bayern: vgl. Adamovich, Ludwig, Gedanken zum 4. Rechtsschutztag, in: Bundesministerium für Inneres (Hg.), Integration - Sicherheit - Rechtsschutz. 4. Rechtsschutztag des Bundesministeriums für Inneres (7.11.2006), Wien 2007, 27-32, 29; Mayer-Maly, Kreuz, 220; Mayer-Maly, Schulklassen, 1489; Mayer-Maly, Glaubensfreiheit, 444.

320 Vgl. Bericht des Außenpolitischen Ausschusses zum Schulvertrag, 772 BlgNR 9. GP.

321 Schwendenwein, Hugo, Österreichisches Staatskirchenrecht (BzMK 6), Essen 1992, 456.

322 Vgl. Mayer, Schulkreuz, 223, Strejcek, Gedanken 231.

323 Vgl. Jonak / Kövesi, Schulrecht, 44; Pabel, Schulwesen, 53. Der fatale Unterschied zu einer echten Verfassungsnorm zeigt sich aber erst im Gesetzeskontrollverfahren: Der VfGH kann das Gesetz, da es keine Verfassungsnorm ist, auf Verfassungskonformität prüfen und gegebenenfalls aufheben; der Gesetzgeber kann eine Änderung - und damit eine Verbesserung im Hinblick auf die Vorgaben der Verfassung - jedoch nur mit qualifizierter Mehrheit beschließen.

324 Vgl. Walter / Mayer / Kucsko-Stadlmayer, Grundriss, Rz. 1157.

325 Vgl. Berka, Grundrechte, Rz. 304; Machacek, Verfahren, 97f.

326 VfGH 24.6.1994, VfSlg. 13814/1994.

327 Vgl. Mayer (Schulkreuz, 224), der die Grundrechtsbetroffenheit jedoch bejaht. Strejcek (Gedanken, 230) hält einen Individualantrag gegen die Schulkreuzregelung für unwahrscheinlich.

328 Für Strejcek (Gedanken, 230f.) wäre ein Feststellungsbescheid denkbar. Wenn die Schulbehörden einen Bescheid verweigern, könnte der VwGH mit einer Säumnisbeschwerde angegangen werden.

329 Kritisch zur politischen Tätigkeit des BVerfG bezüglich des Schulkreuz-Beschlusses: Isensee, Bilderstreit, 83f.

330 Vgl. Mayer-Maly, Kreuz, 219; Mayer-Maly, Schulklassen, 1491.

331 Vgl. Berka, Grundrechte, Rz. 144; Schinkele, Brigitte, Zur Weltanschauungsfreiheit in Österreich, in: ÖAKR 37 (1990) 50-80.

332 Staatsvertrag von Saint-Germain-en-Laye, 10.9.1919, StGBl. 1920/303.

333 Vgl. Grabenwarter, Art. 14 StGG, Rz. 6.

334 Ebd. Rz. 7; vgl. auch Thienel, Religionsfreiheit, 41f.

335 Vgl. Grabenwarter, Menschenrechtskonvention, § 22, Rz. 16; Vranes, Erich, Der Status der Grundrechtscharta der Europäischen Union. Rechtliche Fragen und Optionen für die Zukunft, in: JBl 124 (2002) 630-641, 639.

336 Vgl. Kalb / Potz / Schinkele, Religionsrecht, 43.

337 Schinkele, Weltanschauungsfreiheit, 74 und 78.

338 Z.B. VfGH 27.9.1985, VfSlg. 10547; VfGH 27.9.1993, VfSlg. 13513; VfGH 17.12.1998, VfSlg. 15394. Vgl. dazu Grabenwarter, Art. 14 StGG, Rz. 7.

339 Art. 14 spielt in der Judikatur des VfGH eine immer geringere Rolle und kommt teilweise überhaupt nicht mehr vor: vgl. VfGH 3.10.2003, VfSlg. 16998/2003; VfGH 10.10.2003, VfSlg. 17021/2003. Er wird dem VfGH zufolge von Art. 9 überlagert (vgl. VfSlg. 10547/1985).

340 Eher künstlich wirkt der Versuch Ermacoras aus den drei Quellen ein einheitliches Grundrecht zu bilden: Ermacora, Felix, Handbuch der Grundfreiheiten und der Menschenrechte. Ein Kommentar zu den österreichischen Grundrechtsbestimmungen, Wien 1963, 356.

341 Daher entschied der VfGH die meisten älteren Fälle bereits auf der Ebene des Schutzbereichs, vgl. Heinrich, Religionsfreiheit, 131.

342 Vgl. Jestaedt, Grundrechtsrevolution, 107f.

343 Vgl. VfGH 16.5.1927, VfSlg. 799/1927; VfGH 16.5.1927, VfSlg. 800/1927.

344 Es ist jedoch zwischen Grundrechtssubjektivität und Grundrechtsmündigkeit zu unterscheiden. Kinder unter sieben Jahren haben keine Grundrechtssubjektivität (vgl. Mayer, Schulkreuz, 223; Thienel, Religionsfreiheit, 45). Kinder zwischen 7 und 14 Jahren sind nicht grundrechtsmündig. Nach einem Erkenntnis des VfGH (VfGH 16.5.1927, VfSlg. 802) sind sie aber sehr wohl Träger des Grundrechts, das sie auch gegen Eingriffe der Eltern schützt. Zur Unterscheidung von Kindern unter sieben Jahren und Kindern im Alter zwischen sieben und vierzehn Jahren vgl. Klecatsky, Hans, Die Glaubens- und Gewissensfreiheit und die Rechtsstellung der gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften, in: Machacek, Rudolf / Pahr, Willibald / Stadler, Gerhard (Hg.), 40 Jahre EMRK. Grund- und Menschenrechte in Österreich, Bd. II: Wesen und Werte, Kehl 1992, 489-505, 493.

345 Vgl. VfGH 16.5.1927, VfSlg. 802/1927; VfGH 11.5.1929, VfSlg. 1206/1929.

346 Religiöse und staatliche Symbole wurden auf zwei verschiedene Gesetze aufgeteilt: das RelUG und § 7 Abs. 2 des Pflichtschulerhaltungsgrundsatzgesetzes (BGBl. Nr. 163/1955 i.d.F. BGBl. I Nr. 91/2005). Die Landesgesetze regeln die beiden Arten von Symbolen jedoch meistens gemeinsam.

347 Thienel (Religionsfreiheit, 71) ist beizupflichten, wenn er dem Kreuz wegen des Regelungskontextes religiöse Bedeutung beimisst, doch ändert dies nichts an dem grundlegenden Faktum, dass es ein sinnvariierendes Symbol bleibt.

348 Z. B. VfGH 17.12.1958, VfSlg. 3480/1958; VfGH 17.12.1976, VfSlg. 7970/1976; VfGH 26.3.1977, 8033/1977; VfGH 26.2.1987, VfSlg. 11222/1987. Vgl. Grabenwarter, Art. 14 StGG, Rz. 14; Mayer, Bundesverfassungsrecht, Art. 14 StGG, Nr. I; Schinkele, Weltanschauungsfreiheit, 60; Thienel, Religionsfreiheit, 46; anderer Ansicht Berka, Grundrechte, Rz. 516.

