26. Juni 1997

Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts
vom 26. Juni 1997

Keine Anerkennung der Zeugen Jehovas als Körperschaft des öffentlichen Rechts

Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem heute verkündeten Urteil entschieden, daß die Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas keinen Anspruch darauf hat, vom Staat als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt zu werden. Der Rechtsstatus einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, der den christlichen Kirchen seit langem zukommt, kann nach dem Grundgesetz auch von anderen Religionsgemeinschaften beansprucht werden, sofern sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten. Er ist mit Befugnissen verbunden, die sonst nur dem Staat selbst zustehen, wie etwa das Recht, Beamte zu haben, oder das Recht zur Erhebung von (Kirchen-)Steuern.

Die Klägerin, die aus der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas in der DDR hervorgegangen ist, hatte sich beim beklagten Land Berlin vergeblich um ihre Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts bemüht. Während das Verwaltungsgericht und das Oberverwaltungsgericht ihr Begehren für begründet gehalten hatten, hat das Bundesverwaltungsgericht die Klage abgewiesen.

Zur Begründung seiner Entscheidung führt das Bundesverwaltungsgericht aus: Der Rechtsstatus einer Körperschaft des öffentlichen Rechts werde den Religionsgemeinschaften vom Staat in der Absicht angeboten, ihr Wirken zu fördern und mit ihnen zu ihrem Nutzen dauerhaft zusammenzuarbeiten. Eine solche Kooperation sei ohne ein Mindestmaß an gegenseitigem Respekt nicht vorstellbar. Ebenso wie der Staat sich mit der Anerkennung der Religionsgemeinschaften nicht in deren Angelegenheiten einmische, könne umgekehrt von der Religionsgemeinschaft, die mit ihrem Anerkennungsbegehren die Nähe zum Staat suche und dessen spezifische Gestaltungsformen und Machtmittel für ihre Zwecke in Anspruch nehmen wolle, erwartet werden, daß sie die Grundlagen der staatlichen Existenz nicht prinzipiell in Frage stelle. Die Zeugen Jehovas seien zwar dem Staat gegenüber nicht negativ, sondern grundsätzlich positiv eingestellt, lehnten aber aus religiösen Gründen die Teilnahme an den staatlichen Wahlen ab. Mit diesem für alle Mitglieder geltenden Verbot der Wahlteilnahme setze sich die Religionsgemeinschaft in Widerspruch zu dem für die staatliche Ordnung im Bund und in den Ländern konstitutiven Demokratieprinzip. Denn die für das staatliche Handeln benötigte demokratische Legitimation werde dem Staat im System der repräsentaßtiv-parlamenßtarischen Demokratie vor allem durch die Wahlen zum Parlament vermittelt. Diese nicht nur staatspolitisch, sondern zugleich auch verfassungsrechtlich zentrale Bedeutung der Parlamentswahlen werde von der Klägerin mißachtet. Da sie dem demokratisch verfaßten Staat nicht die für eine dauerhafte Zusammenarbeit unerläßliche Loyalität entgegenbringe, könne sie nicht verlangen, von ihm als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt zu werden.

BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1997 - 7 C 11.96