Louis Carlen (Hrsg.), Neue Bistumsgrenzen - neue Bistümer. Nouvelles circonscriptions des diocèses - nouveaux évêchés 

(= Freiburger Veröffentlichungen aus dem Gebiete von Kirche und Staat 37). Freiburg / Schweiz 1992

Das II. Vaticanum hat im Dekret über die Hirtenaufgabe der Bischöfe in der Kirche betont (CD 22), daß, wenn die Diözese ihr eigenes Ziel erreichen soll, im Gottesvolk, das zur Diözese gehört, das Wesen der Kirche deutlich sichtbar werden müsse. Ferner müßten die Bischöfe ihre Hirtenaufgabe in ihnen wirksam erfüllen können; und schließlich müßte dem Heil des Gottesvolkes so vollkommen wie nur möglich gedient werden können. Dazu sei eine entsprechende Abgrenzung der Diözesangebiete wie eine vernünftige und auf die Bedürfnisse der Seelsorge abgestimmte Verteilung des Klerus und der finanziellen Mittel notwendig. Das Konzil hat ausdrücklich gewünscht, daß die Abgrenzung der Diözesen möglichst bald mit Umsicht einer entsprechenden Überprüfung unterzogen werden solle.

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1977 hat die Bischofskonferenz der Schweiz eine Projektkommission "Neueinteilung der Bistümer in der Schweiz" eingesetzt, die im Herbst 1979 ihren Bericht erstattete. Die Spannungen im Bistum Chur haben der Diskussion neuen Auftrieb gegeben. Der vorliegende Band vereinigt nun die Vorträge einer Tagung an der Universität Freiburg vom 21. Februar 1992, die den Fragen der Bistumsgrenzen und neuen Bistümer gewidmet war. Man hat die Nachbarländer Deutschland, Frankreich und Italien miteinbezogen und wegen der Aktualität der Entwicklung im Osten auch die Situation in Polen.

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Das Buch umfaßt daher neben der Einleitung von Louis Carlen fünf Aufsätze: Joseph Listl, Die Neufestlegung der Diözesanzirkumskription im wiedervereinten Deutschland; Ives Le Roy, La circonscription des diocèses en France; Giorgio Feliciani, Il riordinamento delle diocesi italiane; Jan Kopiec, Diözesanorganisation in Polen als Beispiel für die Problematik im Osten; Urs J. Cavelti, Die Neueinteilung der Bistümer in der Schweiz. Historische, staats- und kirchenrechtliche Aspekte.

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Listl zeigt dabei die historischen und rechtlichen Gegebenheiten auf, welche die Diözesanzirkumskription in der Bundesrepublik Deutschland prägen, beschreibt die neue Lage nach dem Zusammenbruch der früheren DDR und schließt grundlegende Überlegungen an. Die Diözesanorganisation ist ja inzwischen erfolgt. Deswegen sei hier auf eine Tagung der Katholischen Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart verwiesen, die sich im Dezember des Vorjahres mit diesen Fragen befaßt hat Sie wird im Laufe dieses Jahres in derselben Reihe wie das vorliegende Buch dokumentiert werden.

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Eine andere historische, politische und neuzeitliche Entwicklung weist Frankreich auf, wie Le Roy zeigt. Immer noch wirkt der Einfluß der Französischen Revolution auf die Bistumsgrenzen nach sowie die zentralistische, am staatlichen ModeII orientierte Organisation. Aber gerade die diözesane Reorganisation im Großraum Paris läßt erkennen, daß man, ausgerichtet auf neue, pastoral-relevante Faktoren, bereit war, neue Wege einzuschlagen.

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In Italien kann Feliciani ein Ringen um eine diözesane Neueinteilung feststellen. Es setzte bereits 1929 in den Lateranverträgen ein und dauerte bis heute. Die angestrebte Herabsetzung der Zahl der Diözesen stieß auf manche Schwierigkeiten, die teilweise traditions- und geschichtsbedingt waren. Auch hier ist die Diözesanregulierung inzwischen erfolgt.

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Kopiec legt dar, wie in Polen die Diözesanorganisation während der Jahrhunderte von den historischen Gegebenheiten mitgestaltet wurde. Das 1924 abgeschlossene Konkordat wurde von den kommunistischen Machthabern 1945 einseitig aufgehoben, was das Verhältnis Staat / Kirche besonders belastete. Die von den Bischöfen geforderte umfassende Neuordnung mit ihren zwölf Kirchenprovinzen konnte erst 1992 verwirklicht werden.

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Die Frage einer Neueinteilung der Diözesen in der Schweiz beleuchtet Cavelti, wobei er die geschichtlichen, kirchlichen und staatskirchenrechtlichen Aspekte abwägt und sich eher skeptisch dazu stellt, daß eine Gesamtlösung in absehbarer Zeit in Aussicht ist. Die Schwierigkeiten der Verzahnung mit den Bischofswahlrechten in der deutschen Schweiz sowie mit ortskirchlichen Gesichtspunkten und staatskirchenrechtlichen Gegebenheiten wirken hemmend auf eine baldige Neuorganisation.

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Auffallend ist, daß die Frage der Diözesangrenzen und Neuregelung der Diözesanstrukturen in manchen Staaten immer noch eine Angelegenheit ist, die von Kirche und Staat gemeinsarn zu regeln ist. Mit dieser Tradition gebrochen hat das italienische Konkordat. Im noch nicht ratifizierten polnischen Konkordat ist die Frage der Diözesangrenzen zwar eine Frage der Kirche. Es werden aber bestimmte Vorgaben gemacht: Diözesen dürfen sich nicht auf das Ausland erstrecken, ausländische Ordinarien dürfen keine Jurisdiktion in Polen ausüben. Das hat natürlich politische Gründe. Am weitestgehenden scheint das Mitwirkungsrecht des Staates aufgrund des Reichskonkordats und der Länderkonkordate noch immer in Deutschland zu sein. Die hier anstehenden Fragen kommen bei Listl nicht zur Sprache. Ich habe sie aber in meinem Vortrag auf der erwähnten Tagung der Katholischen Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart ausführlich behandelt. In Deutschland scheint hier noch eine besonders enge Verzahnung von Kirche und Staat zu bestehen. Trotzdem wird man fragen müssen, ob die neuen Länderkonkordate nicht in Zukunft die Kirche aus dieser Bindung an den Staat entlassen müßten. Dies fordert meiner Meinung nach auch die zunehmende Europäisierung des Verhältnisses von Kirche und Staat. Die - auch korporativ verstandene - Religionsfreiheit läßt derlei Bestimmungen als Eingriff in innerkirchliche Belange erscheinen, auch wenn die Kirche sich in einem Konkordat dazu versteht.

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In diesem Sinne kann der vorliegende Band Information und Diskussionsgrundlage bieten.

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Richard Puza