349 Da Art. 14 die negative Religionsfreiheit schützt und diese mit einer nichtreligiösen Weltanschauung verbunden ist, findet Pernthaler (Bundesstaatsrecht, 727) es sinnwidrig, wenn der VfGH die Weltanschauungsfreiheit von Art. 14 StGG nicht eingeschlossen sieht. Ähnlich Klecatsky, Gewissensfreiheit, 495.

350 Vgl. VfSlg. 802/1927.

351 Vgl. Walter / Mayer / Kucsko-Stadlmayer, Grundriss, Rz. 1447.

352 Walter / Mayer / Kucsko-Stadlmayer (Grundriss, Rz. 1449) erwägen hingegen, ob das verpflichtende Anbringen eines Schulkreuzes unter besonderen Umständen gegen eine aus Art. 9 EMRK resultierende Schutzpflicht gegenüber den Angehörigen nichtchristlicher Religionsgemeinschaften verstoßen könnte.

353 Berka, Grundrechte, Rz. 250.

354 Vgl. Holoubek, Grundrechtseingriff, 1034f.

355 Berka, Grundrechte, Rz. 251.

356 Vgl. Grabenwarter, Art. 14 StGG, Rz. 21.

357 Vgl. die Frage Strejceks (Gedanken, 231), worin eigentlich der Eingriff bestehe.

358 Vgl. den Überblick über die Literatur zu diesem Thema am Anfang von Kapitel 7.

359 Vgl. Kucsko-Stadlmayer, Rechtsprechung, 505.

360 Vgl. Grabenwarter, Art. 14 StGG, Rz. 18.

361 Im Erkenntnis vom 21.6.1926 (VfSlg. 617/1926) führt der VfGH bei der Prüfung der negativen Religionsfreiheit sowohl Abs. 3 auch Abs. 1 an. Abs. 3 reduziert den in Abs. 1 bereits enthaltenen negativen Aspekt nicht auf zwei Elemente, sondern hebt diese nur speziell hervor, vgl. Mayer, Schulkreuz, 226; Mayer-Maly, Glaubensfreiheit, 447. Nach Grabenwarter (Art. 14 StGG, Rz. 18) ist Abs. 3 nur eine speziellere Ausformulierung.

362 Obwohl hier dem Wortlaut nach nur die positive Ausübungsfreiheit angesprochen ist (vgl. Mayer-Maly, Schulklassen, 63), geht der VfGH davon aus, dass diese Bestimmung im Inhalt mit Art. 14 StGG übereinstimmt, und führt sie auch in Fällen der negativen Religionsfreiheit an, z. B. im Erkenntnis vom 21.6.1926 (VfSlg. 617/1926).

363 Vgl. Grabenwarter, Art. 9 EMRK, Rz. 21; Pernthaler, Bundesstaatsrecht, 723f.; Walter / Mayer / Kucsko-Stadlmayer, Grundriss, Rz. 1447.

364 Vgl. Mayer-Maly, Kreuz, 221; Pabel, Schulwesen, 74; Rees, Juden, 289; Schwendenwein, Katechetenrecht, 149; Thienel, Religionsfreiheit, 72. Für Berka (Grundrechte, Rz. 514) ist die Begegnung mit unterschiedlichen religiösen Symbolen in einer pluralistischen Gesellschaft unvermeidlich und gerät nur dort in Konflikt mit der negativen Glaubensfreiheit, wo sie von Menschen, die der betreffenden Religion nicht angehören, als besonders aufdringlich und indoktrinierend empfunden werden muss. Dabei kommt es auf einen objektiven Maßstab an.

365 VfGH 11.5.1929, VfSlg. 1206/1929.

366 VfGH 16.5.1927, VfSlg. 802/1927.

367 VfGH 21.6.1926, VfSlg. 617/1926.

368 Vgl. Ermacora, Handbuch, 373: Teilnahme bedeutet aktives Tun.

369 Kalb / Potz / Schinkele, Kreuz, 99f.

370 Ebd. 83.

371 Zur Frage eines Grundrechtseingriffs durch schlichtes nicht-hoheitliches Verwaltungshandeln bzw. eine bloße Erlaubnis zum Anbringen von Kreuzen durch den Schulerhalter vgl. Holoubek, Grundrechtseingriff, 1038.

372 Nach Schwendenwein (Katechetenrecht, 150) kommt es der Religionsfreiheit dieser Schüler entgegen.

373 Vgl. Kalb / Potz / Schinkele, Kreuz, 67 und 78.

374 Religiöse Übungen sind nach § 2a RelUG nicht verbindlich: vgl. Regierungsvorlage Änderung RelUG, 734 BlgNR, 9. GP 5. Daher besteht kein Konflikt mit der Religionsfreiheit, vgl. Pree, Staatskirchenrecht, 57; Rees, Juden, 281; Schwendenwein, Staatskirchenrecht, 170; Schwendenwein, Katechetenrecht, 512.

375 Vgl. Berka, Lehrbuch, Rz. 396; Pabel, Schulwesen, 44.

376 VwGH, GZ 89/10/0188, 18.2.1991. Vgl. Hauser, Werner, Recht auf Bildung, in: Heißl, Gregor (Hg.), Handbuch Menschenrechte. Allgemeine Grundlagen - Grundrechte in Österreich - Entwicklungen - Rechtsschutz, Wien 2009, 412-420, Rz. 23/7.

377 Vgl. VwGH, GZ 2004/10/0233, 3.10.2008.

378 Vgl. Juranek, Markus, Schule und Recht. Das österreichische Schulrecht für die Praxis, Wien 2005, 32.

379 Schulpflichtgesetz 1985, in: BGBl. Nr. 76/1985 i.d.F BGBl. I Nr. 113/2006.

380 Vgl. ebd. 35.

381 Aus diesem Grund kann sich das Erfordernis für Privatschulen mit Öffentlichkeitsrecht, die Ziele des § 2 SchOG zu verwirklichen, Evers (Erziehungsauftrag, 43) zufolge nicht auf abweichende religiöse und weltanschauliche Ziele beziehen, die sich in dem von § 2 Abs. 2 PrivSchG umschriebenen Spektrum bewegen.

382 Es ginge aber auf jeden Fall zu weit, wie Mayer (Schulkreuz, 224) eine realistische Wahlmöglichkeit von vornherein pauschal zu verneinen.

383 Privatschulgesetz, in: BGBl. Nr. 244/1962 i.d.F. BGBl. I Nr. 71/2008.

384 Weisz, Willy, Religion im öffentlichen Raum. Eine jüdische Sicht, in: Gleißner, Friedrich / Ruedl, Hanspeter / Schneider, Heinrich / Schwarz, Ludwig (Hg.), Religion im öffentlichen Raum. Religiöse Freiheit im neuen Europa, Wien 2007, 73-77, 76 bzw. 192.

385 Vgl. VwGH, GZ 2008/10/0332, 29.1.2009. Vgl. Spielbüchler, Karl, Das Grundrecht auf Bildung in Österreich, in: EuGRZ 12 (1985) 437-446, 444.

