05. Februar 2009

Bundesverwaltungsgericht: Pressemitteilung Nr. 5 vom 5. Februar 2009

Gemeinde muss vertraglich begründete Kirchenbaulast weiterhin erfüllen

 

Vor Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung begründete vertragliche Kirchenbaulasten sind trotz des Wandels, den die Weimarer Reichsverfassung im Verhältnis von Kirche und Staat bewirkt hat, grundsätzlich weiterhin zu erfüllen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.

Der Kläger, ein Katholischer Kirchen- und Pfarrhaus-Baufonds, begehrt aus abgetretenem Recht von der beklagten Stadt Bühl die Erstattung von Kosten, welche die katholische Kirchengemeinde Sankt Gallus in Bühl-Altschweier zur Renovierung ihrer Pfarrkirche aufgewandt hat. Der Kläger ist aus einer 1836 errichteten Pfarrstiftung hervorgegangen, die aus Mitteln einer Erbschaft dotiert war und den Zweck hatte, die Errichtung einer eigenständigen Kirchengemeinde und den Bau einer Pfarrkirche mit Pfarrhaus in der damals noch selbstständigen Gemeinde Altschweier zu ermöglichen. Diese gehört heute zur beklagten Stadt Bühl. Im Jahre 1868 schlossen der kirchliche Stiftungsvorstand als Vertreter des örtlichen Kirchenvermögens und die Gemeinde Altschweier einen Vertrag, durch den die Gemeinde Altschweier die subsidiäre (d.h. gegenüber dem Baufonds nachrangige) Baupflicht unter anderem zum Neubau und zur Unterhaltung der katholischen Kirche übernahm. Auf diesen Vertrag stützt der Kläger seinen Anspruch. Die beklagte Stadt wendet dem gegenüber ein, weil sich die Verhältnisse seit dem Abschluss des Vertrages wesentlich verändert hätten, sei ihr ein Festhalten am Vertrag nicht länger zumutbar. Der Verwaltungsgerichtshof hat der Klage im Berufungsverfahren dem Grunde nach im Wesentlichen stattgegeben.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision der beklagten Stadt zurückgewiesen: Die staatskirchenrechtlichen Bestimmungen der Weimarer Reichsverfassung, die Bestandteil des Grundgesetzes geworden sind, verböten finanzielle Leistungen der politischen Gemeinden an Kirchengemeinden nicht und machten die Erfüllung früher geschlossener Verträge deshalb nicht rechtlich unmöglich. Das Verbot der Staatskirche untersage zwar jede institutionelle Verbindung von Staat und Kirche. Der Grundsatz der Trennung von Staat und Kirche schließe aber eine - auch finanzielle - Förderung von Religion und Religionsgemeinschaften nicht aus. Der Grundsatz der religiösen und weltanschaulichen Neutralität des Staates verbiete dem Staat, sich mit einer Religion, einer Kirche oder einer Religionsgemeinschaft inhaltlich zu identifizieren. An einer solchen unzulässigen Identifikation mit einer bestimmten Religion fehle es, wenn die öffentliche Hand vorkonstitutionell begründete Rechtspflichten erfülle. Der Anspruch der Bekenntnisse auf gleiche Behandlung (Grundsatz der Parität) erlaube es, bei der Gewährung staatlicher Vergünstigungen nach sachlichen Gesichtspunkten zu differenzieren. Dazu zählten beispielsweise die äußere Größe und Verbreitung einer Religionsgesellschaft, der Grad ihrer öffentlichen Wirksamkeit, ihre kultur- und sozialpolitische Stellung in der Gesellschaft. Eine entsprechende Differenzierung sei daher auch den Gemeinden bezogen auf die örtlichen Verhältnisse erlaubt. Dies könne eine nur einseitige Förderung einer Kirchengemeinde durch Beiträge zu den Lasten der Kirchenunterhaltung erlauben, wenn dies der örtlichen Bedeutung der Kirchengemeinde entspreche. Darüber hinaus beruhe die Fortsetzung finanzieller Förderung der Kirchengemeinde hier auf einer überkommenen vertraglichen Verpflichtung. Es sei nicht sachwidrig, danach zu differenzieren, ob ein Begünstigter einen vertraglichen Anspruch habe oder nicht. Das Bundesverwaltungsgericht hat ferner angenommen, der Wandel des Verhältnisses von Staat und Kirche seit dem Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung habe keinen Wegfall der Geschäftsgrundlage bewirkt, der die beklagte Stadt berechtige, sich vom Vertrag zu lösen. Ein solcher Wegfall der Geschäftsgrundlage sei auch nicht dadurch eingetreten, dass sich der Anteil der Katholiken an der Einwohnerschaft von Altschweier von 96 % auf 82 % vermindert habe und der Baufonds seit Inflation und Währungsumstellung vermögenslos sei mit der Folge, dass aus der nachrangigen Haftung der Stadt eine primäre Haftung geworden sei.

BVerwG 7 C 11.08 - Urteil vom 5. Februar 2009