Luciano Musselli, Manuale di diritto canonico e matrimoniale

Bologna: Monduzzi editore 1995. 413 S.

Muselli selbst bezeichnet sein Werk im Vorwort als "piccoIa summa". Es geht ihm primär um das kirchliche Eherecht, er beginnt aber mit einleitenden Bemerkungen zu den Grundlagen des kanonischen Rechts. Dazu zählen die kirchliche Rechtskultur, die historische Entwicklung des Kirchenrechts, das Grundkonzept des Kirchenrechts und seine Besonderheiten gegenüber dem staatlichen Recht, die Quellen des Kirchenrechts, die hauptsächlichen Quellen des geltenden Rechts sowie Bemerkungen zur Leitungsgewalt und den Rechten der Christgläubigen.

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Der zweite Teil über das Eherecht besteht aus neun Kapiteln, wobei zunächst vom Wesen der Ehe in Kirche und Staat (Gesellschaft) die Rede ist. Bei der Darstellung des kirchlichen Eherechts folgt Muselli im wesentlichen dem Codex von 1983: Definition der Ehe und deren Zwecke und Wesenseigenschaften, Nichtigkeit der Ehe wegen Ehevertrags- und Eheführungsunfähigkeit. Ehekonsens und Konsensmangel, Form des Eheabschlusses, Heilung der Ehe, Rechte und Pflichten, die sich aus der Ehe ergeben, Trennung von Tisch und Bett. Abgeschlossen wird dieser Teil durch ein Kapitel über das Familienrecht im neuen Codex für die unierte Kirche (CCEO).

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Der dritte Teil ist dem Eheprozeßrecht gewidmet. Er endet mit den Möglichkeiten der Auflösung einer Ehe im Kirchenrecht (Lösung durch den Tod und Todeserklärung; Auflösung der nicht vollzogenen Ehe; Privilegium Paulinum).

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In zwei Anhängen werden Probleme des VerhäItnisses von Kirche und Staat im Bereich des Eherechts angesprochen. Es geht dabei um heute in Italien zur Diskussion stehende Fragen: 1. Die zivilrechtlichen Wirkungen der kanonischen Ehe und der Urteile der kirchlichen Gerichte. Dazu muß man wissen, daß in Italien das System der fakultativen Zivileheschließung herrscht. 2. Eine Gegenüberstellung von kirchlicher und staatlicher Ehe in Italien.

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Das besondere dieses Buches ist, daß es einerseits das Eherecht in den Zusammenhang der Grundlagen des Kirchenrechts einbettet und andererseits die Ehe nicht nur als ein Phänomen des kirchlichen Rechts, sondern auch des staatlichen Rechts und der Gesellschaft sieht. Unter diesem Blickwinkel ergeben sich durchaus neue Perspektiven. Für den deutschen Leser stellt dieses Werk darüber hinaus eine knappe und kurze Zusammenfassung der Entwicklung und der Probleme des kirchlichen Eherechts seit 1984 (Abschluß des neuen Konkordates) in Italien dar. Der Vertrag von 1984 brachte hier die Ablösung der katholischen Kirche als Staatskirche. In der Folge wurden Verträge mit mehreren kleineren Religionsgemeinschaften abgeschlossen. So wurde eine gewisse Gleichstellung (Parität) zwischen der katholischen Kirche und einzelnen kleineren Religionsgemeinschaften erreicht. Dies gilt insbesondere auch für den Eheabschluß: Es wurde schon betont, daß in Italien das System der fakultativen ZiviIeheschließung gilt. Wer kirchlich heiraten will, braucht im Gegensatz zu Deutschland oder Frankreich nicht vorher standesamtlich zu heiraten. Im Zuge des europäischen Einigungsprozesses (verwiesen sei auch auf die Niederlassungsfreiheit in der Europäischen Union) wird es heute immer notwendiger, die Situation des Verhältnisses von Kirche und Staat anhand einzelner Beispiele in unseren Nachbarländern zu studieren. Dazu wird dieses Buch in Zukunft jedem ein unentbehrliches Hilfsmittel sein. Es sollte in keiner deutschen theologischen und rechtlichen Bibliothek fehlen.

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Richard Puza