386 Damit ist in Österreich der häusliche Unterricht in viel größerem Umfang möglich als etwa in Deutschland. Vellmer berichtet vom Fall einer baptistischen Mutter in Deutschland, die ihre Kinder aus religiösen Gründen zu Hause unterrichten wollte. Als ihr dies verwehrt wurde, zog sie mit den Kindern nach Österreich, wo der häusliche Unterricht möglich war. Der BGH wandte in seiner Entscheidung vom 11.9.2007 dagegen jedoch ein, dass sie sich in Österreich nur vorübergehend aufhalte und weiterhin den Wohnsitz in Deutschland habe. Folglich sei sie der deutschen Schulpflicht unterworfen (Vellmer, Anja, Religiöse Kindererziehung und religiös begründete Konflikte in der Familie. Eine rechtsübergreifende Darstellung familiärer religiöser Konflikte und der staatlichen Instrumentarien zu ihrer Lösung, Frankfurt 2010, 210).

387 Vgl. Juranek, Schule, 35.

388 Vgl. Gutknecht, Art. 2 1. ZPMRK, Rz. 23; Hauser, Bildung, Rz. 23/8.

389 Art. 4 Abs. 3 der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Einführung der halbtägig kostenlosen und verpflichtenden frühen Förderung in institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen, in: BGBl. I Nr. 99/2009.

390 Vgl. auch Heinrich, Religionsfreiheit, 131.

391 Mayer, Schulkreuz, 224f.

392 Vgl. Grabenwarter, Art. 14 StGG, Rz. 42; Spielbüchler, Karl, Staatskirchenrecht vor dem Verfassungsgerichtshof (zur neueren Rechtsprechung), in: ÖAKR 37 (1990) 24-49, 26; nach Ermacora (Handbuch, 353) haben die Pflichten des Staatsbürgers dem Bekenntnis vorzugehen.

393 Grabenwarter, Art. 14 StGG, Rz. 17.

394 Vgl. Pernthaler, Bundesstaatsrecht, 727.

395 Vgl. Kalb / Potz / Schinkele, Kreuz, 23; Schwendenwein, Katechetenrecht, 148.

396 Vgl. VfGH 21.6.1926, VfSlg. 617/1926.

397 Mayer selbst lehnt die historische Interpretation ab, was das Sondergewaltverhältnis Schule nach Abs. 3 betrifft (Schulkreuz, 225-227), will sie aber anscheinend aufrecht erhalten, was die Schranken- bzw. Vorbehaltlosigkeit des Grundrechts nach Abs. 1 betrifft. Die Kohärenz dieser Argumentation leuchtet jedoch nicht ein.

398 Z. B. VfGH 10.10.2003, VfSlg. 17021. Vgl. Berka, Lehrbuch, Rz. 303; Morscher, Siegbert, Die Hierarchie der Verfassungsnormen und ihre Funktion im Grundrechtsschutz in Österreich, in: EuGRZ 17 (1990) 454-473, 465-467; Neisser, Heinrich, Die verfassungsrechtliche Garantie der Kunstfreiheit, in: ÖJZ 37 (1983) 1-10, 8f.; Ortner, Helmut, Religion und Staat. Säkularität und religiöse Neutralität, Wien 2000, 129; zur Kunstfreiheit: Adamovich, Ludwig, Religion und Kunst, in: Ulrich, Silvia / Schnedl, Gerhard / Pirstner-Ebner, Renate (Hg.), Funktionen des Rechts in der pluralistischen Wissensgesellschaft. Festschrift für Christian Brünner zum 65. Geburtstag, Wien 2007, 583-590, 586.

399 Vgl. Berka, Lehrbuch, Rz. 287: Verbot der Folter, Sklaverei und Todesstrafe; Morscher, Siegbert, Freiheitsrechte ohne ausdrücklichen Gesetzesvorbehalt - welche werden wirklich "absolut" gewährleistet und warum? In: JBl. 125 (2003) 609-620, 616-618: z. B. das Verbot der Todesstrafe oder das Zensurverbot.

400 Vgl. Pree, Staatskirchenrecht, 19; Schinkele, Weltanschauungsfreiheit, 71.

401 Z. B. VfGH 10.10.2003, VfSlg. 17021.

402 Vgl. Kucsko-Stadlmayer (Rechtsprechung, 505), Ortner (Religion, 135) und Thienel (Religionsfreiheit, 50). Sie sehen in Art. 14 Abs. 2 StGG einen Gesetzesvorbehalt. Nach Grabenwarter (Art. 14 StGG, Rz. 22) liegen in Abs. 2 Satz 2 Schranken vor und zudem unterliegt das Grundrecht einem Missbrauchsverbot.

403 Vgl. Heinrich, Religionsfreiheit, 131.

404 Ermacora, Handbuch, 374.

405 Vgl. Kucsko-Stadlmayer, Rechtsprechung, 505; Thienel, Religionsfreiheit, 51; Pichler, Helmut, Religionsfreiheit - Elternrechte - Kinderrechte, in: ÖJZ 53 (1997) 450-456, 454 (bei religionsunmündigen Kindern). Pernthaler (Bundesstaatsrecht, 727) scheint für den Vorbehalt des Art. 14 Abs. 3 StGG heute überhaupt keinen Anwendungsbereich mehr zu sehen. Ortner (Religion, 138) hingegen nennt als Hauptanwendungsfall neben den Erziehungsberechtigten das Schulwesen.

406 VfGH 19.12.1955, VfSlg. 2944/1955. Vgl. Berka, Grundrechte, Rz. 517; Ortner, Religion, 132; Thienel, Religionsfreiheit, 51.

407 VfGH 10.10.2003, VfSlg. 17021. Zur allmählichen Ausweitung des Begriffs der öffentlichen Ordnung vgl. Heinrich, Religionsfreiheit, 37 und 132.

408 Vgl. Berka, Grundrechte, Rz. 258; Spielbüchler, Staatskirchenrecht, 26.

409 Adamovich, Ludwig, Gedanken zum 4. Rechtsschutztag, in: Bundesministerium für Inneres (Hg.), Integration - Sicherheit - Rechtsschutz. 4. Rechtsschutztag des Bundesministeriums für Inneres (7.11.2006), Wien 2007, 27-32, 29.

410 Vgl. Berka, Walter, Die Freiheit der Kunst (Art 17a StGG) und ihre Grenzen im System der Grundrechte, in: JBl 105 (1983) 281-293, 287; Morscher, Freiheitsrechte, 610; Morscher, Hierarchie, 465 und 467.

411 Einige Beispiele für die Verwendung des Begriffs: Dittrich, Robert / Öhlinger, Theo, Passive Informationsfreiheit und Medienbeobachtung, in: ÖJZ 57 (2002) 361-372, 362; Grof, Alfred, Versammlungs- contra Meinungsäußerungsfreiheit. Anmerkungen zu einer richtungsweisenden Entscheidung des VfGH, in: ÖJZ 46 (1991) 731-734, 732; Morscher, Freiheitsrechte, 610; Neisser, Garantie, 8.

