20. August 2008

Bundesverwaltungsgericht: Pressemitteilung Nr. 53 vom 20. August 2008

Nichtanrechnung von Verlustvorträgen bei Bemessung der Kirchensteuer

 

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat mit Urteil vom 20. August 2008 die Nichtanrechnung eines Verlustvortrages bei der Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens für die Berechnung der Kirchensteuer in Hessen für vereinbar mit Bundesrecht erklärt.

Die Klägerin war Mitglied der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Sie erzielte im hier maßgeblichen Veranlagungszeitraum 2003 einen Veräußerungsgewinn aus Aktiengeschäften. Nach dem Halbeinkünfteverfahren wurde nur die Hälfte des Gewinns der Einkommensteuerberechnung zugrunde gelegt. Aus früheren Jahren bestand noch ein Verlustvortrag aus Veräußerungsverlusten, der den Gewinn deutlich überstieg. Deshalb ergab sich - unter Berücksichtigung von Beiträgen und sonstigen Abzügen - keine Einkommensteuerpflicht. Bei der Berechnung der Kirchensteuer wurde dagegen nach § 2 Abs. 2 des hessischen Kirchensteuergesetzes i.V.m. § 51a Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) der nicht versteuerte Gewinnanteil wieder hinzugerechnet, der Verlustvortrag insoweit jedoch außer Betracht gelassen. Die Klägerin wurde entsprechend dem so fiktiv berechneten Einkommen zu einer Kirchensteuer von mehr als 4 000 € herangezogen. Ihre Klage dagegen blieb vor dem Verwaltungsgericht ebenso erfolglos wie die Sprungrevision beim Bundesverwaltungsgericht.

Das Bundesverwaltungsgericht sah keinen Verstoß gegen Bundesrecht. Das angegriffene Urteil verstoße nicht gegen den sich aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) ergebenden Grundsatz der Besteuerungsgleichheit. Dieser Grundsatz hindere den Gesetzgeber nicht, die Regelungen der Kirchensteuer und der Einkommensteuer unterschiedlich zu gestalten. Weder das Gebot der steuerlichen Verschonung des Existenzminimums noch das Gebot des Abzugs mit der Einkunftserzielung unmittelbar zusammenhängender Aufwendungen zwinge dazu, dem Steuerpflichtigen die Nutzung von Verlustvorträgen aus früheren Steuerjahren bei der Bemessung der Kirchensteuer auf Veräußerungsgewinne zu ermöglichen. Der Ausschluss der Verrechnung eines Verlustvortrags für diejenige Hälfte der dem Halbeinkünfteverfahren unterliegenden Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften und Kapitalvermögen, die nicht der Einkommensteuer unterliegt, aber als Bemessungsgrundlage für die Kirchensteuer dient, verletze auch nicht das Prinzip der Folgerichtigkeit. § 51a Abs. 2 Satz 2 EStG habe das Ziel gehabt, die durch das Halbeinkünfteverfahren entstehenden Kirchensteuerverluste durch ein möglichst einfaches Verfahren auszugleichen und insbesondere die Notwendigkeit einer gesonderten "Schattenveranlagung" für diese Steuer zu vermeiden. Dies sei ein ausreichender sachlicher Grund für die teilweise Nichtberücksichtigung des Verlustvortrags auch bei der Kirchensteuer. Angesichts der Komplexität des Steuerrechts seien auch nur mäßige Vereinfachungseffekte nicht sachwidrig. Der Eigentumsschutz nach Art. 14 Abs. 1 GG sei nicht berührt, weil die Möglichkeit, Verluste auch nach ihrem Entstehungsjahr steuerlich ausgleichen zu können, keine grundgesetzlich geschützte Vermögensposition darstelle.

BVerwG 9 C 9.07 - Urteil vom 20. August 2008