Bundesverwaltungsgericht: Pressemitteilung Nr. 17 vom 27. Februar 2014
Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten auch für Geistliche und Kirchenbeamte eröffnet
Geistliche und Kirchenbeamte können sich gegen dienstrechtliche Maßnahmen ihrer Religionsgesellschaft mit der Rüge, die Maßnahme verstoße gegen elementare Grundsätze der staatlichen Rechtsordnung, grundsätzlich an die staatlichen Verwaltungsgerichte wenden. Die Prüfung an Hand des kirchlichen Rechts dagegen ist Sache der innerkirchlichen Gerichte. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Es hat aber die Klage eines früheren evangelischen Pastors auf Weiterbeschäftigung bzw. höhere Abfindung abgewiesen.
Der Kläger, ein evangelischer Theologe, wendet sich gegen die Beendigung seines kirchenrechtlichen Dienstverhältnisses auf Zeit als Pastor im Sonderdienst. Dieses (inzwischen wieder abgeschaffte) Sonderdienstverhältnis war von der beklagten Evangelischen Kirche im Rheinland im Jahr 1985 als eine Art Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für ausgebildete Theologen eingerichtet worden; eine Berufung in diesen Sonderdienst war von vornherein auf höchstens zwei Mal fünf Jahre befristet. Auf dieser Grundlage war der Kläger von 1994 bis 2004 als Pastor in der Krankenhausseelsorge tätig. Nach dem Ende des Dienstverhältnisses wurde er von der Beklagten für diese Zeit in der gesetzlichen Rentenversicherung nachversichert und erhielt eine Abfindung. Sein Rechtsschutzbegehren auf Weiterbeschäftigung als Kirchenbeamter sowie auf Gewährung einer höheren Abfindung blieb vor der Verwaltungskammer der Beklagten (dem von dieser eingerichteten kirchlichen Gericht) ohne Erfolg.
Daraufhin wandte sich der Kläger an die staatlichen Gerichte. Das Oberverwaltungsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben. Es hat die Beklagte verpflichtet, über die Anträge des Klägers neu zu entscheiden. Zur Begründung hat es angeführt, die Beklagte habe gegen ihre aus der grundgesetzlichen Berufsfreiheit fließende Fürsorgepflicht verstoßen, weil sie den Kläger für den Fall seines Ausscheidens aus dem Kirchendienst nach zehnjähriger Tätigkeit, ohne dass er eine Pfarrstelle finde, nicht angemessen abgesichert habe.
Das Bundesverwaltungsgericht hat das Berufungsurteil aufgehoben und das Begehren des Klägers in der Sache abgewiesen. Es hat allerdings betont, dass der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten nicht von vornherein deswegen ausgeschlossen ist, weil es im Streitfall um Maßnahmen im Bereich des innerkirchlichen Dienstrechts geht, der den Religionsgesellschaften von Verfassungs wegen (Art. 140 GG, Art. 137 Abs. 3 Satz 1 und 2 WRV) zur Selbstverwaltung zugewiesen ist. Der Justizgewährungsanspruch des Grundgesetzes gilt auch hier. Das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgesellschaften sperrt nicht bereits den Zugang zu den staatlichen Gerichten; ihm ist vielmehr bei Umfang und Intensität der gerichtlichen Kontrolle Rechnung zu tragen. Das öffentlich-rechtliche Dienstrecht der korporierten Religionsgesellschaften gehört zum Kern der ihnen eingeräumten Selbstverwaltungsgarantie. Bei Maßnahmen, die die Berufung von Geistlichen oder Kirchenbeamten betreffen, ist der Zugang zu den staatlichen Gerichten nur mit der Rüge eröffnet, dass die kirchliche Maßnahme gegen elementare Grundsätze des staatlichen Rechts verstoße, wie sie das Bundesverfassungsgericht auch zur Voraussetzung für die Verleihung des Körperschaftsstatus (Art. 137 Abs. 5 WRV) macht.
Im Fall des Klägers ist nicht ersichtlich, dass die beklagte Kirche bei ihrer Entscheidung, den Kläger nicht erneut in ein Kirchenbeamtenverhältnis zu berufen, diese Grundprinzipien des staatlichen Rechts, wie etwa die Menschenwürde, verletzt hätte. Unbegründet ist auch das Begehren des Klägers auf Gewährung einer höheren Abfindung aus Anlass der Beendigung des Dienstverhältnisses, etwa in Höhe der Regelung für Wahlbeamte. Der beklagten Kirche obliegt in Bezug auf die soziale Sicherung von Kirchenbeamten, die aus ihrem Dienst ausscheiden, eine aus dem Sozialstaatsprinzip abgeleitete Fürsorgepflicht. Danach müssen die Leistungen der Kirche einem sozialen Mindeststandard genügen. Diesen Anforderungen ist die Beklagte jedenfalls deshalb gerecht geworden, weil sie die Maßnahmen ergriffen hat, die ihr beim Ausscheiden eines Beamten aus dem Dienst im staatlichen Bereich oblegen hätten (Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung und Zahlung eines Übergangsgeldes).
BVerwG 2 C 19.12 - Urteil vom 27. Februar 2014
Vorinstanzen: OVG Münster 5 A 1941/10 - Urteil vom 18. September 2012, VG Düsseldorf 1 K 714/08 - Urteil vom 16. Juli 2010