412 Ansätze dazu bei: Berka, Walter, Medienfreiheit und Persönlichkeitsschutz. Die Freiheit der Medien und ihre Verantwortung im System der Grundrechte, Wien 1982, 213; Schinkele, Kommentar, 314. Verwendung des Begriffs in VfGH 12. 10. 1990, VfSlg. 12501; skeptisch dazu Grof, Meinungsäußerungsfreiheit, 731.

413 Ausführlich dazu, jedoch einschränkend in Bezug auf staatliche Handlungspflichten: Grof, Meinungsäußerungsfreiheit, 732. "Kollision von Grundrechten" meint selbstverständlich nicht, dass zwei Grundrechtsträger mit divergierenden Grundrechten zugleich vor der Behörde oder dem Gerichtshof stehen (vgl. Morscher, Hierarchie, 466f.). Die Kollision besteht nicht auf Verfassungsebene, sondern aufgrund der unterverfassungsrechtlichen Rechtslage in konkreten Einzelfällen (ebd. 467f.).

414 Grof, Meinungsäußerungsfreiheit, 731; vgl. Berka, Walter, Das "eingriffsnahe Gesetz" und die grundrechtliche Interessenabwägung, in: Mayer, Heinz (Hg.), Staatsrecht in Theorie und Praxis, Festschrift für Robert Walter zum 60. Geburtstag, Wien 1991, 37-62, 58.

415 BGBl. 1982/262.

416 Z. B. VfGH 12.10.1990, VfSlg. 12501: Der Eingriff in die Meinungsfreiheit durch die Abnahme eines Transparents war gerechtfertigt durch den in der Versammlungsfreiheit enthaltenen Anspruch auf Abwehr von Störungen bei einer Veranstaltung. Der VfGH spricht hier von einem "Kollidieren" (Nr. III.2.a) von Grundfreiheiten sowie von einem "angemessenen Ausgleich" (Nr. III.2.b.cc) der divergierenden Interessen. Vgl. auch das Erkenntnis VfGH 13.12.2000, VfSlg. 16054, worin die Untersagung einer Kundgebung trotz Versammlungsfreiheit für verfassungskonform erachtet wurde, um damit ein anderes Ereignis zu schützen, das sich auf die Freiheit zur Religionsausübung stützen konnte.

417 Vgl. Adamovich, Ludwig, Religion und Kunst, in: Ulrich, Silvia / Schnedl, Gerhard / Pirstner-Ebner, Renate (Hg.), Funktionen des Rechts in der pluralistischen Wissensgesellschaft. Festschrift für Christian Brünner zum 65. Geburtstag, Wien 2007, 583-590, 586f.; Berka, Kunst, 286f.; Foregger, Egmont, Herabwürdigung religiöser Lehren § 188, in: Höpfel, Frank / Ratz, Eckart (Hg.), Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch, 18. Lfg., Wien 22000, Rz. 21. Mandler, Martin, Probleme mit der Kunstfreiheitsgarantie des Art 17a StGG, in: JBl 108 (1986) 84-94, 88; Neisser, Garantie, 9. Berka (Kunst, 287) ist zugleich skeptisch, weil die zerstückelte österreichische Verfassungsordnung kein vollständiges Wertsystem enthält, wie es für einen Ausgleich zwischen Verfassungswerten notwendig wäre.

418 Berka, Walter, Unternehmensschädigende Kritik und Freiheit der Meinungsäußerung. Zur Kritik an Unternehmen außerhalb eines Wettbewerbsverhältnisses, in: WBl 11 (1997) 265-276, 272f.; Berka, Medienfreiheit, 365.

419 Vgl. Berka, Kunst, 286; Morscher, Freiheitsrechte, 609; Morscher, Hierarchie, 465.

420 Vgl. VfGH, 5.10.2006, VfSlg. 17960, Nr. II.3.2.1: Zum Schutz der ungestörten Religionsausübung von Friedhofsbesuchern.

421 VfSlg. 17960, III.3.2.2; VfGH, 12.10.1990, VfSlg. 12501, Nr. III.2.b.cc: Zum Schutz von religiösen Festakten und Prozessionen.

422 VfGH, 13.12.2000, VfSlg. 16054, Nr. II.2.3.2: Zum Schutz der ungestörten Religionsausübung von Friedhofsbesuchern. Der Fall wurde in der Folge zur Entscheidung vor den EGMR gebracht (EGMR, Nr. 76900/01, Öllinger / Österreich, 29.6.2006). Dieser bestätigte das Prinzip, wonach die positive Religionsfreiheit bestimmter Grundrechtsträger Eingriffe in die Versammlungsfreiheit anderer rechtfertigt (Z. 32 und 34). Er beanstandete nur, dass sich bei der Abwägung, die von den österreichischen Behörden im konkreten Fall vorgenommenen worden war, die Religionsfreiheit vollständig gegenüber der Versammlungsfreiheit durchgesetzt hatte (Z. 39). Vielmehr wäre ein verhältnismäßiger Ausgleich zu suchen gewesen, der, nach Möglichkeit, beide Rechte zu optimieren trachtet [vgl. Wieshaider, Wolfgang, Kommentar zu EGMR, Öllinger / Österreich, in: öarr 45 (2008) 79-91, 90]. Genau dies hat der EGMR im Urteil Lautsi jedoch selbst nicht beachtet, da er hier die negative Religionsfreiheit vollständig, die positive jedoch nicht im Geringsten zur Geltung kommen ließ und keinen optimierenden Ausgleich angestrebt hat.

423 Eine Volksschullehrerin, die ihre Schüler unauffällig in die Jedidja-Religion einführen wollte, kann sich gegen ihre Entlassung hingegen nicht auf Art. 9 und 10 EMRK berufen (Vgl. VfGH 4.3.2010 B1928/07 Z. II.1).

424 Z. B. Mayer, Bundesverfassungsrecht, Art. 9 EMRK, Nr. II; Kucsko-Stadlmayer, Rechtsprechung, 505; Thienel, Religionsfreiheit, 49; Walter / Mayer / Kucsko-Stadlmayer, Grundriss, Rz. 1446.

425 Z. B. Ermacora, Handbuch, 366; Grabenwarter, Art. 14 StGG, Rz. 22; Pree, Staatskirchenrecht, 20.

426 Vgl. VfGH 8.10.1970, VfSlg. 6265; VfGH 20.6.1972, VfSlg. 6747.

427 Vgl. Nowak, Manfred, Artikel 9 MRK, in: Ermacora, Felix / Nowak, Manfred / Tretter, Hannes (Hg.), Die Europäische Menschenrechtskonvention in der Rechtsprechung der österreichischen Höchstgerichte, Wien 1983, 425-440, 433.

428 Vgl. Spielbüchler, Staatskirchenrecht, 25.

429 VfGH, 27.09.1985, VfSlg. 10547, Nr. 2.1.2.3.3.2.

430 Vgl. Heinrich, Religionsfreiheit, 69.

431 VfGH, 6.10.1999, VfSlg. 15592.

432 Keine Verletzung stellt hingegen der Ausschluss von einer Weihnachtsfeier dar, die nicht die eigentliche Feier der Haftanstalt ist und zu der auch externe Gäste geladen sind, die vor Störaktionen bewahrt werden sollen (VfGH 11.10.1999, VfSlg. 15614).

