23. November 2000

Bundesverwaltungsgericht: Pressemitteilung Nr. 45 vom 23.11.2000

Mitgliedschaft in islamischem Regionalverband gibt keinen Anspruch auf Schächtgenehmigung

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass die Mitgliedschaft eines Muslims in der Islamischen Religionsgemeinschaft Hessen (IRH) nicht die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zum betäubungslosen Schlachten eines warmblütigen Tieres am Islamischen Opferfest rechtfertigt.

Das Tierschutzgesetz verbietet in § 4a grundsätzlich das als Schächten bezeichnete Schlachten eines warmblütigen Tieres ohne vorherige Betäubung. Es erlaubt aber, eine Ausnahmegenehmigung von diesem Verbot zu erteilen, sofern zwingende Vorschriften einer Religionsgemeinschaft ihren Angehörigen das Schächten vorschreiben. Der Kläger hatte eine solche Genehmigung für das Schächten eines Schafes am Islamischen Opferfest 1999 mit der Begründung beantragt, nach der für ihn verbindlichen Entscheidung der IRH, der er angehöre, sei das Schächten eines Opfertieres anlässlich des Opferfestes eine zwingend vorgeschriebene rituelle Handlung. Die Behörden lehnten den Antrag ab mit der Begründung, nach Aussagen kompetenter islamischer Institutionen gebe es keine zwingende religiöse Vorschrift, die einem Muslim den Genuss des Fleisches unbetäubt geschlachteter Tiere untersage. Dagegen stellte das Verwaltungsgericht die Verpflichtung des Beklagten zur Genehmigungserteilung fest. Es führte aus, die IRH sei eine Religionsgemeinschaft; das rituelle Schächten am Opferfest sei eine zwingende Verpflichtung ihrer Mitglieder.

Auf die Revision des Beklagten hat das Bundesverwaltungsgericht diese Entscheidung aufgehoben und die Sache an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen. Dazu hat es ausgeführt, die rituelle Schlachtung eines Tieres am Opferfest falle zwar in den Schutzbereich des Grundrechts auf freie Religionsausübung nach Art. 4 Abs. 1 und 2 GG. Die Wahrnehmung dieses Rechts sei aber durch die allgemeinen Gesetze begrenzt, zu denen auch das grundsätzliche Schächtverbot gehöre. Allerdings müssten dieses Verbot und die gesetzliche Ausnahmeregelung so ausgelegt werden, dass dem hohen Wert des Rechts auf freie Religionausübung Rechnung getragen werde. Bei Anlegung dieses Maßstabs reichten die vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen nicht aus, einen Anspruch des Klägers auf Erteilung der begehrten Ausnahmegenehmigung zu begründen. Dieser Anspruch könne nicht allein auf die Mitgliedschaft des Klägers in der IRH und auf die von dieser getroffenen Entscheidungen zur Notwendigkeit des Schächtens gestützt werden.

Die IRH sei keine Religionsgemeinschaft im Sinne des § 4 a des Tierschutzgesetzes, die ihre Mitglieder zwingenden Vorschriften zur Notwendigkeit des Schächtens unterwerfen könne. Es fehle ihr an einem spezifischen religiösen Profil. Nach ihrer Satzung verstehe sie sich nämlich als Interessenvertretung von Muslimen aller Glaubensrichtungen mit Wohnsitz in Hessen. Es sei indessen, wie auch das Verwaltungsgericht festgestellt habe, allgemein bekannt, dass die Anhänger des Islam wegen der Unterschiede zwischen den verschiedenen Glaubensrichtungen keine Religionsgemeinschaft bildeten, die als solche zwingend einem Gebot zum Schächten unterlägen. Die bloße regionale Begrenzung der Mitglieder auf das Land Hessen hebe diese religiösen Differenzen nicht auf.

Die endgültige Entscheidung über den vom Kläger geltend gemachten Anspruch setze die Feststellung voraus, dass der Kläger einer durch gemeinsame Glaubensüberzeugung verbundenen Gruppe von Menschen angehöre, die für sich die zwingende Notwendigkeit des betäubungslosen rituellen Schächtens als anerkannte Verhaltensregel betrachte. Dabei komme es weder auf eine rechtliche Verfasstheit der Gruppe noch auf von ihr selbst erlassene normative Regelungen an. Entscheidend sei das belegbare ernsthafte Bewusstsein einer für alle Mitglieder aus ihrem Glaubensverständnis heraus unausweichlichen Bindung. Zu all dem fehlten verwertbare Tatsachenfeststellungen. Insbesondere sei nicht erkennbar, ob der Kläger einer islamischen Glaubensrichtung angehöre, die selbst unter den Bedingungen einer Diasporasituation und eines grundsätzlichen gesetzlichen Verbots des betäubungslosen Schlachtens ein zwingendes Schächtgebot als für sich verbindlich ansehe.

Entscheidung vom 23.11.2000 - 3 C 40.99