Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts
Nr. 37/1997 vom 15. Oktober 1997
Rechtsstatus der Israelitischen Synagogengemeinde Adass Jisroel zu Berlin
Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem heute verkündeten Urteil festgestellt, daß die mehr als 70 Jahre lang in Berlin tätig gewesene Israelitische Synagogengemeinde Adass Jisroel weder unter der Herrschaft des Nationalsozialismus noch nach dem Zweiten Weltkrieg im Rechtssinne untergegangen ist, sondern als Körperschaft des öffentlichen Rechts fortbesteht.
Adass Jisroel wurde im Jahre 1869 als zweite jüdische Gemeinde in Berlin gegründet, erhielt im Jahre 1885 durch Dekret des Königs von Preußen die Rechtsstellung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts und wurde unter der Herrschaft des Nationalsozialismus zerschlagen. Im Jahre 1986 wurde das Gemeindeleben im damaligen Ostteil der Stadt wiederaufgenommen. Mit Erklärung vom 18. Dezember 1989 bestätigte die Regierung der DDR die Wiedereinsetzung der Gemeinde in ihre früheren Rechte.
Da das Land Berlin die wiederbelebte Gemeinde nicht als mit der im Jahre 1869 gegründeten Gemeinde identisch, sondern als eine Neugründung ansah, hat die Gemeinde gegen das Land Klage erhoben und die Feststellung beantragt, daß sie Körperschaft des öffentlichen Rechts sei. Das Verwaltungsgericht hat die beantragte Feststellung getroffen, das Oberverwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht hat auf die Revision der Klägerin das Urteil des Verwaltungsgerichts wiederhergestellt. Zur Begründung hat es auf die Erklärung der Regierung der DDR vom 18. Dezember 1989 verwiesen, welche bezweckt habe, den Fortbestand der alten Gemeinde verbindlich festzustellen. Dieser Verwaltungsakt der DDR habe mit deren Untergang am 3. Oktober 1990 nicht seine Wirksamkeit verloren, sondern gelte gemäß Art. 19 des Einigungsvertrags im erweiterten Bundesgebiet fort. Er sei daher auch von den Gerichten zu beachten. Da die Gemeinde bereits vordem Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung im Jahre 1919 Körperschaft des öffentlichen Rechts gewesen sei, habe sie diesen Status aufgrund des geltenden gesamtdeutschen Verfassungsrechts (Art. 140 des Grundgesetzes in Verbindung mit Art. 137 Abs. 5 der Weimarer Reichsverfassung) weiterhin inne, auch wenn er in der Verfassung der DDR seit 1968 nicht mehr vorgesehen gewesen sei. Auf die vom Oberverwaltungsgericht bejahte Frage, ob die Religionsgemeinschaft nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland aufgrund jahrzehntelanger Untätigkeit erloschen sei, komme es hiernach nicht mehr an.
BVerwG, Urteil vom 15. Oktober 1997 - 7 C 21.96