433 Vgl. Pabel, Schulwesen, 54.

434 Vgl. Kucsko-Stadlmayer, Rechtsprechung, 512; Pernthaler, Bundesstaatsrecht, 725. Der positiven Religionsfreiheit verliehen die Landesgesetzgeber in einigen Krankenanstaltengesetzen besonderen Ausdruck, wenn sie festlegen, dass die seelsorgliche Betreuung der Anstaltsinsassen sicherzustellen ist, z. B. Tiroler Krankenanstaltengesetz, in: LGBl. Nr. 5/1958 i.d.F. 77/2008, § 9a Z. 5 und § 13.

435 Nach Schwendenwein (Katechetenrecht, 150) bedient sich der Staat des Symbols im Rahmen seiner Erziehungsaufgabe. Vgl. auch Strejcek, Gedanken, 234; Ulrich, Kopftuch, 656. Eine ganzheitliche Erziehung, die den kulturellen Bereich umfasst, empfiehlt übrigens auch die Parlamentarische Versammlung des Europarates [Rec 1884 (2009)1 "Cultural education: the promotion of culture, creativity and intercultural understanding through education", 29.9.2009, Nr. 8]. Großes Bildungsziel zusammen mit dem Erziehungsideal der ästhetischen Bildung z. B. auch im neuen Lehrplan für das achtjährige Gymnasium in Bayern verankert (http://www.isb.de; Ebene 1, das Gymnasium in Bayern) oder im Bay EUG Artikel 1: "[Die Schulen] sollen Wissen und Können vermitteln sowie Geist und Körper, Herz und Charakter bilden", so definiert Art. 1, 1 des Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen den Bildungs- und Erziehungsauftrag für die Schulen in Bayern.

436 Vgl. Pabel, Schulwesen, 55f.; Spielbüchler, Bildung, 444.

437 Die Eingriffsintensität ist höher, weshalb auch die Ausweichmöglichkeiten stärker sein müssen. Die Grundrechtskonformität des Religionsunterrichts ist daher anders zu begründen als jene des Schulkreuzes.

438 Vgl. Grabenwarter, Art. 9 EMRK, Rz. 41.

439 Für Spielbüchler (Bildung, 446) ist der Unterschied zu echten Verfassungsnormen eher ein psychologischer.

440 Vgl. Schwendenwein, Katechetenrecht, 151.

441 Mantl, Schulwesen, 130.

442 In den Fällen, in denen § 2b RelUG als Bundesgrundsatzgesetz fungiert, wäre der ausführende Landesgesetzgeber an die Vorgaben gebunden (vgl. Kalb / Potz / Schinkele, Kreuz, 29). Die Frage ist jedoch, ob § 2b RelUG nicht gerade in diesen Fällen durch die Mehrheitsklausel ohnehin einen für Grundsatzgesetze zu hohen Determinierungsgrad aufweist (ebd. 28).

443 Schulordnung, in: BGBl. Nr. 373/1974, i.d.F. BGBl. II Nr. 181/2005, § 4 Abs. 1 bzw. 4. Vgl. dazu Ulrich, Kopftuch, 659.

444 Kucsko-Stadlmayer, Rechtsprechung, 523.

445 Nebenbei sei daran erinnert, dass die Beschwerdeführerin Şahin, die wegen ihres Kopftuchs von der türkischen Universität verwiesen wurde und auch vom EGMR keine Unterstützung erhielt, ihr Medizinstudium in Wien samt Kopftuch fortsetzen und abschließen konnte (Bülow, Kopftuchurteil, 91).

446 Vgl. Mayer-Maly, Glaubensfreiheit, 447: Dem Geist der Toleranz würde es nicht entsprechen, wenn es Einzelnen freigestellt würde, die Entfernung religiöser Symbole aus den Klassenzimmern zu fordern.

447 Vgl. Grabenwarter, Art. 9 EMRK, Rz. 16.

448 Vgl. Evers, Erziehungsauftrag, 39.

449 Öhlinger, Kulturverfassungsrecht, 55.

450 Z. B. VfGH 21.3.1933, VfSlg. 1505/1933; VfGH 10.10.1951, VfSlg. 2207/1951; VfGH 7.12.1968, 5853/1968; VfGH 12.3.1971, VfSlg. 6407/1971.

451 Zur Abgrenzung zwischen Religionsunterricht und Wertevermittlung in den anderen Fächern vgl. Pabel, Schulwesen, 61-63.

452 Vgl. Evers, Erziehungsauftrag, 38.

453 Vgl. Öhlinger, Kulturverfassungsrecht, 55; Pabel, Schulwesen, 64; Spielbüchler, Bildung, 442.

454 Für Zeizinger (Bildung, 1096) wäre diese Bestimmung verletzt, wenn der Staat nur einen Bildungsweg und damit keine Wahlmöglichkeit zur Verfügung stellen würde.

455 Nach Rees (Juden, 193) sind sie einander gleichgeordnet. Für einen Vorrang des Elternrechts: Weiß, Kindererziehung, 160; Einschränkung des staatlichen Rechts durch das Elternrecht: Evers, Erziehungsauftrag, 35.

456 Vgl. Öhlinger, Kulturverfassungsrecht, 53f.

457 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch, in: JGS Nr. 946/1811 i.d.F. BGBl. I Nr. 28/2010.

458 Vgl. Pichler, Religionsfreiheit, 453. Deutsche Gerichtsentscheidungen zum Unterlassen religiöser Erziehung stellt Vellmer (Kindererziehung, 130-132) vor.

459 Vgl. VfSlg. 16998.

460 Vgl. Kucsko-Stadlmayer, Die Rechtsprechung, 514.

461 Nach Kucsko-Stadlmayer (ebd.) können "gewisse Privilegien" der katholischen Kirche weithin durch den Umstand gerechtfertigt werden, dass es sich um die historische Staatsreligion handelt, der immer noch der Großteil der Bevölkerung angehört.

462 Vgl. Spielbüchler, Staatskirchenrecht, 49.

463 Vgl. Thienel, Religionsfreiheit, 72. Ähnlich zu Deutschland: Czermak, Unzulässigkeit, 16; Ipsen, Glaubensfreiheit, 319.

464 Gampl, Staatskirchenrecht, 12f.; Ortner, Religion, 94.

465 Ermacora, Felix / Baumgartner, Gerhard, Österreichische Verfassungslehre, Wien 1998, 265.

466 Vgl. Kalb / Potz / Schinkele, Religionsrecht, 43; Schwendenwein, Staatskirchenrecht, 61. Aus diesem Grund lässt sich für Strejcek (Gedanken, 234) daraus wenig für die Schulkreuzfrage gewinnen.

