15. Juli 2004

Bundesverwaltungsgericht: Pressemitteilung Nr. 43 vom 15.07.2004

Öffentliche Förderung auch für Schwangerenberatung ohne Beratungsschein

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat heute entschieden, dass auch Beratungsstellen, die die allgemeine Beratung nach dem Gesetz zur Vermeidung und Bewältigung von Schwangerschaftskonflikten durchführen, die aber keine Beratungsbescheinigung für einen straffreien Schwangerschaftsabbruch ausstellen, Anspruch auf angemessene öffentliche Förderung haben.

Geklagt hatte der Sozialdienst katholischer Frauen auf Bezuschussung der Personal und Sachkosten von drei Schwangeren und Familienberatungsstellen in Nordrhein-Westfalen und einer Beratungsstelle in Niedersachsen. Diesen war die öffentliche Förderung entzogen worden, nachdem die katholische Kirche entschieden hatte, in ihren Einrichtungen keine Beratungsbescheinigung mehr auszustellen.

Die zuständigen Behörden beriefen sich darauf, dass nach den jeweiligen Landesrichtlinien ein Anspruch auf Förderung einer Beratungsstelle ausschließlich bestehe, wenn diese nicht nur die in § 2 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes vorgeschriebene allgemeine Beratung in Sexualfragen, Fragen der Familienplanung, der Empfängnisverhütung und des Schwangerschaftsabbruchs sowie der Bewältigung von Schwangerschaftskonflikten anbiete, sondern auch als Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle anerkannt sei und den entsprechenden Beratungsschein ausstelle. Die Vorinstanzen hatten über das Klagebegehren gegensätzlich entschieden. Während das Oberverwaltungsgericht Lüneburg einen Förderungsanspruch verneinte, bejahte ihn das Oberverwaltungsgericht Münster dem Grunde nach.

Das Bundesverwaltungsgericht hat nun den Klägern Recht gegeben. Der Anspruch der Kläger ergebe sich nach Grund und Höhe unmittelbar aus dem vom Bund erlassenen Schwangerschaftskonfliktgesetz. Dieses sehe für die allgemeine Beratung und die Konfliktberatung jeweils Beratungsstellen mit unterschiedlichem Profil, unterschiedlichen - wenn auch sich teilweise überschneidenden - Aufgaben und unterschiedlichen Zulassungsvoraussetzungen vor; für beide Arten von Beratungsstellen seien den Ländern jeweils selbständige Sicherstellungsaufträge erteilt und die Verpflichtung zur Förderung auferlegt. Neben der Gesetzessystematik und der Entstehungsgeschichte spreche insbesondere der Sinn und Zweck des Gesetzes für einen eigenständigen Förderungsanspruch der allgemeinen Beratungsstellen. Die von ihnen geleistete Beratungsarbeit sei ein wichtiger Bestandteil des Lebensschutzes, den das Schwangerschaftskonfliktgesetz durch eine möglichst umfassende Beratung gewährleisten wolle. Das zeige sich u.a. darin, dass die anerkannten Konfliktberatungsstellen die öffentliche Förderung auch für ihre Tätigkeit auf dem Gebiet der allgemeinen Beratung erhielten.

Die Höhe des Förderanspruchs hat das Bundesverwaltungsgericht in Anlehnung an den Fördersatz für anerkannte Konfliktberatung mit 80 % der notwendigen Personal und Sachkosten beziffert. Voraussetzung ist, dass die Beratungsstelle zur Sicherstellung eines weltanschaulich vielfältigen wohnortnahen Beratungsangebots erforderlich ist. Ob diese Voraussetzungen in den streitigen Fällen erfüllt sind, werden die Vorinstanzen bzw. die zuständigen Behörden noch zu klären haben.

BVerwG 3 C 48.03, 3 C 12 - 14.04 - Urteile vom 15. Juli 2004