467 Ermacora / Baumgartner, Verfassungslehre, 265.

468 Zur Unterscheidung zwischen dem französischen und dem österreichischen System vgl. Adamovich, Gedanken, 29; ders., Religion, 584

469 Vgl. Kalb / Potz / Schinkele, Kreuz, 40f. und 83f.

470 Vgl. zu Deutschland: Geis, Zulässigkeit, 56; Häußler, Schulkreuze, 485.

471 Vgl. Kalb / Potz / Schinkele, Religionsrecht, 42; Thienel, Religionsfreiheit, 42. Ortner (Religion, 100 und 106) stützt sich außerdem auf das Fehlen religiöser Bezüge im demokratischen und rechtsstaatlichen sowie in den übrigen verfassungsrechtlichen Prinzipien. Aus dem Schweigen der Verfassung zu einer bestimmten Frage wird sich jedoch kein Baugesetz herleiten lassen. Ortner vergleicht das österreichische Modell nur mit Systemen von Staatsreligionen (ebd. 100-105). Dass ein derartiges System in Österreich nicht verwirklicht ist, steht ohnehin außer Zweifel. Ein Vergleich mit typisch laizistischen Staaten hätte hingegen gezeigt, dass sich das Neutralitätsverständnis in Österreich davon deutlich abhebt. Um seine These aufrecht erhalten zu können, muss Ortner den Religionsunterricht an Österreichs Schulen in Kontrast zu Art. 17 Abs. 4 StGG als nicht-konfessionell deuten (ebd. 117) und § 2 SchOG im Hinblick auf die religiösen Ziele der Schule für verfassungswidrig erklären (ebd. 115). Wie bekannt ist, besteht jedoch inzwischen mit Art. 14 Abs. 5a B-VG eine inhaltsgleiche Bestimmung direkt auf Verfassungsebene. Das Beispiel Ortners, dass der religiöse Eid bei einem Amtsantritt in Österreich möglich, aber nicht verpflichtend ist (ebd. 114), spräche gerade für die hereinnehmende Neutralität, da hier die religiöse Dimension je nach Wunsch des Betroffenen in den öffentlichen Bereich integriert und nicht zwingend ausgeschlossen wird.

472 Vgl. Pabel, Schulwesen, 76; zur ähnlichen Rechtslage in Deutschland: Pirson, Anmerkung, 756.

473 Kalb / Potz / Schinkele, Kreuz, 53.

474 Thienel, Religionsfreiheit, 44.

475 Ebd. 72.

476 Dass die bayerische Regelung vom BVerfG nicht verfassungskonform ausgelegt wurde, was leicht möglich gewesen wäre, kritisiert Ihli, Lernen, 157.

477 Vgl. Doehring, Karl, Völkerrecht: ein Lehrbuch, Heidelberg 1999, Rz. 349.

478 Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge (Vienna Convention on the Law of Treaties), 23.5.1969.

479 Die WVK I vom 23.5.1969 betrifft zwar nur Verträge zwischen Staaten (Art. 1), kann jedoch auch auf Verträge mit dem Heiligen Stuhl angewandt werden, zumal dieser der Konvention beigetreten ist. Voraussetzung dafür ist aber, dass die betreffenden Verträge erst abgeschlossen wurden, nachdem die Konvention für die Vertragspartner in Kraft getreten ist (Art. 4). Da dies weder bei der EMRK oder bei ihrem Ersten Zusatzprotokoll noch beim Schulvertrag der Fall ist, sind ihre Bestimmungen in dieser Sache nur insoweit maßgeblich, als es sich um Konkretisierungen des Völkergewohnheitsrechtes handelt.

480 Vgl. Geiger, Rudolf, Grundgesetz und Völkerrecht mit Europarecht. Die Bezüge des Staatsrechts zum Völkerrecht und Europarecht, München 42009, 95

481 Ebd. 96.

482 Vgl. Doehring, Völkerrecht, Rz. 349; Geiger, Grundgesetz, Rz. 99; Ipsen, Knut, Völkerrecht, München 52004, § 12, Rz. 20; Matz, Nele, Wege zur Koordinierung von Verträgen. Völkervertragsrechtliche und institutionelle Ansätze, Berlin 2005, 394; Stein, Torsten / Buttlar, Christian von, Völkerrecht, München 122009, § 6, Rz. 110.

483 Vgl. Vitzthum, Wolfgang Graf, Völkerrecht, Berlin 42007, Rz. 120.

484 Vgl. Mayer-Maly, Kreuz, 221.

485 Der Alliance Defense Fund hält zum Urteil Lautsi fest, dass die Konventionsstaaten bei der Unterzeichnung der EMRK und des 1. ZPMRK nicht ahnen konnten, dass diese Dokumente einmal gegen nationale Traditionen und im Sinne eines radikalen Säkularismus interpretiert würden. Die Staaten seien nur so weit an den Grundsatz "pacta sunt servanda" gebunden, wie ihr Wille den Konsens getragen hat (lit. a).

486 Vgl. Regierungsvorlage EMRK, 459 BlgNR 8. GP, Erläuternde Bemerkungen 32.

487 VfGH 14.10.1987, VfSlg. 11500.

488 Nach Morscher (Hierarchie 468 und 472) können durch Staatsvertrag eingeräumte Grundrechte unbeschadet der fortbestehenden völkerrechtlichen Verpflichtung Österreichs durch eine später erlassene Verfassungsbestimmung aufgehoben oder eingeschränkt werden. Nach Möglichkeit unterstellt der VfGH späterem Verfassungsrecht einen Inhalt, der es mit der EMRK verträglich macht (vgl. Berka, Grundrechte, Rz. 127). Zu kurz greifen die Ausführungen Thienels (Religionsfreiheit, 74), wonach die völkerrechtliche Absicherung der Schulkreuzregelung nichts daran ändert, dass es sich innerstaatlich nur um ein einfaches Gesetz handelt, das mit dem Verfassungsrecht möglicherweise in Konflikt steht. Das ist zweifellos richtig, blendet aber die völkerrechtliche Ebene aus, auf der es sich um die Kollision zweier gleichrangiger Verträge handelt.

489 VfGH 26.09.2002, VfSlg. 16628, Z. III.2.b und auf dieses Erkenntnis verweisend VfSlg. 16634.

490 Vgl. Öhlinger, Verfassungsrecht8, Rz. 1036; Walter / Mayer / Kucsko-Stadlmayer, Grundriss, Rz. 1174.

491 Nationalrat, Entschließung betreffend Religionsfreiheit und das Urteil des EGMR in der Rechtssache Lautsi vs. Italien vom 3. November 2009 über die Anbringung von Kreuzen in Klassenzimmern, 65/E XXIV. GP, 19.11.2010. Einige Landtage haben ähnliche Entschließungen verabschiedet, z. B. Vorarlberger Landtag, Entschließung Beilage 26/2009/XXIX, angenommen am 3.2.2010. Der österreichische Außenminister nahm an der öffentlichen Verhandlung am 30.6.2010 in Straßburg teil; vgl. seine Erklärungen, at: http://www.bmeia.gv.at/aussenministerium/aktuelles/presseaussendungen/2010/aussenminister-spindelegger-zur-berufungs-verhandlung-im-kruzifix-fall-vor-dem-egmr.html und http://www.bmeia.gv.at/aussenministerium/aktuelles/presseaussendungen/2010/presseerklaerung-von-aussenminister-spindelegger-zur-italienischen-berufung-gegen-das-kruzifix-urteil-des-egmr.html [17.7.2010].

492 Vgl. Kokott, Juliane, in: Streinz, Rudolf (Hg.), EUV/EGV. Vertrag über die Europäische Union und Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, München 2003, Art. 307 EGV, Rz. 7; Petersmann, Ernst-Ulrich / Spennemann, Christoph, in: Von der Groeben, Hans / Schwarze, Jürgen (Hg.), Kommentar zum Vertrag über die Europäische Union und zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, Baden-Baden 62003, Art. 307 EGV, Rz. 6; Pitschas, Christian, Open-Skies-Abkommen mit den USA, in: EuZW 14 (2003) 82-94, 93.

493 In der Literatur wird die völkerrechtskonforme Interpretation empfohlen, wenn anwendbare Kollisionsregeln fehlen, vgl. Stein / Buttlar, Völkerrecht, § 6, Rz. 110.

494 Vgl. Ipsen, Völkerrecht, § 12, Rz. 21.

495 Vgl. den Vorschlag von Mayer-Maly, Glaubensfreiheit, 445 und Strejcek, Gedanken, 231.

496 Z. B. Mayer, Schulkreuz, 225; Thienel, Religionsfreiheit, 73.

497 Vgl. Neumann, Johannes, Rechts- oder Glaubensstaat, in: ZRP 28 (1995) 381-386, 386.

498 Z. B. Kalb / Potz / Schinkele, Kreuz, 85 und 88; Rees, Juden, 291.

499 Z. B. Colaianni, crocifisso, 7; Fede / Testa Bappenheim, Laïcité, 163f.

500 Siehe oben Abschnitt 1.2.

501 Diese Lösung dürfte im Übrigen vor dem EGMR Bestand haben, da es sich um ein Ausnahmesystem für einzelne Schüler handelt, wie er es selbst im Urteil Campbell and Cosans (Z. 37b) erwog. In diesem Sinne auch Streinz, Kruzifixe, 3.

502 Jeand'Heur / Korioth, Grundzüge, Rz. 121.

503 Z. B. EKMR, Nr. 2648/65, X / Niederlande, 6.2.1968; 8160/78, Z. 14; 8566/79; Nr. 11373/85, Eriksson / Schweden, 22.6.1989; Bernard; EGMR, Nr. 55170/00, Kosteski / FYROM, 13.4.2006, Z. 39.

504 EGMR, Nr. 42837/06 u.a., Dimitrias u.a. / Griechenland, 3.6.2010.

505 Im ersten Fall waren die bekenntnisgebundenen Teile des Unterrichts für die Eltern schwer zu identifizieren und die Eltern hatten selbst nach Darlegung ihrer Überzeugungen keinen Anspruch auf Befreiung (Z. 97-99). Im zweiten Fall hätte die eidespflichtige Person darüber informiert werden müssen, dass auch eine nicht-religiöse Eidesformel zur Verfügung steht (Z. 40; vgl. hierzu Frowein, Artikel 9, Rz. 8). Im dritten Fall beanstandete der EGMR, dass die Zeugen im Strafprozess nicht einfach frei zwischen der religiösen Eidesformel und einer feierlichen Bekräftigung auswählen konnten. Stattdessen mussten sie, um von der Pflicht des religiösen Eides befreit zu werden, vor den Zuhörern und eventuellen Kameras genaue Angaben über ihre Religionszugehörigkeit machen und den Richter eventuell zusätzlich überzeugen (Z. 85). Für die Widerspruchslösung bedeutet dies, dass die Anforderungen an einen Widerspruch nicht zu hoch angesetzt werden dürfen. Im Bereich des EU-Rechts machte der EuGH im Urteil Prais sehr deutlich, dass eine Person, die eine Sonderbehandlung aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit wünscht, dies rechtzeitig melden muss (Nr. 130/75, Vivien Prais / Rat der EG, Slg. 1976, 1589, Z. 17f.). Das Erfordernis, dass Eltern, die eine bestimmte schulische Aktivität für ihre Kinder ablehnen, dies der zuständigen Autorität mitteilen müssen, um eine Befreiung zu erhalten, ist selbst dann nicht unzulässig, wenn dies als Ablehnung der Haltung der lokalen Autoritäten interpretiert werden könnte (EKMR, Nr. 11356/85, Cederberg-Lappalainen / Schweden, 4.3.1987, Z. 3). Vgl. Blum, Religionsfreiheit, 142f.; Grabenwarter, Menschenrechtskonvention, § 22, Rz. 103. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass bei der bayerischen Regelung der Widersprechende nicht seine Religionszugehörigkeit offenlegen muss, sondern nur seine Ablehnung dem Kreuz gegenüber.

506 Vgl. Häußler, Schulkreuze, 476 und 481.

507 Huster, Stefan, Die religiös-weltanschauliche Neutralität des Staates. Das Kreuz in der Schule aus liberaler Sicht, in: Brugger, Winfried / Huster, Stefan (Hg.), Der Streit um das Kreuz in der Schule. Zur religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staates, Baden-Baden 1998, 69-108, 92; Rees, Juden, 292; Ricca, crocifisso, 38. Vgl. zu dieser Frage die Kindergartengesetze in Salzburg und der Steiermark, die von "religiösen Symbolen" sprechen.

508 Für Lecheler gebietet dies die Parität hingegen nicht: Lecheler, Helmut, Kirchen und staatliches Schulsystem, in: Listl, Joseph / Pirson, Dietrich (Hg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, Berlin 21995, 415-437, 436.

509 Vgl. Kalb / Potz / Schinkele, Kreuz, 78.

510 Für eine Einbindung der betroffenen Gemeinschaften: D'Angelo, Neutralità, 522.

511 In diesem Sinne aus der Sicht des Islam: Aries, Wolf-Dieter, Das Kreuz in der Schule aus islamischer Sicht, in: Brugger, Winfried / Huster, Stefan (Hg.), Der Streit um das Kreuz in der Schule. Zur religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staates, Baden-Baden 1998, 191-201, 195. Der Vizepräsident der islamischen Religionsgemeinschaft in Italien sieht überhaupt kein Problem mit christlichen Kreuzen in den öffentlichen italienischen Schulen, die er als Teil der Kultur und Geschichte Italiens betrachtet. Er sprach sich dafür aus, dass religiöse Symbole im öffentlichen Raum auch von Andersgläubigen akzeptiert werden (KEK, Comece, KAS, EP, Event report: Visibility of religion in the European public space: the question of worship places and religious symbols in clothing (29.5.2008), at: http://www.comece.org/site/article_list.siteswift?SWS=b6c3edd8632bae110caa987fa5cb9546&so=all&do=all&c=download&d=article%3A3249%3A2 [17.7.2010].

512 Huster, Neutralität, 93: "Schilderwald"; Isensee, Bildersturm, 15: "Bazar religiöser Beliebigkeiten".

513 In einer beim Verlag des Europarats erschienenen Handreichung über interreligiöse Erziehung in Schulen wird als Unterrichtsbeispiel die interreligiöse Feier der St.-Michaels-Messe vorgeschlagen, weil die Gestalt des Erzengels Michael in allen abrahamitischen Religionen eine Rolle spielt (Schreiner, Peter, Becoming a guest in a festival of the Other, in: Keast, John, Religious diversity and intercultural education: a reference book for schools, Straßburg 2007, 110-112, 112). Dies wirft jedoch gleich mehrere Fragen auf: Von einer Abmeldemöglichkeit ist nicht die Rede, doch kann diese nicht mit der Begründung entfallen, dass das Fest ohnehin mehrere Religionen zugleich einschließt. Religiöse Feste zu begehen, ist schließlich Sache der betreffenden Religionsgemeinschaften. Ohne diese einzubeziehen, kann die Schule keine kultähnlichen Handlungen vornehmen. Dies gilt umso mehr für interreligiöse Feiern. Dafür haben sich unter den verschiedenen Gemeinschaften Standards entwickelt, um die Würde und Eigenart der Riten jeder einzelnen Religion zu respektieren. Die Teilnahme an einer derartigen Feier setzt eine tiefe Verwurzelung in der eigenen und hohen Respekt gegenüber der fremden Tradition voraus. Für Schulen scheint diese Form nicht geeignet zu sein, will man nicht den Eindruck eines staatlich verordneten Synkretismus erwecken. In derselben Handreichung wird außerdem empfohlen, dass Schüler in der Klasse auch an Feiern anderer Religionen, jedenfalls als Gast, teilnehmen (111). Es ist erstaunlich, mit welcher Strenge einerseits geprüft wird, ob die Präsenz eines Kreuzes im Klassenzimmer irgendeinen Einfluss auf andersgläubige Schüler hat und welche Möglichkeiten ihnen eventuell zur Verfügung stehen, um sich ihm zu entziehen, wenn andererseits nahe gelegt wird, dass sie an inter- und andersreligiösen Feiern teilnehmen sollen, die von der Schule in Eigenregie organisiert werden.

514 Ähnlich Pree (Staatskirchenrecht 57) in Bezug auf das Schulgebet.

515 Der Ansicht des EGMR im Urteil Lautsi würde auch diese Lösung nicht gerecht. Er bemängelt zwar, dass das Kreuz als Symbol einer ganz bestimmten Religion wahrgenommen wird, beteuert aber zugleich, dass die negative Religionsfreiheit auch einem allgemeinen Symbol entgegenstünde (Z. 55).

516 Vgl. Mantl, Schulwesen, 130.

517 Z. B. Flume, Werner, Das "Kruzifixurteil" und seine Berichtigung, in: NJW 48 (1995) 2904-2905, 2905; Huster, Neutralität, 90-92; Jeand'Heur, Bernd / Korioth, Stefan, Grundzüge, Rz. 123. Dagegen jedoch Neumann (Glaubensstaat, 386), weil das Klassenzimmer kein Privatraum sei.

518 Vgl. Ricca, crocifisso, 38.

519 Nach Pofalla soll es hingegen grundrechtlich irrelevant sein, ob der Staat die Anbringung selbst anordnet oder nur duldet, da er auch Schutzpflichten zu Gunsten derer wahrnehmen muss, die jegliches religiöse oder weltanschauliche Symbol ablehnen: Pofalla, Ronald, Kopftuch ja - Kruzifix nein? Zu den Widersprüchen der Rechtsprechung des BVerfG, in: NJW 57 (2004) 1218-1220, 1219.

520 Vgl. ein Urteil des OGH (27. 3. 1996, 9 Ob A 18/96), der eine Drittwirkung der Religionsfreiheit zwischen den Arbeitnehmern annahm, wenn aufwendiger Gebetsrituale während der Arbeitszeit verrichtet werden. Kritisch dazu jedoch Mosler (Anmerkung, 36), der zwischen staatlichen Maßnahmen, wie dem Anbringen des Schulkreuzes, und privaten unterscheidet.

521 Strejcek (Gedanken, 235) schlägt zum Schutz der Minderheiten vor, dass jedem Schüler ein Veto gegen die Vorschläge der anderen zukommen sollte. Wie sich dies in der Schulpraxis konkret gestaltet, bleibt jedoch fraglich. Für Flume (Kruzifixurteil, 2905) kommt nur das Mehrheitsprinzip in Frage.

522 Vgl. Häußler, Schulkreuz, 475.

523 Vonnahme (Kreuz, 20) tendiert eher zu einer geheimen als zu einer offenen Abstimmung. Die offene sei jedenfalls abzulehnen.

524 Vgl. Campenhausen, Stellungnahme, 144=10.

525 Dieser Vorschlag wird bei Kucsko-Stadlmayer (Rechtsprechung, 518) und Strejcek (Gedanken, 234) referiert. Kritisch hierzu, weil damit die Probleme nur auf eine andere Ebene verschoben würden: Kalb / Potz / Schinkele, Kreuz, 84.

526 Zumindest eine Besprechung mit Schülern, Eltern und Lehrern erwähnen Kucsko-Stadlmayer (Rechtsprechung, 522) und Mantl, Schulwesen, 130.

527 Auf der unteren Ebene können die lokalen Bedürfnisse und Erfordernisse einer bestimmten Ausbildung besser beurteilt werden als durch die internationale Gerichtsbarkeit, wie der EGMR wiederholt festgehalten hat, z. B. Kjeldsen Z. 54, Şahin Z. 121, Zengin Z. 53.

528 Vgl. Spielbüchler, Karl, Das Grundrecht auf Bildung, in: Machacek, Rudolf / Pahr, Willibald / Stadler, Gerhard (Hg.), 40 Jahre EMRK. Grund- und Menschenrechte in Österreich, Bd. II: Wesen und Werte, Kehl 1992, 149-174, 164.

529 Damit wäre dem Einwand Thienels (Religionsfreiheit, 73) entsprochen, der die Deutung als Grundrechtsofferte deshalb nicht gelten lassen will, weil der Staat anderen Religionsgemeinschaften kein vergleichbares Angebot macht.

530 Vgl. Thienel, Religionsfreiheit, 73.

531 Vgl. Aries, Kreuz, 200; Strejcek, Gedanken, 234.

532 Vgl. Aries, Kreuz, 200.

533 Das Paritätsprinzip darf daher nicht zu formalistisch verstanden werden.

534 Vgl. Land Niederösterreich (Hg.), Bildungsplan für Kindergärten in Niederösterreich. Entwicklungsbegleitung im letzten Kindergartenjahr, at: http://bsrmi.lsr-noe.gv.at/pdf/bildungsplan_kdg_noe.pdf. Dazu konkret: Landesrätin Mikl-Leitner, Johanna, Pressekonferenz "Kreuze in Kindergärten", St. Pölten 2.3.2010.

535 Die Straßburger Instanzen ließen es in vergleichbaren Fällen bereits genügen, dass die Bildungseinrichtung mit der betroffenen Person einen Dialog geführt hatte, auch wenn sie ihre Anliegen dann nicht umgesetzt hatte: Z. B. Şahin Z. 120; vgl. auch EKMR, Nr. 19844/92, Leuffen / Deutschland, 9.7.1992, Z. 1.

536 Vgl. Kalb / Potz / Schinkele, Kreuz, 68; Kucsko-Stadlmayer, Rechtsprechung, 518; Mantl, Schulwesen, 130. Ähnlich zu Deutschland: Ihli, Lernen, 157; Müller-Volbehr, Religionsfreiheit, 998.